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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Friedrich Althoff, der preußische Ministerialdirektor

etwas zu erreichen machte ihm ebensoviel Vergnügen, wie fremden Widerstand
dnrch Widerstand seinerseits zu überwinden oder sich aus jeder Verlegenheit
durch ein geschickt ersonnenes Mittel herauszufinden. Hierher gehört denn auch
das reichliche Versprechen von Dingen, die zu gewähren er hinterher gar nicht
in der Lage war; er selbst nahm sich dies gar nicht übel, vielleicht war es
meist wirklich nur in einer optimistischen Stimmung geschehen. Personen zu
schönen, wo es ihm wichtige Sachen galt, war ihm überhaupt nicht der Mühe
wert, was doch schwerlich dadurch gerechtfertigt wurde, daß er allerdings auch
sich selbst nicht schonte, weder mit seinem Urteil noch mit Zumutungen an
seine Kraft. Es wurde ihm denn auch sehr schwer, eine Zeit der Schonung
und Erholung wirklich als solche zu verwenden, und während der jährlichen
Urlaubszeit folgten ihm in die Luftkurorte mannigfache Akten; manchmal kehrte
er vor Ablauf dieser Zeit in sein Bureau zurück, um wieder recht vom Morgen
bis zum Abend sich und andre Menschen in Atem zu halten. Denn wer auf
begrenzte Bureaustuuden rechnen wollte, täuschte sich sehr. Man sagte ihm
auch nach, daß er gern in den Geschäftsbereich der ihm gar nicht unterstehenden
Abteilungen des großen Kultusministeriums ciugreife, und das mag hie und
da der Fall gewesen sein, wo er sich des Besserkönncns sehr bewußt war und
etwas staatlich bedeutendes auf dem Spiele stand; andre in solchen Fällen
gegen sich aufzubringen war ihm gleichgiltig. Natürlich ließ er um so weniger
andre die Grenzen zu seinem eignen Amtsbereich hin überschreiten. Als vor¬
tragender Rat hatte er sich herausgenommen, manches zu erledigen, was
eigentlich nur seinen" Vorgesetzten zustand, und als er dann in dessen Stellung
einrückte, war das erste, daß er seinem nunmehrigen Nachfolger im frühern
Amt einschärfte, er möge sich nicht ähnliche Freiheiten erlauben, wie sein Vor¬
gänger (also Althoff selbst) das getan habe.

Kein Wunder, daß man Herrschsucht für seine Haupteigenschaft erklärte.
Ob mit Recht oder Unrecht? das ist nicht so einfach zu entscheiden. Es ist
damit ungefähr wie mit der Unterscheidung von altruistischen und egoistischen
Untergründen unsers Handelns, oder wie mit zutreffender Beurteilung dessen,
was man Ehrgeiz nennt. Das Bedürfnis, sich zu beendigen, dasjenige, Einfluß
zu üben, Wirkung zu tun, sich und seine Kraft geltend zu machen, fremden
Willen in den seinigen hineinzuziehen, menschliche Gegnerschaft zu unterwerfen,
das alles sind Glieder einer Kette, die sich wirklich viel zu sehr ineinander
schlingen, als daß sie sich für den Beobachter oder anch für das Bewußtsein
des davon beseelten säuberlich trennen ließen. Es ist unzweifelhaft, daß
Althoff nicht etwa persönlichen Vorteil suchte, daß alle seine Bemühungen, auch
die gekrümmten Wege, die er einschlug, immer zu sachlich wertvollen Erfolgen
führen sollten. Aber es blieb denn doch nicht aus, daß er auch durch Wider¬
stand gereizt wurde, daß er seine Kraft an dessen Niederwerfung versuchte,
daß er um so zäher an seinem Wollen festhielt, daß er manchmal viel mehr
seinen Willen wollte als das sachliche Ziel. Und ebensowenig blieb es aus,


Friedrich Althoff, der preußische Ministerialdirektor

etwas zu erreichen machte ihm ebensoviel Vergnügen, wie fremden Widerstand
dnrch Widerstand seinerseits zu überwinden oder sich aus jeder Verlegenheit
durch ein geschickt ersonnenes Mittel herauszufinden. Hierher gehört denn auch
das reichliche Versprechen von Dingen, die zu gewähren er hinterher gar nicht
in der Lage war; er selbst nahm sich dies gar nicht übel, vielleicht war es
meist wirklich nur in einer optimistischen Stimmung geschehen. Personen zu
schönen, wo es ihm wichtige Sachen galt, war ihm überhaupt nicht der Mühe
wert, was doch schwerlich dadurch gerechtfertigt wurde, daß er allerdings auch
sich selbst nicht schonte, weder mit seinem Urteil noch mit Zumutungen an
seine Kraft. Es wurde ihm denn auch sehr schwer, eine Zeit der Schonung
und Erholung wirklich als solche zu verwenden, und während der jährlichen
Urlaubszeit folgten ihm in die Luftkurorte mannigfache Akten; manchmal kehrte
er vor Ablauf dieser Zeit in sein Bureau zurück, um wieder recht vom Morgen
bis zum Abend sich und andre Menschen in Atem zu halten. Denn wer auf
begrenzte Bureaustuuden rechnen wollte, täuschte sich sehr. Man sagte ihm
auch nach, daß er gern in den Geschäftsbereich der ihm gar nicht unterstehenden
Abteilungen des großen Kultusministeriums ciugreife, und das mag hie und
da der Fall gewesen sein, wo er sich des Besserkönncns sehr bewußt war und
etwas staatlich bedeutendes auf dem Spiele stand; andre in solchen Fällen
gegen sich aufzubringen war ihm gleichgiltig. Natürlich ließ er um so weniger
andre die Grenzen zu seinem eignen Amtsbereich hin überschreiten. Als vor¬
tragender Rat hatte er sich herausgenommen, manches zu erledigen, was
eigentlich nur seinen« Vorgesetzten zustand, und als er dann in dessen Stellung
einrückte, war das erste, daß er seinem nunmehrigen Nachfolger im frühern
Amt einschärfte, er möge sich nicht ähnliche Freiheiten erlauben, wie sein Vor¬
gänger (also Althoff selbst) das getan habe.

Kein Wunder, daß man Herrschsucht für seine Haupteigenschaft erklärte.
Ob mit Recht oder Unrecht? das ist nicht so einfach zu entscheiden. Es ist
damit ungefähr wie mit der Unterscheidung von altruistischen und egoistischen
Untergründen unsers Handelns, oder wie mit zutreffender Beurteilung dessen,
was man Ehrgeiz nennt. Das Bedürfnis, sich zu beendigen, dasjenige, Einfluß
zu üben, Wirkung zu tun, sich und seine Kraft geltend zu machen, fremden
Willen in den seinigen hineinzuziehen, menschliche Gegnerschaft zu unterwerfen,
das alles sind Glieder einer Kette, die sich wirklich viel zu sehr ineinander
schlingen, als daß sie sich für den Beobachter oder anch für das Bewußtsein
des davon beseelten säuberlich trennen ließen. Es ist unzweifelhaft, daß
Althoff nicht etwa persönlichen Vorteil suchte, daß alle seine Bemühungen, auch
die gekrümmten Wege, die er einschlug, immer zu sachlich wertvollen Erfolgen
führen sollten. Aber es blieb denn doch nicht aus, daß er auch durch Wider¬
stand gereizt wurde, daß er seine Kraft an dessen Niederwerfung versuchte,
daß er um so zäher an seinem Wollen festhielt, daß er manchmal viel mehr
seinen Willen wollte als das sachliche Ziel. Und ebensowenig blieb es aus,


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[0114] Friedrich Althoff, der preußische Ministerialdirektor etwas zu erreichen machte ihm ebensoviel Vergnügen, wie fremden Widerstand dnrch Widerstand seinerseits zu überwinden oder sich aus jeder Verlegenheit durch ein geschickt ersonnenes Mittel herauszufinden. Hierher gehört denn auch das reichliche Versprechen von Dingen, die zu gewähren er hinterher gar nicht in der Lage war; er selbst nahm sich dies gar nicht übel, vielleicht war es meist wirklich nur in einer optimistischen Stimmung geschehen. Personen zu schönen, wo es ihm wichtige Sachen galt, war ihm überhaupt nicht der Mühe wert, was doch schwerlich dadurch gerechtfertigt wurde, daß er allerdings auch sich selbst nicht schonte, weder mit seinem Urteil noch mit Zumutungen an seine Kraft. Es wurde ihm denn auch sehr schwer, eine Zeit der Schonung und Erholung wirklich als solche zu verwenden, und während der jährlichen Urlaubszeit folgten ihm in die Luftkurorte mannigfache Akten; manchmal kehrte er vor Ablauf dieser Zeit in sein Bureau zurück, um wieder recht vom Morgen bis zum Abend sich und andre Menschen in Atem zu halten. Denn wer auf begrenzte Bureaustuuden rechnen wollte, täuschte sich sehr. Man sagte ihm auch nach, daß er gern in den Geschäftsbereich der ihm gar nicht unterstehenden Abteilungen des großen Kultusministeriums ciugreife, und das mag hie und da der Fall gewesen sein, wo er sich des Besserkönncns sehr bewußt war und etwas staatlich bedeutendes auf dem Spiele stand; andre in solchen Fällen gegen sich aufzubringen war ihm gleichgiltig. Natürlich ließ er um so weniger andre die Grenzen zu seinem eignen Amtsbereich hin überschreiten. Als vor¬ tragender Rat hatte er sich herausgenommen, manches zu erledigen, was eigentlich nur seinen« Vorgesetzten zustand, und als er dann in dessen Stellung einrückte, war das erste, daß er seinem nunmehrigen Nachfolger im frühern Amt einschärfte, er möge sich nicht ähnliche Freiheiten erlauben, wie sein Vor¬ gänger (also Althoff selbst) das getan habe. Kein Wunder, daß man Herrschsucht für seine Haupteigenschaft erklärte. Ob mit Recht oder Unrecht? das ist nicht so einfach zu entscheiden. Es ist damit ungefähr wie mit der Unterscheidung von altruistischen und egoistischen Untergründen unsers Handelns, oder wie mit zutreffender Beurteilung dessen, was man Ehrgeiz nennt. Das Bedürfnis, sich zu beendigen, dasjenige, Einfluß zu üben, Wirkung zu tun, sich und seine Kraft geltend zu machen, fremden Willen in den seinigen hineinzuziehen, menschliche Gegnerschaft zu unterwerfen, das alles sind Glieder einer Kette, die sich wirklich viel zu sehr ineinander schlingen, als daß sie sich für den Beobachter oder anch für das Bewußtsein des davon beseelten säuberlich trennen ließen. Es ist unzweifelhaft, daß Althoff nicht etwa persönlichen Vorteil suchte, daß alle seine Bemühungen, auch die gekrümmten Wege, die er einschlug, immer zu sachlich wertvollen Erfolgen führen sollten. Aber es blieb denn doch nicht aus, daß er auch durch Wider¬ stand gereizt wurde, daß er seine Kraft an dessen Niederwerfung versuchte, daß er um so zäher an seinem Wollen festhielt, daß er manchmal viel mehr seinen Willen wollte als das sachliche Ziel. Und ebensowenig blieb es aus,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/114>, abgerufen am 24.07.2024.