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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Die Amerikaner auf Hawai

unvernünftigen Abschießens der Tiere sehr bald auf die Neige. Ebenso ging
es mit dem Sandelholz auf den hawaiischen Inseln; man hatte für die Wieder¬
aufforstung nichts getan -- und so war es eines schönen Tages so gut wie
zu Ende. Die Amerikaner widmeten sich nunmehr dem Walfischfang, für den
sich Hawai als Ausrüstungs- und Anlegeplatz als sehr wichtig erwies. So
hielten sich zum Beispiel im Jahre 1822 im Hafen von Honolulu zu derselben
Zeit 24 Walfischfahrer auf. Im Jahre 1845 liefen sogar 497 Walfischfahrer,
die insgesamt 14905 Matrosen an Bord hatten, die Inseln an. Dreiviertel
dieser Schiffe führten die Flagge der Vereinigten Staaten. Infolgedessen
waren die Beziehungen der eingebornen Regierung -- die Inseln waren im
Jahre 1791 unter Kamehameha dem Ersten zu einem einheitlichen Königreiche
verschmolzen worden -- zu der nordamerikanischen Union besonders rege.
Schon 1826 wurde der erste Vertrag zwischen Hawai und den Vereinigten
Staaten geschlossen.

Auch die Kultureinflüsse Amerikas machten sich im Guten wie im Bösen
geltend. Wie die meisten Naturvölker, vertrugen auch die Eingebornen Hciwais
die Berührung mit den Weißen nicht, sondern nahmen an Zahl reißend ab.
Amerikanische protestantische Missionare hatten sich seit 1820 auf den Inseln
niedergelassen. Sie bekehrten den König, die wichtigsten Häuptlinge und den
größten Teil der Bevölkerung zu ihrem Glauben und übten auch im übrigen
großen Einfluß aus. Später kamen auch katholische Missionare aus Frank¬
reich, die nun ihrerseits Proselyten machten. Wie überall in der Welt, so
standen die Missionare auch in Hawai zu den Kaufleuten in mehr oder weniger
gespanntem Verhältnis.

Unter amerikanischem Einfluß wurde die erste Verfassung auf Hawai im
Jahre 1840 proklamiert. Im Jahre 1887 folgte eine weitere, liberale, und
danach die Verfassungskämpfe, die schließlich den Amerikanern den erwünschten
Anlaß zur Einmischung boten. Zuvor sei jedoch erwähnt, daß die Regierungen
beider Länder wiederholt Verträge miteinander schlössen. So trat ein Gegenseitig¬
keitsvertrag, der tatsächlich den Freihandel mit'den Vereinigten Staaten be¬
deutete, 1876 in Kraft. Die Regierung der Vereinigten Staaten schenkte Hawai
die größte Aufmerksamkeit. Im Jahre 1842, also zu einer Zeit, wo Kali¬
fornien noch nicht einmal zu der Union gehörte, und als der Oregonstreit
mit Großbritannien noch nicht erledigt war, erklärte Präsident Tyler in einer
Botschaft an den Kongreß, die amerikanische Negierung könne niemals die
Besetzung der Inseln durch eine fremde Macht gestatten. Dafür verspreche
die Union, Hawai ihrerseits zu schützen. Bracher dort Unruhen aus, wie zum
Beispiel in den Jahren 1874 und 1889, so wurden Truppen von den ameri¬
kanischen Kriegsschiffen gelandet, um die Gesandtschaft in Honolulu zu schützen.

Der Handel der Vereinigten Staaten mit Hawai wuchs während dieser
Jahrzehnte beständig. Namentlich als sich die Union Kalifornien einverleibt
hatte, begann zwischen dem aufblühenden San Francisco und den ostasiatischen


Grenzboten III I90S 70
Die Amerikaner auf Hawai

unvernünftigen Abschießens der Tiere sehr bald auf die Neige. Ebenso ging
es mit dem Sandelholz auf den hawaiischen Inseln; man hatte für die Wieder¬
aufforstung nichts getan — und so war es eines schönen Tages so gut wie
zu Ende. Die Amerikaner widmeten sich nunmehr dem Walfischfang, für den
sich Hawai als Ausrüstungs- und Anlegeplatz als sehr wichtig erwies. So
hielten sich zum Beispiel im Jahre 1822 im Hafen von Honolulu zu derselben
Zeit 24 Walfischfahrer auf. Im Jahre 1845 liefen sogar 497 Walfischfahrer,
die insgesamt 14905 Matrosen an Bord hatten, die Inseln an. Dreiviertel
dieser Schiffe führten die Flagge der Vereinigten Staaten. Infolgedessen
waren die Beziehungen der eingebornen Regierung — die Inseln waren im
Jahre 1791 unter Kamehameha dem Ersten zu einem einheitlichen Königreiche
verschmolzen worden — zu der nordamerikanischen Union besonders rege.
Schon 1826 wurde der erste Vertrag zwischen Hawai und den Vereinigten
Staaten geschlossen.

Auch die Kultureinflüsse Amerikas machten sich im Guten wie im Bösen
geltend. Wie die meisten Naturvölker, vertrugen auch die Eingebornen Hciwais
die Berührung mit den Weißen nicht, sondern nahmen an Zahl reißend ab.
Amerikanische protestantische Missionare hatten sich seit 1820 auf den Inseln
niedergelassen. Sie bekehrten den König, die wichtigsten Häuptlinge und den
größten Teil der Bevölkerung zu ihrem Glauben und übten auch im übrigen
großen Einfluß aus. Später kamen auch katholische Missionare aus Frank¬
reich, die nun ihrerseits Proselyten machten. Wie überall in der Welt, so
standen die Missionare auch in Hawai zu den Kaufleuten in mehr oder weniger
gespanntem Verhältnis.

Unter amerikanischem Einfluß wurde die erste Verfassung auf Hawai im
Jahre 1840 proklamiert. Im Jahre 1887 folgte eine weitere, liberale, und
danach die Verfassungskämpfe, die schließlich den Amerikanern den erwünschten
Anlaß zur Einmischung boten. Zuvor sei jedoch erwähnt, daß die Regierungen
beider Länder wiederholt Verträge miteinander schlössen. So trat ein Gegenseitig¬
keitsvertrag, der tatsächlich den Freihandel mit'den Vereinigten Staaten be¬
deutete, 1876 in Kraft. Die Regierung der Vereinigten Staaten schenkte Hawai
die größte Aufmerksamkeit. Im Jahre 1842, also zu einer Zeit, wo Kali¬
fornien noch nicht einmal zu der Union gehörte, und als der Oregonstreit
mit Großbritannien noch nicht erledigt war, erklärte Präsident Tyler in einer
Botschaft an den Kongreß, die amerikanische Negierung könne niemals die
Besetzung der Inseln durch eine fremde Macht gestatten. Dafür verspreche
die Union, Hawai ihrerseits zu schützen. Bracher dort Unruhen aus, wie zum
Beispiel in den Jahren 1874 und 1889, so wurden Truppen von den ameri¬
kanischen Kriegsschiffen gelandet, um die Gesandtschaft in Honolulu zu schützen.

Der Handel der Vereinigten Staaten mit Hawai wuchs während dieser
Jahrzehnte beständig. Namentlich als sich die Union Kalifornien einverleibt
hatte, begann zwischen dem aufblühenden San Francisco und den ostasiatischen


Grenzboten III I90S 70
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[0551] Die Amerikaner auf Hawai unvernünftigen Abschießens der Tiere sehr bald auf die Neige. Ebenso ging es mit dem Sandelholz auf den hawaiischen Inseln; man hatte für die Wieder¬ aufforstung nichts getan — und so war es eines schönen Tages so gut wie zu Ende. Die Amerikaner widmeten sich nunmehr dem Walfischfang, für den sich Hawai als Ausrüstungs- und Anlegeplatz als sehr wichtig erwies. So hielten sich zum Beispiel im Jahre 1822 im Hafen von Honolulu zu derselben Zeit 24 Walfischfahrer auf. Im Jahre 1845 liefen sogar 497 Walfischfahrer, die insgesamt 14905 Matrosen an Bord hatten, die Inseln an. Dreiviertel dieser Schiffe führten die Flagge der Vereinigten Staaten. Infolgedessen waren die Beziehungen der eingebornen Regierung — die Inseln waren im Jahre 1791 unter Kamehameha dem Ersten zu einem einheitlichen Königreiche verschmolzen worden — zu der nordamerikanischen Union besonders rege. Schon 1826 wurde der erste Vertrag zwischen Hawai und den Vereinigten Staaten geschlossen. Auch die Kultureinflüsse Amerikas machten sich im Guten wie im Bösen geltend. Wie die meisten Naturvölker, vertrugen auch die Eingebornen Hciwais die Berührung mit den Weißen nicht, sondern nahmen an Zahl reißend ab. Amerikanische protestantische Missionare hatten sich seit 1820 auf den Inseln niedergelassen. Sie bekehrten den König, die wichtigsten Häuptlinge und den größten Teil der Bevölkerung zu ihrem Glauben und übten auch im übrigen großen Einfluß aus. Später kamen auch katholische Missionare aus Frank¬ reich, die nun ihrerseits Proselyten machten. Wie überall in der Welt, so standen die Missionare auch in Hawai zu den Kaufleuten in mehr oder weniger gespanntem Verhältnis. Unter amerikanischem Einfluß wurde die erste Verfassung auf Hawai im Jahre 1840 proklamiert. Im Jahre 1887 folgte eine weitere, liberale, und danach die Verfassungskämpfe, die schließlich den Amerikanern den erwünschten Anlaß zur Einmischung boten. Zuvor sei jedoch erwähnt, daß die Regierungen beider Länder wiederholt Verträge miteinander schlössen. So trat ein Gegenseitig¬ keitsvertrag, der tatsächlich den Freihandel mit'den Vereinigten Staaten be¬ deutete, 1876 in Kraft. Die Regierung der Vereinigten Staaten schenkte Hawai die größte Aufmerksamkeit. Im Jahre 1842, also zu einer Zeit, wo Kali¬ fornien noch nicht einmal zu der Union gehörte, und als der Oregonstreit mit Großbritannien noch nicht erledigt war, erklärte Präsident Tyler in einer Botschaft an den Kongreß, die amerikanische Negierung könne niemals die Besetzung der Inseln durch eine fremde Macht gestatten. Dafür verspreche die Union, Hawai ihrerseits zu schützen. Bracher dort Unruhen aus, wie zum Beispiel in den Jahren 1874 und 1889, so wurden Truppen von den ameri¬ kanischen Kriegsschiffen gelandet, um die Gesandtschaft in Honolulu zu schützen. Der Handel der Vereinigten Staaten mit Hawai wuchs während dieser Jahrzehnte beständig. Namentlich als sich die Union Kalifornien einverleibt hatte, begann zwischen dem aufblühenden San Francisco und den ostasiatischen Grenzboten III I90S 70

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/551>, abgerufen am 03.07.2024.