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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Der Hansabund, seine Ziele und Gegner

vorhanden. Der Bund der Landwirte zieht seine Kraft aus der wenigstens
äußerlich fast vollkommnen Einheitlichkeit der Berufs- und Standesinteressen
seiner Mitglieder, und er hat auch praktisch für seine Mitglieder allerlei nützliche
Einrichtungen geschaffen, die das Zusammenhalten der Mitglieder gewährleisten.
Er unterhält eine Sterbekasse für seine Mitglieder und hat eine Verkaufsstelle
gegründet, die verschiedne Abteilungen umfaßt, eine Abteilung für Rechtsaus¬
kunft und landwirtschaftlich-technische Beratung, eine Abteilung für Versicherungs¬
wesen, eine solche für Buchführungswesen, durch die landwirtschaftliche Buch¬
führungen eingerichtet und geprüft werden; eine Abteilung für die Vermittlung
von Maschinenankäufen, eine solche für Vermittlung von Saatgut, von Futter-
und Düngemitteln und eine genossenschaftliche Zentralkasse mit einem Umsatz
von etwa 200 Millionen Mark. Schließlich ist noch eine Schweineversicherung
zu erwähnen und das Preßbureau des Bundes und seine Korrespondenz.

Von allen diesen Einrichtungen wird der Hansabund zunächst nicht viel
nachahmen können, wenngleich man in dieser Hinsicht abwarten muß, was die
Zeit bringt. Der Hansabund muß um so mehr auf den Ideengehalt seines
Programms rechnen und darauf, daß seine Mitglieder einsehen, daß nicht nur
das wertvoll für uns ist, was sich unmittelbar in klingende Münze umsetzen
läßt. Die innere Geschlossenheit der Berufsgleichheit seiner Angehörigen kann
der Hansabund dem Bunde der Landwirte auch nicht nachmachen; er muß sich
abfinden mit einer Vielheit der Berufstätigkeit seiner Mitglieder und mit einer
nicht zu leugnenden Gegensätzlichkeit beruflicher und Standesinteressen. Es
fragt sich nur, ob diese Gegensätzlichkeit nicht oft viel mehr vermeintlich ist
als tatsächlich, und ob es kein gemeinsames Band gibt, sie auf einer mittlern
Linie auszusöhnen. Es gibt nichts törichteres, als von vornherein zu sagen,
ich habe nicht dieselben Interessen wie mein Nachbar, deshalb arbeite ich nicht
mit ihm zusammen. Diese Kurzsichtigkeit begehn aber heute gegenüber dem
Hansabund viele Vereine und Verbände, indem sie, ohne auch nur einen leisen
Versuch gemacht zu haben, ob eine gemeinsame Arbeit möglich ist, den Beitritt
ihrer Mitglieder zum Hansabund ablehnen. Man kann doch ein abfälliges
Urteil über eine Sache immer erst abgeben, wenn sie sich tatsächlich nicht er¬
probt hat. Die Probe zu machen aber ist man verpflichtet, wenn man es
ernst meint mit der Förderung gewerblicher Interessen. Den Versuch kann
man ohne Gefahr mit dem Hansabunde machen, da man jederzeit aus ihm
austreten kann, wenn er die Erwartungen nicht erfüllt, die man auf ihn
billigerweise setzten durfte. Ja jeder Vertreter einer starken Berufsgruppe
muß sich sagen, es wird dem Hansabunde viel mehr schaden, wenn die einmal
eingetretnen Mitglieder aus ihm wegen Verletzung ihrer Interessen ausscheiden
müssen, als wenn sie gar nicht eingetreten wären. In jenem Falle sind die
Gründe gegen den Hansabund klar und unwiderruflich zu formulieren, in diesem
Falle wird man keine stichhaltigen Gründe vorbringen können. Das zwingt den
Hansabund aber auch, auf die in ihm vereinigten Elemente die peinlichste


Der Hansabund, seine Ziele und Gegner

vorhanden. Der Bund der Landwirte zieht seine Kraft aus der wenigstens
äußerlich fast vollkommnen Einheitlichkeit der Berufs- und Standesinteressen
seiner Mitglieder, und er hat auch praktisch für seine Mitglieder allerlei nützliche
Einrichtungen geschaffen, die das Zusammenhalten der Mitglieder gewährleisten.
Er unterhält eine Sterbekasse für seine Mitglieder und hat eine Verkaufsstelle
gegründet, die verschiedne Abteilungen umfaßt, eine Abteilung für Rechtsaus¬
kunft und landwirtschaftlich-technische Beratung, eine Abteilung für Versicherungs¬
wesen, eine solche für Buchführungswesen, durch die landwirtschaftliche Buch¬
führungen eingerichtet und geprüft werden; eine Abteilung für die Vermittlung
von Maschinenankäufen, eine solche für Vermittlung von Saatgut, von Futter-
und Düngemitteln und eine genossenschaftliche Zentralkasse mit einem Umsatz
von etwa 200 Millionen Mark. Schließlich ist noch eine Schweineversicherung
zu erwähnen und das Preßbureau des Bundes und seine Korrespondenz.

Von allen diesen Einrichtungen wird der Hansabund zunächst nicht viel
nachahmen können, wenngleich man in dieser Hinsicht abwarten muß, was die
Zeit bringt. Der Hansabund muß um so mehr auf den Ideengehalt seines
Programms rechnen und darauf, daß seine Mitglieder einsehen, daß nicht nur
das wertvoll für uns ist, was sich unmittelbar in klingende Münze umsetzen
läßt. Die innere Geschlossenheit der Berufsgleichheit seiner Angehörigen kann
der Hansabund dem Bunde der Landwirte auch nicht nachmachen; er muß sich
abfinden mit einer Vielheit der Berufstätigkeit seiner Mitglieder und mit einer
nicht zu leugnenden Gegensätzlichkeit beruflicher und Standesinteressen. Es
fragt sich nur, ob diese Gegensätzlichkeit nicht oft viel mehr vermeintlich ist
als tatsächlich, und ob es kein gemeinsames Band gibt, sie auf einer mittlern
Linie auszusöhnen. Es gibt nichts törichteres, als von vornherein zu sagen,
ich habe nicht dieselben Interessen wie mein Nachbar, deshalb arbeite ich nicht
mit ihm zusammen. Diese Kurzsichtigkeit begehn aber heute gegenüber dem
Hansabund viele Vereine und Verbände, indem sie, ohne auch nur einen leisen
Versuch gemacht zu haben, ob eine gemeinsame Arbeit möglich ist, den Beitritt
ihrer Mitglieder zum Hansabund ablehnen. Man kann doch ein abfälliges
Urteil über eine Sache immer erst abgeben, wenn sie sich tatsächlich nicht er¬
probt hat. Die Probe zu machen aber ist man verpflichtet, wenn man es
ernst meint mit der Förderung gewerblicher Interessen. Den Versuch kann
man ohne Gefahr mit dem Hansabunde machen, da man jederzeit aus ihm
austreten kann, wenn er die Erwartungen nicht erfüllt, die man auf ihn
billigerweise setzten durfte. Ja jeder Vertreter einer starken Berufsgruppe
muß sich sagen, es wird dem Hansabunde viel mehr schaden, wenn die einmal
eingetretnen Mitglieder aus ihm wegen Verletzung ihrer Interessen ausscheiden
müssen, als wenn sie gar nicht eingetreten wären. In jenem Falle sind die
Gründe gegen den Hansabund klar und unwiderruflich zu formulieren, in diesem
Falle wird man keine stichhaltigen Gründe vorbringen können. Das zwingt den
Hansabund aber auch, auf die in ihm vereinigten Elemente die peinlichste


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[0358] Der Hansabund, seine Ziele und Gegner vorhanden. Der Bund der Landwirte zieht seine Kraft aus der wenigstens äußerlich fast vollkommnen Einheitlichkeit der Berufs- und Standesinteressen seiner Mitglieder, und er hat auch praktisch für seine Mitglieder allerlei nützliche Einrichtungen geschaffen, die das Zusammenhalten der Mitglieder gewährleisten. Er unterhält eine Sterbekasse für seine Mitglieder und hat eine Verkaufsstelle gegründet, die verschiedne Abteilungen umfaßt, eine Abteilung für Rechtsaus¬ kunft und landwirtschaftlich-technische Beratung, eine Abteilung für Versicherungs¬ wesen, eine solche für Buchführungswesen, durch die landwirtschaftliche Buch¬ führungen eingerichtet und geprüft werden; eine Abteilung für die Vermittlung von Maschinenankäufen, eine solche für Vermittlung von Saatgut, von Futter- und Düngemitteln und eine genossenschaftliche Zentralkasse mit einem Umsatz von etwa 200 Millionen Mark. Schließlich ist noch eine Schweineversicherung zu erwähnen und das Preßbureau des Bundes und seine Korrespondenz. Von allen diesen Einrichtungen wird der Hansabund zunächst nicht viel nachahmen können, wenngleich man in dieser Hinsicht abwarten muß, was die Zeit bringt. Der Hansabund muß um so mehr auf den Ideengehalt seines Programms rechnen und darauf, daß seine Mitglieder einsehen, daß nicht nur das wertvoll für uns ist, was sich unmittelbar in klingende Münze umsetzen läßt. Die innere Geschlossenheit der Berufsgleichheit seiner Angehörigen kann der Hansabund dem Bunde der Landwirte auch nicht nachmachen; er muß sich abfinden mit einer Vielheit der Berufstätigkeit seiner Mitglieder und mit einer nicht zu leugnenden Gegensätzlichkeit beruflicher und Standesinteressen. Es fragt sich nur, ob diese Gegensätzlichkeit nicht oft viel mehr vermeintlich ist als tatsächlich, und ob es kein gemeinsames Band gibt, sie auf einer mittlern Linie auszusöhnen. Es gibt nichts törichteres, als von vornherein zu sagen, ich habe nicht dieselben Interessen wie mein Nachbar, deshalb arbeite ich nicht mit ihm zusammen. Diese Kurzsichtigkeit begehn aber heute gegenüber dem Hansabund viele Vereine und Verbände, indem sie, ohne auch nur einen leisen Versuch gemacht zu haben, ob eine gemeinsame Arbeit möglich ist, den Beitritt ihrer Mitglieder zum Hansabund ablehnen. Man kann doch ein abfälliges Urteil über eine Sache immer erst abgeben, wenn sie sich tatsächlich nicht er¬ probt hat. Die Probe zu machen aber ist man verpflichtet, wenn man es ernst meint mit der Förderung gewerblicher Interessen. Den Versuch kann man ohne Gefahr mit dem Hansabunde machen, da man jederzeit aus ihm austreten kann, wenn er die Erwartungen nicht erfüllt, die man auf ihn billigerweise setzten durfte. Ja jeder Vertreter einer starken Berufsgruppe muß sich sagen, es wird dem Hansabunde viel mehr schaden, wenn die einmal eingetretnen Mitglieder aus ihm wegen Verletzung ihrer Interessen ausscheiden müssen, als wenn sie gar nicht eingetreten wären. In jenem Falle sind die Gründe gegen den Hansabund klar und unwiderruflich zu formulieren, in diesem Falle wird man keine stichhaltigen Gründe vorbringen können. Das zwingt den Hansabund aber auch, auf die in ihm vereinigten Elemente die peinlichste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/358>, abgerufen am 25.08.2024.