Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.Fränkisch - schwäbische Grenzwanderungen er sich ein, mit denen wetteifern zu können, die nichts von unsaubern Geschäften, Fränkisch-schwäbische Grenzwanderungen von Fritz GrSntz 3 s ist Mondnacht. Ich stehe neben der Roßmühle im Süden der Nicht in seinen schönen Einzelheiten liegt Rothenburgs größter Reiz. Er Rothenburg, das kleine Reichsstädtchen, ist als Einheit der großen Reichs¬ Wären Plateau und Mauerraud in gerader Linie abgeschnitten, so würde Fränkisch - schwäbische Grenzwanderungen er sich ein, mit denen wetteifern zu können, die nichts von unsaubern Geschäften, Fränkisch-schwäbische Grenzwanderungen von Fritz GrSntz 3 s ist Mondnacht. Ich stehe neben der Roßmühle im Süden der Nicht in seinen schönen Einzelheiten liegt Rothenburgs größter Reiz. Er Rothenburg, das kleine Reichsstädtchen, ist als Einheit der großen Reichs¬ Wären Plateau und Mauerraud in gerader Linie abgeschnitten, so würde <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0477" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314180"/> <fw type="header" place="top"> Fränkisch - schwäbische Grenzwanderungen</fw><lb/> <p xml:id="ID_2251" prev="#ID_2250"> er sich ein, mit denen wetteifern zu können, die nichts von unsaubern Geschäften,<lb/> nichts von einer Gemeinschaft mit dein Pöbel wissen wollten. Allein der Bürger<lb/> von heutzutage fängt an zu degenerieren: er hat sich andre Vorbilder gewählt, und<lb/> seine Ausdrucksweise ist derb und ordinär geworden. In engem Verband mit<lb/> ihm werden wir von nun an uns sicherlich immer befinden, und seine An¬<lb/> schauungen müssen wir beachten, wollen wir die Strömung und die Stimmung<lb/> der Zeit verstehn. Findet er nicht mehr in einem lebenden Wesen von höherm<lb/> Rang eine Stütze für seine beschränkte Seele, das seiner einfältigen Persönlichkeit<lb/> großmütig einige Bedeutung verleiht, dann wahrlich — viclöimt oonsules!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Fränkisch-schwäbische Grenzwanderungen<lb/><note type="byline"> von Fritz GrSntz</note> 3</head><lb/> <p xml:id="ID_2252"> s ist Mondnacht. Ich stehe neben der Roßmühle im Süden der<lb/> Stadt. Das Tal ist mit Schatten und mit einen: milden Schimmer<lb/> angefüllt. Auf der gegenüberliegenden Uferhöhe glänzen reife<lb/> Felder. Ein feiner Glanz umschleiert vor mir die hundert Dächer<lb/> und Turmspitzen. Darunter aber rücken die nachtdunkeln Massen<lb/> enger zusammen. Büsche wölben sich voller aus Mauerlücken.<lb/> Rote Lichtpünktchen leuchten aus steilen Giebeln. Durch zarte, verhauchende<lb/> Wölkchen blicken Sterne. Fernes Gemäuer verschwimmt ins Wesenlose, wunderlich<lb/> und fabelhaft. —</p><lb/> <p xml:id="ID_2253"> Nicht in seinen schönen Einzelheiten liegt Rothenburgs größter Reiz. Er<lb/> liegt in seiner Einheit und in deren Bund mit der Landschaft. Alle mauer¬<lb/> umschlossenen Städte sind solche Einheiten und zeichnen sich dadurch, noch ganz<lb/> die Merianschen Stadtbilder erinnernd, in künstlerischem und landschaft¬<lb/> lichein Sinne vor ihren hastig gewachsnen, verflachenden neuzeitlichen Schwestern<lb/> aus, von denen sie wirtschaftlich längst überholt wurden. Wo sich beides ver¬<lb/> einigt wie in Nürnberg, entsteht eine Zwiespältigkeit des Eindrucks, die dem<lb/> Genusse, so stark er ist, seine Reinheit nimmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2254"> Rothenburg, das kleine Reichsstädtchen, ist als Einheit der großen Reichs¬<lb/> stadt überlegen. Es ist sich treu geblieben, ohne deshalb erstarrt zu sein.<lb/> Das ist ein glückliches Geschenk seiner Lage. Abseits von den großen Straßen<lb/> der Zeit und doch mitten im süddeutschen Lande gelegen, springt es auf seiner<lb/> Hochebene halbinselhaft gegen das tiefe Taubertal vor, das, wie es in Kriegs¬<lb/> zeiten der beste Schutz war, heute eine Ausdehnung nach dieser Seite hin ver¬<lb/> wehrt und so das mittelalterliche Bild zum Feststehen zwingt. Auf der andern,<lb/> der „Landseite" bleibt Raum genug für neues Wachstum.</p><lb/> <p xml:id="ID_2255" next="#ID_2256"> Wären Plateau und Mauerraud in gerader Linie abgeschnitten, so würde<lb/> der Blick vom Tale schon schön genug sein. Die Tauber fließt aber hier in<lb/> einer Schleife, in die das Plateau jenen Vorsprung sendet, der früher die Burg<lb/> der Rothenburger Grafen, dann eine Hoheiistaufenburg trug und nun ganz</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0477]
Fränkisch - schwäbische Grenzwanderungen
er sich ein, mit denen wetteifern zu können, die nichts von unsaubern Geschäften,
nichts von einer Gemeinschaft mit dein Pöbel wissen wollten. Allein der Bürger
von heutzutage fängt an zu degenerieren: er hat sich andre Vorbilder gewählt, und
seine Ausdrucksweise ist derb und ordinär geworden. In engem Verband mit
ihm werden wir von nun an uns sicherlich immer befinden, und seine An¬
schauungen müssen wir beachten, wollen wir die Strömung und die Stimmung
der Zeit verstehn. Findet er nicht mehr in einem lebenden Wesen von höherm
Rang eine Stütze für seine beschränkte Seele, das seiner einfältigen Persönlichkeit
großmütig einige Bedeutung verleiht, dann wahrlich — viclöimt oonsules!
Fränkisch-schwäbische Grenzwanderungen
von Fritz GrSntz 3
s ist Mondnacht. Ich stehe neben der Roßmühle im Süden der
Stadt. Das Tal ist mit Schatten und mit einen: milden Schimmer
angefüllt. Auf der gegenüberliegenden Uferhöhe glänzen reife
Felder. Ein feiner Glanz umschleiert vor mir die hundert Dächer
und Turmspitzen. Darunter aber rücken die nachtdunkeln Massen
enger zusammen. Büsche wölben sich voller aus Mauerlücken.
Rote Lichtpünktchen leuchten aus steilen Giebeln. Durch zarte, verhauchende
Wölkchen blicken Sterne. Fernes Gemäuer verschwimmt ins Wesenlose, wunderlich
und fabelhaft. —
Nicht in seinen schönen Einzelheiten liegt Rothenburgs größter Reiz. Er
liegt in seiner Einheit und in deren Bund mit der Landschaft. Alle mauer¬
umschlossenen Städte sind solche Einheiten und zeichnen sich dadurch, noch ganz
die Merianschen Stadtbilder erinnernd, in künstlerischem und landschaft¬
lichein Sinne vor ihren hastig gewachsnen, verflachenden neuzeitlichen Schwestern
aus, von denen sie wirtschaftlich längst überholt wurden. Wo sich beides ver¬
einigt wie in Nürnberg, entsteht eine Zwiespältigkeit des Eindrucks, die dem
Genusse, so stark er ist, seine Reinheit nimmt.
Rothenburg, das kleine Reichsstädtchen, ist als Einheit der großen Reichs¬
stadt überlegen. Es ist sich treu geblieben, ohne deshalb erstarrt zu sein.
Das ist ein glückliches Geschenk seiner Lage. Abseits von den großen Straßen
der Zeit und doch mitten im süddeutschen Lande gelegen, springt es auf seiner
Hochebene halbinselhaft gegen das tiefe Taubertal vor, das, wie es in Kriegs¬
zeiten der beste Schutz war, heute eine Ausdehnung nach dieser Seite hin ver¬
wehrt und so das mittelalterliche Bild zum Feststehen zwingt. Auf der andern,
der „Landseite" bleibt Raum genug für neues Wachstum.
Wären Plateau und Mauerraud in gerader Linie abgeschnitten, so würde
der Blick vom Tale schon schön genug sein. Die Tauber fließt aber hier in
einer Schleife, in die das Plateau jenen Vorsprung sendet, der früher die Burg
der Rothenburger Grafen, dann eine Hoheiistaufenburg trug und nun ganz
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |