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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Der rote Hahn

die Welt hinaus und genösse mit Freuden all deine Ehren mit dir. Bei Gott, ich
täte es. wenn auch uur, um dich zu erfreuen. Oder nein, ich würde am allerstolzesten
ans dich sein.

Aber so ist es doch nicht. Du mußt es doch selbst wissen, daß es so nicht ist.

Und deshalb versteckst du mich und treibst sie alle durch dein Genieren fort,
selbst die Freunde des Hauses, um mich, die Schande des Hauses, zu verbergen.

Und darin, glaubst du, kann sich ein Mann finden, der auf seine Ehre hält.

Mit den Fremden -- meinetwegen. Du hast vielleicht recht. Es ist nicht viel
an den Menschen. Aber mein eignes Kind...

Jnger ist, wie ich war, als ich jung war. Sie ist still, und sie ist liebevoll,
aber sie ist nicht blind. Ich habe Jnger erzogen, dich zu lieben, wie ich dich liebe.
Ihr seid Kinder, alle beide, aber sie gleicht mir. und eines Tages wird sie erwachsen
sein und aus dem Nest fliegen. Hast du nie daran gedacht, Hans, daß ich Tag für
Tag Jnger dazu erzogen habe, dich zu verstehn, weil du -- weil du der -- ein¬
zige bist -

Hilmer wurde ein wenig stutzig.

Das verstehe ich nicht, Emilie.

Nein, Hans, sagte sie lächelnd, das verstehst du nicht. Du hältst soviel Reden,
du weißt alles, du hältst belehrende Vorträge und schreibst in den Zeitungen -- o,
du bist so klug. und deine Frau ist so still und unbedeutend --, willst du mir
versprechen, den Prozeß nicht anzustrengen?

Hilmer glaubte, es sei vorüber, und nun fing sie wieder an. Natürlich -- du
kannst nicht anders. Jetzt warst du so lieb und gut. ich war wirklich nah daran,
dich zu küssen, und dann -- gleich wieder die Schulmeisteret -- Kurz und gut.
ich habe ihn schon angestrengt.

Du bist also doch beim Rechtsanwalt gewesen, sagte Emilie müde. Du sollst
nicht nein sagen -- ich wußte es wohl. Du bist unverbesserlich. Hans. Was hat
er eigentlich andres gesagt, als daß du an dem Brande verdient hast! Und das
hast du doch, nicht wahr?

Jetzt geht es also wieder los. Nein, natürlich, angesehn bin ich nicht. Das
hast dn mir ja erzählt. Aber daß ich mich deshalb darein finden sollte, berüchtigt
zu sein -- Nein, jetzt halt einen Augenblick. Hierein finde ich mich nicht. Meinet¬
wegen magst du auf mich herabsehu, mich einen Schwadroneur nennen und sagen,
daß die Leute mich hinter meinem Rücken auslachen. Das mag alles sein -- mag
sein, daß du unser kleines Mädchen dazu erziehst, mit seinem untauglichen Vater
Nachsicht zu haben. Aber daß du glaubst, ich habe mich eines gemeinen Verbrechens
schuldig gemacht, einer Brandstiftung in betrügerischer Absicht -- nein, jetzt wird
es mir zu bunt, Emilie.

Sie bedeutete ihm zu schweigen: Phe! Sprich nicht so laut, die Leute können
es hören.

Aber er fuhr fort: Mögen sie es doch hören, zum Teufel. Mögen sie es
hören, daß meine eigne Frau den Vater unsers Kindes Brandstifter schilt.

Emilie resignierte: Ich beschuldige dich gar nicht. Hans. Glaubte ich das. so
würde ich jedenfalls sicher sein, daß du es für mich und Jnger getan hast -- und
ich würde deswegen nicht weniger auf dich halten -- das will ich dir so oft sagen,
wie du es hören willst. Aber gerade, weil ich das meine, bitte ich dich, die andern
nicht herauszufordern. Sie sagen es von dir -- so etwas hast du selbst an ti'
zwanzigmal von den armen kleinen Leuten gesagt, die hier im Viehlande abbrann"
Und es sind ja viele, ja, ich sollte es vielleicht nicht sagen, aber nun ist es here,'

Und du glaubst ihnen? fragte Hilmer ganz stille.

Das habe ich doch nicht gesagt. Hans. Nein -- nein, das tM
gesagt. Ihr wurde ganz bange vor seinen Worten.


Der rote Hahn

die Welt hinaus und genösse mit Freuden all deine Ehren mit dir. Bei Gott, ich
täte es. wenn auch uur, um dich zu erfreuen. Oder nein, ich würde am allerstolzesten
ans dich sein.

Aber so ist es doch nicht. Du mußt es doch selbst wissen, daß es so nicht ist.

Und deshalb versteckst du mich und treibst sie alle durch dein Genieren fort,
selbst die Freunde des Hauses, um mich, die Schande des Hauses, zu verbergen.

Und darin, glaubst du, kann sich ein Mann finden, der auf seine Ehre hält.

Mit den Fremden — meinetwegen. Du hast vielleicht recht. Es ist nicht viel
an den Menschen. Aber mein eignes Kind...

Jnger ist, wie ich war, als ich jung war. Sie ist still, und sie ist liebevoll,
aber sie ist nicht blind. Ich habe Jnger erzogen, dich zu lieben, wie ich dich liebe.
Ihr seid Kinder, alle beide, aber sie gleicht mir. und eines Tages wird sie erwachsen
sein und aus dem Nest fliegen. Hast du nie daran gedacht, Hans, daß ich Tag für
Tag Jnger dazu erzogen habe, dich zu verstehn, weil du — weil du der — ein¬
zige bist -

Hilmer wurde ein wenig stutzig.

Das verstehe ich nicht, Emilie.

Nein, Hans, sagte sie lächelnd, das verstehst du nicht. Du hältst soviel Reden,
du weißt alles, du hältst belehrende Vorträge und schreibst in den Zeitungen — o,
du bist so klug. und deine Frau ist so still und unbedeutend —, willst du mir
versprechen, den Prozeß nicht anzustrengen?

Hilmer glaubte, es sei vorüber, und nun fing sie wieder an. Natürlich — du
kannst nicht anders. Jetzt warst du so lieb und gut. ich war wirklich nah daran,
dich zu küssen, und dann — gleich wieder die Schulmeisteret — Kurz und gut.
ich habe ihn schon angestrengt.

Du bist also doch beim Rechtsanwalt gewesen, sagte Emilie müde. Du sollst
nicht nein sagen — ich wußte es wohl. Du bist unverbesserlich. Hans. Was hat
er eigentlich andres gesagt, als daß du an dem Brande verdient hast! Und das
hast du doch, nicht wahr?

Jetzt geht es also wieder los. Nein, natürlich, angesehn bin ich nicht. Das
hast dn mir ja erzählt. Aber daß ich mich deshalb darein finden sollte, berüchtigt
zu sein — Nein, jetzt halt einen Augenblick. Hierein finde ich mich nicht. Meinet¬
wegen magst du auf mich herabsehu, mich einen Schwadroneur nennen und sagen,
daß die Leute mich hinter meinem Rücken auslachen. Das mag alles sein — mag
sein, daß du unser kleines Mädchen dazu erziehst, mit seinem untauglichen Vater
Nachsicht zu haben. Aber daß du glaubst, ich habe mich eines gemeinen Verbrechens
schuldig gemacht, einer Brandstiftung in betrügerischer Absicht — nein, jetzt wird
es mir zu bunt, Emilie.

Sie bedeutete ihm zu schweigen: Phe! Sprich nicht so laut, die Leute können
es hören.

Aber er fuhr fort: Mögen sie es doch hören, zum Teufel. Mögen sie es
hören, daß meine eigne Frau den Vater unsers Kindes Brandstifter schilt.

Emilie resignierte: Ich beschuldige dich gar nicht. Hans. Glaubte ich das. so
würde ich jedenfalls sicher sein, daß du es für mich und Jnger getan hast — und
ich würde deswegen nicht weniger auf dich halten — das will ich dir so oft sagen,
wie du es hören willst. Aber gerade, weil ich das meine, bitte ich dich, die andern
nicht herauszufordern. Sie sagen es von dir — so etwas hast du selbst an ti'
zwanzigmal von den armen kleinen Leuten gesagt, die hier im Viehlande abbrann»
Und es sind ja viele, ja, ich sollte es vielleicht nicht sagen, aber nun ist es here,'

Und du glaubst ihnen? fragte Hilmer ganz stille.

Das habe ich doch nicht gesagt. Hans. Nein — nein, das tM
gesagt. Ihr wurde ganz bange vor seinen Worten.


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[0489] Der rote Hahn die Welt hinaus und genösse mit Freuden all deine Ehren mit dir. Bei Gott, ich täte es. wenn auch uur, um dich zu erfreuen. Oder nein, ich würde am allerstolzesten ans dich sein. Aber so ist es doch nicht. Du mußt es doch selbst wissen, daß es so nicht ist. Und deshalb versteckst du mich und treibst sie alle durch dein Genieren fort, selbst die Freunde des Hauses, um mich, die Schande des Hauses, zu verbergen. Und darin, glaubst du, kann sich ein Mann finden, der auf seine Ehre hält. Mit den Fremden — meinetwegen. Du hast vielleicht recht. Es ist nicht viel an den Menschen. Aber mein eignes Kind... Jnger ist, wie ich war, als ich jung war. Sie ist still, und sie ist liebevoll, aber sie ist nicht blind. Ich habe Jnger erzogen, dich zu lieben, wie ich dich liebe. Ihr seid Kinder, alle beide, aber sie gleicht mir. und eines Tages wird sie erwachsen sein und aus dem Nest fliegen. Hast du nie daran gedacht, Hans, daß ich Tag für Tag Jnger dazu erzogen habe, dich zu verstehn, weil du — weil du der — ein¬ zige bist - Hilmer wurde ein wenig stutzig. Das verstehe ich nicht, Emilie. Nein, Hans, sagte sie lächelnd, das verstehst du nicht. Du hältst soviel Reden, du weißt alles, du hältst belehrende Vorträge und schreibst in den Zeitungen — o, du bist so klug. und deine Frau ist so still und unbedeutend —, willst du mir versprechen, den Prozeß nicht anzustrengen? Hilmer glaubte, es sei vorüber, und nun fing sie wieder an. Natürlich — du kannst nicht anders. Jetzt warst du so lieb und gut. ich war wirklich nah daran, dich zu küssen, und dann — gleich wieder die Schulmeisteret — Kurz und gut. ich habe ihn schon angestrengt. Du bist also doch beim Rechtsanwalt gewesen, sagte Emilie müde. Du sollst nicht nein sagen — ich wußte es wohl. Du bist unverbesserlich. Hans. Was hat er eigentlich andres gesagt, als daß du an dem Brande verdient hast! Und das hast du doch, nicht wahr? Jetzt geht es also wieder los. Nein, natürlich, angesehn bin ich nicht. Das hast dn mir ja erzählt. Aber daß ich mich deshalb darein finden sollte, berüchtigt zu sein — Nein, jetzt halt einen Augenblick. Hierein finde ich mich nicht. Meinet¬ wegen magst du auf mich herabsehu, mich einen Schwadroneur nennen und sagen, daß die Leute mich hinter meinem Rücken auslachen. Das mag alles sein — mag sein, daß du unser kleines Mädchen dazu erziehst, mit seinem untauglichen Vater Nachsicht zu haben. Aber daß du glaubst, ich habe mich eines gemeinen Verbrechens schuldig gemacht, einer Brandstiftung in betrügerischer Absicht — nein, jetzt wird es mir zu bunt, Emilie. Sie bedeutete ihm zu schweigen: Phe! Sprich nicht so laut, die Leute können es hören. Aber er fuhr fort: Mögen sie es doch hören, zum Teufel. Mögen sie es hören, daß meine eigne Frau den Vater unsers Kindes Brandstifter schilt. Emilie resignierte: Ich beschuldige dich gar nicht. Hans. Glaubte ich das. so würde ich jedenfalls sicher sein, daß du es für mich und Jnger getan hast — und ich würde deswegen nicht weniger auf dich halten — das will ich dir so oft sagen, wie du es hören willst. Aber gerade, weil ich das meine, bitte ich dich, die andern nicht herauszufordern. Sie sagen es von dir — so etwas hast du selbst an ti' zwanzigmal von den armen kleinen Leuten gesagt, die hier im Viehlande abbrann» Und es sind ja viele, ja, ich sollte es vielleicht nicht sagen, aber nun ist es here,' Und du glaubst ihnen? fragte Hilmer ganz stille. Das habe ich doch nicht gesagt. Hans. Nein — nein, das tM gesagt. Ihr wurde ganz bange vor seinen Worten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/489>, abgerufen am 22.12.2024.