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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Deutschland und Italien je nach dem Vorherrschen der Inzucht, der günstigen oder
der ungünstigen Mischung in Zonen geteilt denken müsse, um das frühere oder
spätere Hervortreten der Genies, den Reichtum oder die Armut an solchen zu er¬
klären. Ausführlich wird die Bedeutung des Priesterzölibats dargestellt, der die
widerspruchsvolle Tatsache einer Züchtung ohne Vererbung zuwege gebracht habe.
Beim Zusammenbruch der alten Kultur, führt Reibmayr aus, war die christliche
Priesterkaste die einzige Stätte, wo das noch vorhandne römische Talent und Genie
Aussicht hatte, seine Anlage ausbilden und verwerten zu können. Als nun aus
den, Völkerchaos neue Nationen aufstiegen, wurde diese Kaste, die römische Hierarchie,
in ihrem Bestände bedroht durch die Neigung aller Nationen, auch ihr religiöses
Leben ihrem nationalen Geiste gemäß zu gestalten. Diese Gefahr konnte, wie
Gregor der Siebente richtig erkannte, nur durch den Zölibatzwnng abgewandt werden.
Bei dem damaligen Zustande der Gemüter war dieser durchführbar. Außerhalb
der christlichen Kirche war das religiöse Genie, gleich jedem andern Genie, durch
Vererbung und Erziehung in einer Kaste gezüchtet worden. In der mittelalter¬
lichen Christenheit aber war die Religiosität so allgemein verbreitet, und der reli¬
giöse Enthusiasmus hatte sich zu solcher Glut gesteigert, daß Züchtung durch Ver¬
erbung nicht mehr notwendig war, den Priesterstnnd zu erhalten, weil gerade die
Ehelosigkeit auf die religiös begeisterten Menschen wie ein Magnet wirkte, sodaß
nicht bloß dem Priesterstande, sondern auch den Orden Scharen zuströmten, und
zwar besonders aus dem Adel, der auf diese Weise zugleich seinen Überschuß ver¬
sorgte, während er die Hierarchie und den Mönchsstand mit Herrschertalenten,
künstlerischen und wissenschaftlichen Genies versorgte. So war beiden Teilen ge¬
holfen: der Hierarchie wie dem Adel. Ohne den Zölibat hätte sich, abgesehen von
allem andern, der kirchliche Grundbesitz in Familiengüter aufgelöst, und die Absicht
des Adels, durch Beschränkung der Nachkommenschaft den Adelsbesitz vor über¬
mäßiger Zersplitterung zu bewahren, wäre vereitelt worden. Zugleich ermöglichte
der Zölibat bei jeder Entartung des Priesterstandes die rasche Regeneration. Ent¬
artete Familien und Völker können nur von außen her, durch Mischung mit un¬
verdorbnen Blute, erneuert werden, und damit geht es, wenn es überhaupt möglich
ist, sehr langsam. Im katholischen Klerus brauche" nur die gerade vorhandnen
entarteten Jahrgänge anszusterben und besser ausgewählte, besser erzogne an jener
Stelle zu treten, und die Regeneration ist fertig; eine solche ist viermal: durch
die Benediktiner, durch die Kluniazenser, durch Franz von Assisi und durch Ignaz
v. Loyola bewirkt worden. Aber freilich, dieser gewaltige Vorteil für die römische
Kirche ist Raubbau an den Nationen gewesen, deren beste geistige und sittliche
Kräfte für die Züchtung durch Vererbung verlorengingen. Zum Glück für die
nordischen Nationen hat die Reformation diesem Raubbau bei ihnen ein Ende ge¬
macht; aus dem evangelischen Pfarrhause ist eine Fülle von Talent und Genie
hervorgegangen. Und der katholischen Kirche selbst wird jetzt der Zölibat verhängnis¬
voll, weil er, nachdem die religiöse Begeisterung und der naive Glaube geschwunden
sind, die besten Kräfte der Nationen nicht mehr anzieht, sondern abstößt. Diese
Betonung des geistigen Einflusses leitet als indirektes Zugeständnis der Unzuläng¬
lichkeit rein materialistischer Erklärung zur Kritik der Grundlage dieser im einzelnen
ja ebenso interessanten wie verdienstlichen Untersuchungen über. Die Kritik ist in
den Aufsätze" über Chamberlain, Gobineau und Wollmar schon vollzogen worden.
Wenn man erkannt hat, daß sich das Geistige aus dem Materiellen nicht ableiten
läßt, und darum eine mit dem Leibe verbundn" geistige Wesenheit annimmt, kann
man die Anlagen und die Charaktere nicht schlechthin als Produkte von Vererbung
Vlutmischung auffassen. Wären sie das, so wäre geistige Beeinflussung nicht
^eh"ng hätte keinen Sinn; unglücklich veranlagte Kinder müßte
man totschlagen, anstellt ihnen die Fürsorgeerziehung angedeihen zu lassen. Gerade


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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Deutschland und Italien je nach dem Vorherrschen der Inzucht, der günstigen oder
der ungünstigen Mischung in Zonen geteilt denken müsse, um das frühere oder
spätere Hervortreten der Genies, den Reichtum oder die Armut an solchen zu er¬
klären. Ausführlich wird die Bedeutung des Priesterzölibats dargestellt, der die
widerspruchsvolle Tatsache einer Züchtung ohne Vererbung zuwege gebracht habe.
Beim Zusammenbruch der alten Kultur, führt Reibmayr aus, war die christliche
Priesterkaste die einzige Stätte, wo das noch vorhandne römische Talent und Genie
Aussicht hatte, seine Anlage ausbilden und verwerten zu können. Als nun aus
den, Völkerchaos neue Nationen aufstiegen, wurde diese Kaste, die römische Hierarchie,
in ihrem Bestände bedroht durch die Neigung aller Nationen, auch ihr religiöses
Leben ihrem nationalen Geiste gemäß zu gestalten. Diese Gefahr konnte, wie
Gregor der Siebente richtig erkannte, nur durch den Zölibatzwnng abgewandt werden.
Bei dem damaligen Zustande der Gemüter war dieser durchführbar. Außerhalb
der christlichen Kirche war das religiöse Genie, gleich jedem andern Genie, durch
Vererbung und Erziehung in einer Kaste gezüchtet worden. In der mittelalter¬
lichen Christenheit aber war die Religiosität so allgemein verbreitet, und der reli¬
giöse Enthusiasmus hatte sich zu solcher Glut gesteigert, daß Züchtung durch Ver¬
erbung nicht mehr notwendig war, den Priesterstnnd zu erhalten, weil gerade die
Ehelosigkeit auf die religiös begeisterten Menschen wie ein Magnet wirkte, sodaß
nicht bloß dem Priesterstande, sondern auch den Orden Scharen zuströmten, und
zwar besonders aus dem Adel, der auf diese Weise zugleich seinen Überschuß ver¬
sorgte, während er die Hierarchie und den Mönchsstand mit Herrschertalenten,
künstlerischen und wissenschaftlichen Genies versorgte. So war beiden Teilen ge¬
holfen: der Hierarchie wie dem Adel. Ohne den Zölibat hätte sich, abgesehen von
allem andern, der kirchliche Grundbesitz in Familiengüter aufgelöst, und die Absicht
des Adels, durch Beschränkung der Nachkommenschaft den Adelsbesitz vor über¬
mäßiger Zersplitterung zu bewahren, wäre vereitelt worden. Zugleich ermöglichte
der Zölibat bei jeder Entartung des Priesterstandes die rasche Regeneration. Ent¬
artete Familien und Völker können nur von außen her, durch Mischung mit un¬
verdorbnen Blute, erneuert werden, und damit geht es, wenn es überhaupt möglich
ist, sehr langsam. Im katholischen Klerus brauche» nur die gerade vorhandnen
entarteten Jahrgänge anszusterben und besser ausgewählte, besser erzogne an jener
Stelle zu treten, und die Regeneration ist fertig; eine solche ist viermal: durch
die Benediktiner, durch die Kluniazenser, durch Franz von Assisi und durch Ignaz
v. Loyola bewirkt worden. Aber freilich, dieser gewaltige Vorteil für die römische
Kirche ist Raubbau an den Nationen gewesen, deren beste geistige und sittliche
Kräfte für die Züchtung durch Vererbung verlorengingen. Zum Glück für die
nordischen Nationen hat die Reformation diesem Raubbau bei ihnen ein Ende ge¬
macht; aus dem evangelischen Pfarrhause ist eine Fülle von Talent und Genie
hervorgegangen. Und der katholischen Kirche selbst wird jetzt der Zölibat verhängnis¬
voll, weil er, nachdem die religiöse Begeisterung und der naive Glaube geschwunden
sind, die besten Kräfte der Nationen nicht mehr anzieht, sondern abstößt. Diese
Betonung des geistigen Einflusses leitet als indirektes Zugeständnis der Unzuläng¬
lichkeit rein materialistischer Erklärung zur Kritik der Grundlage dieser im einzelnen
ja ebenso interessanten wie verdienstlichen Untersuchungen über. Die Kritik ist in
den Aufsätze» über Chamberlain, Gobineau und Wollmar schon vollzogen worden.
Wenn man erkannt hat, daß sich das Geistige aus dem Materiellen nicht ableiten
läßt, und darum eine mit dem Leibe verbundn« geistige Wesenheit annimmt, kann
man die Anlagen und die Charaktere nicht schlechthin als Produkte von Vererbung
Vlutmischung auffassen. Wären sie das, so wäre geistige Beeinflussung nicht
^eh"ng hätte keinen Sinn; unglücklich veranlagte Kinder müßte
man totschlagen, anstellt ihnen die Fürsorgeerziehung angedeihen zu lassen. Gerade


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[0443] Maßgebliches und Unmaßgebliches Deutschland und Italien je nach dem Vorherrschen der Inzucht, der günstigen oder der ungünstigen Mischung in Zonen geteilt denken müsse, um das frühere oder spätere Hervortreten der Genies, den Reichtum oder die Armut an solchen zu er¬ klären. Ausführlich wird die Bedeutung des Priesterzölibats dargestellt, der die widerspruchsvolle Tatsache einer Züchtung ohne Vererbung zuwege gebracht habe. Beim Zusammenbruch der alten Kultur, führt Reibmayr aus, war die christliche Priesterkaste die einzige Stätte, wo das noch vorhandne römische Talent und Genie Aussicht hatte, seine Anlage ausbilden und verwerten zu können. Als nun aus den, Völkerchaos neue Nationen aufstiegen, wurde diese Kaste, die römische Hierarchie, in ihrem Bestände bedroht durch die Neigung aller Nationen, auch ihr religiöses Leben ihrem nationalen Geiste gemäß zu gestalten. Diese Gefahr konnte, wie Gregor der Siebente richtig erkannte, nur durch den Zölibatzwnng abgewandt werden. Bei dem damaligen Zustande der Gemüter war dieser durchführbar. Außerhalb der christlichen Kirche war das religiöse Genie, gleich jedem andern Genie, durch Vererbung und Erziehung in einer Kaste gezüchtet worden. In der mittelalter¬ lichen Christenheit aber war die Religiosität so allgemein verbreitet, und der reli¬ giöse Enthusiasmus hatte sich zu solcher Glut gesteigert, daß Züchtung durch Ver¬ erbung nicht mehr notwendig war, den Priesterstnnd zu erhalten, weil gerade die Ehelosigkeit auf die religiös begeisterten Menschen wie ein Magnet wirkte, sodaß nicht bloß dem Priesterstande, sondern auch den Orden Scharen zuströmten, und zwar besonders aus dem Adel, der auf diese Weise zugleich seinen Überschuß ver¬ sorgte, während er die Hierarchie und den Mönchsstand mit Herrschertalenten, künstlerischen und wissenschaftlichen Genies versorgte. So war beiden Teilen ge¬ holfen: der Hierarchie wie dem Adel. Ohne den Zölibat hätte sich, abgesehen von allem andern, der kirchliche Grundbesitz in Familiengüter aufgelöst, und die Absicht des Adels, durch Beschränkung der Nachkommenschaft den Adelsbesitz vor über¬ mäßiger Zersplitterung zu bewahren, wäre vereitelt worden. Zugleich ermöglichte der Zölibat bei jeder Entartung des Priesterstandes die rasche Regeneration. Ent¬ artete Familien und Völker können nur von außen her, durch Mischung mit un¬ verdorbnen Blute, erneuert werden, und damit geht es, wenn es überhaupt möglich ist, sehr langsam. Im katholischen Klerus brauche» nur die gerade vorhandnen entarteten Jahrgänge anszusterben und besser ausgewählte, besser erzogne an jener Stelle zu treten, und die Regeneration ist fertig; eine solche ist viermal: durch die Benediktiner, durch die Kluniazenser, durch Franz von Assisi und durch Ignaz v. Loyola bewirkt worden. Aber freilich, dieser gewaltige Vorteil für die römische Kirche ist Raubbau an den Nationen gewesen, deren beste geistige und sittliche Kräfte für die Züchtung durch Vererbung verlorengingen. Zum Glück für die nordischen Nationen hat die Reformation diesem Raubbau bei ihnen ein Ende ge¬ macht; aus dem evangelischen Pfarrhause ist eine Fülle von Talent und Genie hervorgegangen. Und der katholischen Kirche selbst wird jetzt der Zölibat verhängnis¬ voll, weil er, nachdem die religiöse Begeisterung und der naive Glaube geschwunden sind, die besten Kräfte der Nationen nicht mehr anzieht, sondern abstößt. Diese Betonung des geistigen Einflusses leitet als indirektes Zugeständnis der Unzuläng¬ lichkeit rein materialistischer Erklärung zur Kritik der Grundlage dieser im einzelnen ja ebenso interessanten wie verdienstlichen Untersuchungen über. Die Kritik ist in den Aufsätze» über Chamberlain, Gobineau und Wollmar schon vollzogen worden. Wenn man erkannt hat, daß sich das Geistige aus dem Materiellen nicht ableiten läßt, und darum eine mit dem Leibe verbundn« geistige Wesenheit annimmt, kann man die Anlagen und die Charaktere nicht schlechthin als Produkte von Vererbung Vlutmischung auffassen. Wären sie das, so wäre geistige Beeinflussung nicht ^eh"ng hätte keinen Sinn; unglücklich veranlagte Kinder müßte man totschlagen, anstellt ihnen die Fürsorgeerziehung angedeihen zu lassen. Gerade Ärenzboten III iggg ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/443>, abgerufen am 22.07.2024.