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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Der rote Hahn

Mitkommen? fragte der Häusler.

Frederiksen zeigte seine Medaille. Ja, es geht zur Polizei. Ihr seid ver¬
haftet, alle beide. Kommt nun!

Hans Jepsen grübelte nach: Ja, Stine, darein müssen wir uns finden, es ist
die Polizei.

Die Frau begann zu weine".

Hans Jepsen sagte höhnisch, zu dem Beamten gewandt: Dann senden Sie
Wohl auch eine Droschke zu unsrer Hütte hinaus, da sind fünf Kinder, und das
Jüngste ist erst acht Monate.

Für die Kinder wird gesorgt werden, sagte Frederiksen, aber da fiel Hilmer
ein: Darin finde ich mich, hol mich der Teufel, nicht.

Das werden Sie, hol Sie der Teufel, Wohl müssen. Kommen Sie jetzt,
Imsen. Mehr sagte Frederiksen nicht, dann ging er zum Garten.

Hilmer wollte ihm folgen, aber in diesem Augenblick kam Seydewitz vom
Hause hinaus.

Seydewitz war von Justesen mit der Situation bekannt gemacht worden. Er sah
sofort, daß Hilmer im Begriff war, zu weit zu gehn, er schritt rasch auf ihn zu.

Herr Gutsbesitzer -- nehmen Sie sich in acht, Sie werden es bereuen, wenn
Sie sich in die Geschichte hier mischen.

Hilmer blieb stehn. Die beiden Häuslersleute gingen vor dem Beamten ans
dem Hofe hinaus.

Das ist doch, Gott Straf mich, ein zu starkes Stück, sagte der Gutsbesitzer
und schnappte nach Luft.

Seydewitz zuckte die Achseln.

Ja, es ist sehr hart, aber daran können weder ich noch Sie etwas ändern.

Hilmer knöpfte nervös seinen Rock über der Brust zu. Weil es bei einem armen
Manne brennt, soll die Polizei ihn, ihn und seine Fran, von fünf kleinen Kindern
wegschleppen dürfen. Nein, hören Sie mal, mein Lieber, das ist zu gemein.

Die Polizei muß ja eine gewisse Macht haben. Ich will das Geschehene nicht
verteidigen, aber um das Rechtmäßige daran verstehen zu können, muß man mit
der Sache vertraut sein, und das bin ich nicht.

Seydewitz freute sich, daß der Sturm vorübergegangen war.

Aber hat Bürgermeister Hansen nicht das Ganze untersucht und die Sache ab¬
geschlossen? fragte Hilmer, während die Leute langsam wieder an ihre Arbeit gingen.

Seydewitz zuckte die Achseln. Sehr richtig, aber auf Wunsch der Feuerver¬
sicherungsgesellschaft hat der Minister diese Kommission eingesetzt, die berechtigt ist,
diese Sachen wieder aufzunehmen.

Hilmer unterbrach ihn: Das heißt also, es kann mir geschehen, daß Sie eines
schönen Tages Lust bekommen, auch meine Sache zu behandeln, den Brand hier im
Oktober, nachdem die Versicherungen und das Ganze bezahlt ist und die Scheunen
wieder aufgebaut werden sollen. Dann kann es mir passieren, daß sich dieser Flegel
von Kriminalgerichtsassessor über mich hermacht und in meinen Verhältnissen wühlt.

Das passiert Ihnen sicher nicht, Herr Gutsbesitzer, sagte Seydewitz beruhigend.

Aber Hilmer fuhr fort: Ja, was Teufel, da habt ihr ja den Täter anch
"icht herausbekommen. Aber selbst wenn sie mich in Frieden lassen, was ich um
ihrer selbst willen hoffe, so soll ich mich darein finden, daß sie gerade jetzt, wo wir
am meisten zu tun haben, meine Leute in Arrest schleppen. So sind diese ver¬
dammten Kopenhagner, die es nicht kapieren können, daß wir Landleute das Ganze
bezahlen. Und dann haben wir auch das Recht, unsrer Arbeit in Frieden nachzu¬
gehen. Was wären die Tolpatsche ohne uns!


Der rote Hahn

Mitkommen? fragte der Häusler.

Frederiksen zeigte seine Medaille. Ja, es geht zur Polizei. Ihr seid ver¬
haftet, alle beide. Kommt nun!

Hans Jepsen grübelte nach: Ja, Stine, darein müssen wir uns finden, es ist
die Polizei.

Die Frau begann zu weine».

Hans Jepsen sagte höhnisch, zu dem Beamten gewandt: Dann senden Sie
Wohl auch eine Droschke zu unsrer Hütte hinaus, da sind fünf Kinder, und das
Jüngste ist erst acht Monate.

Für die Kinder wird gesorgt werden, sagte Frederiksen, aber da fiel Hilmer
ein: Darin finde ich mich, hol mich der Teufel, nicht.

Das werden Sie, hol Sie der Teufel, Wohl müssen. Kommen Sie jetzt,
Imsen. Mehr sagte Frederiksen nicht, dann ging er zum Garten.

Hilmer wollte ihm folgen, aber in diesem Augenblick kam Seydewitz vom
Hause hinaus.

Seydewitz war von Justesen mit der Situation bekannt gemacht worden. Er sah
sofort, daß Hilmer im Begriff war, zu weit zu gehn, er schritt rasch auf ihn zu.

Herr Gutsbesitzer — nehmen Sie sich in acht, Sie werden es bereuen, wenn
Sie sich in die Geschichte hier mischen.

Hilmer blieb stehn. Die beiden Häuslersleute gingen vor dem Beamten ans
dem Hofe hinaus.

Das ist doch, Gott Straf mich, ein zu starkes Stück, sagte der Gutsbesitzer
und schnappte nach Luft.

Seydewitz zuckte die Achseln.

Ja, es ist sehr hart, aber daran können weder ich noch Sie etwas ändern.

Hilmer knöpfte nervös seinen Rock über der Brust zu. Weil es bei einem armen
Manne brennt, soll die Polizei ihn, ihn und seine Fran, von fünf kleinen Kindern
wegschleppen dürfen. Nein, hören Sie mal, mein Lieber, das ist zu gemein.

Die Polizei muß ja eine gewisse Macht haben. Ich will das Geschehene nicht
verteidigen, aber um das Rechtmäßige daran verstehen zu können, muß man mit
der Sache vertraut sein, und das bin ich nicht.

Seydewitz freute sich, daß der Sturm vorübergegangen war.

Aber hat Bürgermeister Hansen nicht das Ganze untersucht und die Sache ab¬
geschlossen? fragte Hilmer, während die Leute langsam wieder an ihre Arbeit gingen.

Seydewitz zuckte die Achseln. Sehr richtig, aber auf Wunsch der Feuerver¬
sicherungsgesellschaft hat der Minister diese Kommission eingesetzt, die berechtigt ist,
diese Sachen wieder aufzunehmen.

Hilmer unterbrach ihn: Das heißt also, es kann mir geschehen, daß Sie eines
schönen Tages Lust bekommen, auch meine Sache zu behandeln, den Brand hier im
Oktober, nachdem die Versicherungen und das Ganze bezahlt ist und die Scheunen
wieder aufgebaut werden sollen. Dann kann es mir passieren, daß sich dieser Flegel
von Kriminalgerichtsassessor über mich hermacht und in meinen Verhältnissen wühlt.

Das passiert Ihnen sicher nicht, Herr Gutsbesitzer, sagte Seydewitz beruhigend.

Aber Hilmer fuhr fort: Ja, was Teufel, da habt ihr ja den Täter anch
»icht herausbekommen. Aber selbst wenn sie mich in Frieden lassen, was ich um
ihrer selbst willen hoffe, so soll ich mich darein finden, daß sie gerade jetzt, wo wir
am meisten zu tun haben, meine Leute in Arrest schleppen. So sind diese ver¬
dammten Kopenhagner, die es nicht kapieren können, daß wir Landleute das Ganze
bezahlen. Und dann haben wir auch das Recht, unsrer Arbeit in Frieden nachzu¬
gehen. Was wären die Tolpatsche ohne uns!


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[0389] Der rote Hahn Mitkommen? fragte der Häusler. Frederiksen zeigte seine Medaille. Ja, es geht zur Polizei. Ihr seid ver¬ haftet, alle beide. Kommt nun! Hans Jepsen grübelte nach: Ja, Stine, darein müssen wir uns finden, es ist die Polizei. Die Frau begann zu weine». Hans Jepsen sagte höhnisch, zu dem Beamten gewandt: Dann senden Sie Wohl auch eine Droschke zu unsrer Hütte hinaus, da sind fünf Kinder, und das Jüngste ist erst acht Monate. Für die Kinder wird gesorgt werden, sagte Frederiksen, aber da fiel Hilmer ein: Darin finde ich mich, hol mich der Teufel, nicht. Das werden Sie, hol Sie der Teufel, Wohl müssen. Kommen Sie jetzt, Imsen. Mehr sagte Frederiksen nicht, dann ging er zum Garten. Hilmer wollte ihm folgen, aber in diesem Augenblick kam Seydewitz vom Hause hinaus. Seydewitz war von Justesen mit der Situation bekannt gemacht worden. Er sah sofort, daß Hilmer im Begriff war, zu weit zu gehn, er schritt rasch auf ihn zu. Herr Gutsbesitzer — nehmen Sie sich in acht, Sie werden es bereuen, wenn Sie sich in die Geschichte hier mischen. Hilmer blieb stehn. Die beiden Häuslersleute gingen vor dem Beamten ans dem Hofe hinaus. Das ist doch, Gott Straf mich, ein zu starkes Stück, sagte der Gutsbesitzer und schnappte nach Luft. Seydewitz zuckte die Achseln. Ja, es ist sehr hart, aber daran können weder ich noch Sie etwas ändern. Hilmer knöpfte nervös seinen Rock über der Brust zu. Weil es bei einem armen Manne brennt, soll die Polizei ihn, ihn und seine Fran, von fünf kleinen Kindern wegschleppen dürfen. Nein, hören Sie mal, mein Lieber, das ist zu gemein. Die Polizei muß ja eine gewisse Macht haben. Ich will das Geschehene nicht verteidigen, aber um das Rechtmäßige daran verstehen zu können, muß man mit der Sache vertraut sein, und das bin ich nicht. Seydewitz freute sich, daß der Sturm vorübergegangen war. Aber hat Bürgermeister Hansen nicht das Ganze untersucht und die Sache ab¬ geschlossen? fragte Hilmer, während die Leute langsam wieder an ihre Arbeit gingen. Seydewitz zuckte die Achseln. Sehr richtig, aber auf Wunsch der Feuerver¬ sicherungsgesellschaft hat der Minister diese Kommission eingesetzt, die berechtigt ist, diese Sachen wieder aufzunehmen. Hilmer unterbrach ihn: Das heißt also, es kann mir geschehen, daß Sie eines schönen Tages Lust bekommen, auch meine Sache zu behandeln, den Brand hier im Oktober, nachdem die Versicherungen und das Ganze bezahlt ist und die Scheunen wieder aufgebaut werden sollen. Dann kann es mir passieren, daß sich dieser Flegel von Kriminalgerichtsassessor über mich hermacht und in meinen Verhältnissen wühlt. Das passiert Ihnen sicher nicht, Herr Gutsbesitzer, sagte Seydewitz beruhigend. Aber Hilmer fuhr fort: Ja, was Teufel, da habt ihr ja den Täter anch »icht herausbekommen. Aber selbst wenn sie mich in Frieden lassen, was ich um ihrer selbst willen hoffe, so soll ich mich darein finden, daß sie gerade jetzt, wo wir am meisten zu tun haben, meine Leute in Arrest schleppen. So sind diese ver¬ dammten Kopenhagner, die es nicht kapieren können, daß wir Landleute das Ganze bezahlen. Und dann haben wir auch das Recht, unsrer Arbeit in Frieden nachzu¬ gehen. Was wären die Tolpatsche ohne uns!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/389>, abgerufen am 22.12.2024.