Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.Zu Bülows Rücktritt Reiche augenblicklich nötiger ist als der Block, Er hat darum nur wenig in die Wenn nicht alles täuscht, hätte Fürst Bülow nach Durchführung der Finanz¬ Zu Bülows Rücktritt Reiche augenblicklich nötiger ist als der Block, Er hat darum nur wenig in die Wenn nicht alles täuscht, hätte Fürst Bülow nach Durchführung der Finanz¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0068" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/313771"/> <fw type="header" place="top"> Zu Bülows Rücktritt</fw><lb/> <p xml:id="ID_243" prev="#ID_242"> Reiche augenblicklich nötiger ist als der Block, Er hat darum nur wenig in die<lb/> Beratungen eingegriffen, den Liberalen uur gelinde Vorwürfe wegen ihres<lb/> parlamentarischen Verhaltens gemacht, sich hauptsächlich an die Einsicht der<lb/> Konservativen gewandt und gerade von ihnen verlangt, dem Zustandekommen<lb/> der Reichsfinanzreform die Opfer zu bringen, die sie nach ihren Grundsätzen<lb/> und ihrer Geschichte stets dem Staate gebracht haben. Es bleibt ein Fehler<lb/> der konservativen Parteileitung, diese dringende Mahnung nicht beherzigt und<lb/> durch hartnäckiges Beharren auf ihrem Standpunkt gezeigt zu haben, daß sie<lb/> nicht besser waren als andre Parteien. Das geht wider die konservative Tradition.<lb/> Auch die konservative Partei hat ihr Schweif fortgeschoben. Das ist der Bauern-<lb/> bund, der ja an sich ganz gut, aber die demagogische Redeweise der Volksver¬<lb/> sammlungen unter konservativer Flagge in den Reichstag getragen hat. Die<lb/> tragischen Worte über Untergrabung des Familiensinns und andre sentimentale<lb/> Anwandlungen können in einer Versammlung wie der Reichstag nicht überzeugend<lb/> wirken. Und schließlich fällt auf die konservative Parteileitung der Vorwurf,<lb/> daß sie verkannte, wie Bülow bei der dringenden Mahnung zur Annahme der<lb/> Erbanfallstener indirekt die Vertrauensfrage stellte. So bleibt auf den Konser¬<lb/> vativen der Vorwurf haften, daß sie, wenn auch ungewollt, den ünßern Anlaß ge¬<lb/> boten haben, der Bülow zum Rücktritte veranlaßte. Bülow war ein Liebling des<lb/> Volks, und die Milieupresse benutzt die Gelegenheit, ihre Parlamentarier zu preisen.<lb/> Zur Entschuldigung der konservativen Parteileitung mag dienen, daß die Reichs-<lb/> regiernng bei der Versenkung der Beleuchtungs-, Jnseratensteuer usw. in den<lb/> Orkus keine Miene verzogen hatte, und daß gerade die Erbanfallsteuer ent¬<lb/> scheidender sein sollte als andre, war nicht direkt ausgesprochen worden. Im<lb/> übrigen werden auf die Dauer alle Bemühungen der Milieupresse doch ebenso¬<lb/> wenig eine tiefgehende Wirkung ausüben wie in frühern kritischen Zeiten. In<lb/> wenigen Monaten werden die Leser wieder nur die Telegramme, Inserate und<lb/> Lokalnachrichten beachten und den Redakteuren usw. überlassen, sich gegenseitig<lb/> öffentliche Meinung zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_244"> Wenn nicht alles täuscht, hätte Fürst Bülow nach Durchführung der Finanz¬<lb/> reform doch seinen Rücktritt genommen, nachdem sein Blvckgedanke wegen Mangel<lb/> an Verständnis der Parteien wie der Presse undurchführbar geworden war.<lb/> Er hatte sich damit persönlich zu eng verknüpft, sich schließlich zu sehr für die<lb/> Erbschaftssteuer eingesetzt (obgleich tags darauf offiziös wurde, daß sie nicht<lb/> die Steuerreform bedeute), sodaß er bei seiner Feinfühligkeit annehmen mochte,<lb/> sein staatsmännisches Ansehen habe gelitten. Im Reichstag vielleicht, beim<lb/> d<note type="byline"/> eutschen Volke sicher nicht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
Zu Bülows Rücktritt
Reiche augenblicklich nötiger ist als der Block, Er hat darum nur wenig in die
Beratungen eingegriffen, den Liberalen uur gelinde Vorwürfe wegen ihres
parlamentarischen Verhaltens gemacht, sich hauptsächlich an die Einsicht der
Konservativen gewandt und gerade von ihnen verlangt, dem Zustandekommen
der Reichsfinanzreform die Opfer zu bringen, die sie nach ihren Grundsätzen
und ihrer Geschichte stets dem Staate gebracht haben. Es bleibt ein Fehler
der konservativen Parteileitung, diese dringende Mahnung nicht beherzigt und
durch hartnäckiges Beharren auf ihrem Standpunkt gezeigt zu haben, daß sie
nicht besser waren als andre Parteien. Das geht wider die konservative Tradition.
Auch die konservative Partei hat ihr Schweif fortgeschoben. Das ist der Bauern-
bund, der ja an sich ganz gut, aber die demagogische Redeweise der Volksver¬
sammlungen unter konservativer Flagge in den Reichstag getragen hat. Die
tragischen Worte über Untergrabung des Familiensinns und andre sentimentale
Anwandlungen können in einer Versammlung wie der Reichstag nicht überzeugend
wirken. Und schließlich fällt auf die konservative Parteileitung der Vorwurf,
daß sie verkannte, wie Bülow bei der dringenden Mahnung zur Annahme der
Erbanfallstener indirekt die Vertrauensfrage stellte. So bleibt auf den Konser¬
vativen der Vorwurf haften, daß sie, wenn auch ungewollt, den ünßern Anlaß ge¬
boten haben, der Bülow zum Rücktritte veranlaßte. Bülow war ein Liebling des
Volks, und die Milieupresse benutzt die Gelegenheit, ihre Parlamentarier zu preisen.
Zur Entschuldigung der konservativen Parteileitung mag dienen, daß die Reichs-
regiernng bei der Versenkung der Beleuchtungs-, Jnseratensteuer usw. in den
Orkus keine Miene verzogen hatte, und daß gerade die Erbanfallsteuer ent¬
scheidender sein sollte als andre, war nicht direkt ausgesprochen worden. Im
übrigen werden auf die Dauer alle Bemühungen der Milieupresse doch ebenso¬
wenig eine tiefgehende Wirkung ausüben wie in frühern kritischen Zeiten. In
wenigen Monaten werden die Leser wieder nur die Telegramme, Inserate und
Lokalnachrichten beachten und den Redakteuren usw. überlassen, sich gegenseitig
öffentliche Meinung zu machen.
Wenn nicht alles täuscht, hätte Fürst Bülow nach Durchführung der Finanz¬
reform doch seinen Rücktritt genommen, nachdem sein Blvckgedanke wegen Mangel
an Verständnis der Parteien wie der Presse undurchführbar geworden war.
Er hatte sich damit persönlich zu eng verknüpft, sich schließlich zu sehr für die
Erbschaftssteuer eingesetzt (obgleich tags darauf offiziös wurde, daß sie nicht
die Steuerreform bedeute), sodaß er bei seiner Feinfühligkeit annehmen mochte,
sein staatsmännisches Ansehen habe gelitten. Im Reichstag vielleicht, beim
d eutschen Volke sicher nicht.
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