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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

vor sehr kurzer Zeit die Regierung einsetzte, undurchführbar machen. Das deutlichste
Beispiel hierfür bietet der Stempel auf Schenks und Bankquittungen.

Die für das Wirtschaftsleben unerträgliche Geldteuerung des Jahres 1907
war die Veranlassung zu einer beispiellosen Propaganda für die Ausbreitung bar¬
geldloser Zahluugsmethoden. Als besonders wichtige Aufgabe betrachtete man es,
die mittlern und kleinen Kreise für den Scheck- und Überweisungsverkehr zu ge¬
winnen. Die Nützlichkeit dieser Bewegung ist von der Regierung anerkannt und
gefördert worden, was -- um nur wenig Beispiele anzuführen -- aus der Be¬
gründung vom 9. Januar 1908 zum Entwurf eines Schcckgesetzes, aus einem Flug¬
blatte der Seehandlung und in jüngster Zeit aus einer aus amtlichen Kreisen her¬
rührenden Veröffentlichung des Berliner Clearinghauses deutlich hervorgeht. Von
deutschen und österreichischen*) Autoritäten auf dem Gebiete des Scheck- und Über¬
weisungsverkehrs ist jede Verringerung der durchschnittlichen Größe der Schenks,
mithin jedes weitere Eindringen in den Kleinverkehr, freudig begrüßt worden, und
die Propaganda hatte schon, wie viele Anzeichen erkennen lassen, erfreuliche Erfolge
zu verzeichnen. Es war zu hoffen, daß sich durch eine den amerikanischen und eng¬
lischen Verhältnissen ähnliche ausgedehnte Benutzung des Schenks die nächste Hoch¬
konjunktur mit niedrigern Zinssätzen überwinden lassen würde: da stellt der neue
Stempel den Erfolg plötzlich in Frage. Das Gesetz läßt zwar den Postscheck
stempelfrei, doch lassen es die Mängel des Postscheckverkehrs, besonders die Unver¬
zinslichkeit der Guthaben, durchaus wünschenswert erscheinen, daß sich neben ihm
auch der Scheckverkehr der Privatbanken durch Heranziehung der kleinern Gewerbe¬
treibenden und Privatleute weiter kräftig entwickeln kann. Dem muß jedoch der
Fixstempel von 10 Pfennigen für jeden Scheck ohne Rücksicht auf die Höhe des Be¬
trages, über den er ausgestellt ist, hinderlich sein. Wenn der Inhaber eines Bank¬
kontos künftig für jedes Scheckbuch, das er bisher von der Bank kostenfrei erhielt,
fünf Mark Steuer bezahlen soll, wird er davon Abstand nehmen, die bargeldlose
Zahlung anzuwenden. Nun unterliegen allerdings einfache Quittungen über Geld¬
summen, die aus einem Guthaben bei Banken, Bankiers, Kreditgenossenschaften und
andern Kreditinstituten abgehoben werden, gleichfalls dem Fixstempel von 10 Pfennigen,
doch sind Rückzahlungen von Sparkasseneinlagen steuerfrei, falls sie uicht gegen
Quittung, sondern nur gegen einen Vermerk im Sparkassenbuch über die bewirkte
Auszahlung erfolgen. Wir vermuten deshalb, daß die Banken künftig das System
der Sparkassen ebenfalls anwenden werden.

Eine besondre Härte des Scheckstempels liegt darin, daß sich der Großverkehr
der Giroüberweisung, die nicht stempelpflichtig ist, bedienen kann, während der Klein¬
verkehr noch auf der untersten Stufe des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, dem Scheck¬
verkehr, steht.

Da jede Beeinträchtigung des Scheckverkehrs auch eine Bewilligung der Zins¬
sätze hinausschiebt, ergibt sich notwendig, daß die nicht vermögenden kreditbedürftigen
Kreise geschädigt werden, während die Besitzenden von dem Scheckstempel kaum
fühlbar getroffen werden.

Gleichfalls eine Belastung der Kreditnehmer, nicht der Besitzenden, ist die Er¬
höhung des Wechselstempels für solche Wechsel, die länger als fünfundneunzig
Tage laufen. Sie sollen für die nächsten neun Monate und weiter für je sechs
Monate den alten Wechselstempel von 1/2 "Pralle noch einmal tragen. Diese
Bestimmungen dürften voraussichtlich eine Änderung der durchschnittlichen Lebens¬
dauer der Wechsel, die heute mit neunzig Tagen angenommen wird, herbeiführen,
wodurch für die nächsten Jahre ein unliebsames Moment der Unsicherheit für die
Feststellung des Wechselumlaufs gegeben ist.



*) I. Kanitz, Vorteile des Überweisungsverkehrs; im Österreichischen Volkswirt vom
14. November 1908. Dieselbe Zeitschrift vom 22. Mai 1909.
Grenzboten III 1909 37
Maßgebliches und Unmaßgebliches

vor sehr kurzer Zeit die Regierung einsetzte, undurchführbar machen. Das deutlichste
Beispiel hierfür bietet der Stempel auf Schenks und Bankquittungen.

Die für das Wirtschaftsleben unerträgliche Geldteuerung des Jahres 1907
war die Veranlassung zu einer beispiellosen Propaganda für die Ausbreitung bar¬
geldloser Zahluugsmethoden. Als besonders wichtige Aufgabe betrachtete man es,
die mittlern und kleinen Kreise für den Scheck- und Überweisungsverkehr zu ge¬
winnen. Die Nützlichkeit dieser Bewegung ist von der Regierung anerkannt und
gefördert worden, was — um nur wenig Beispiele anzuführen — aus der Be¬
gründung vom 9. Januar 1908 zum Entwurf eines Schcckgesetzes, aus einem Flug¬
blatte der Seehandlung und in jüngster Zeit aus einer aus amtlichen Kreisen her¬
rührenden Veröffentlichung des Berliner Clearinghauses deutlich hervorgeht. Von
deutschen und österreichischen*) Autoritäten auf dem Gebiete des Scheck- und Über¬
weisungsverkehrs ist jede Verringerung der durchschnittlichen Größe der Schenks,
mithin jedes weitere Eindringen in den Kleinverkehr, freudig begrüßt worden, und
die Propaganda hatte schon, wie viele Anzeichen erkennen lassen, erfreuliche Erfolge
zu verzeichnen. Es war zu hoffen, daß sich durch eine den amerikanischen und eng¬
lischen Verhältnissen ähnliche ausgedehnte Benutzung des Schenks die nächste Hoch¬
konjunktur mit niedrigern Zinssätzen überwinden lassen würde: da stellt der neue
Stempel den Erfolg plötzlich in Frage. Das Gesetz läßt zwar den Postscheck
stempelfrei, doch lassen es die Mängel des Postscheckverkehrs, besonders die Unver¬
zinslichkeit der Guthaben, durchaus wünschenswert erscheinen, daß sich neben ihm
auch der Scheckverkehr der Privatbanken durch Heranziehung der kleinern Gewerbe¬
treibenden und Privatleute weiter kräftig entwickeln kann. Dem muß jedoch der
Fixstempel von 10 Pfennigen für jeden Scheck ohne Rücksicht auf die Höhe des Be¬
trages, über den er ausgestellt ist, hinderlich sein. Wenn der Inhaber eines Bank¬
kontos künftig für jedes Scheckbuch, das er bisher von der Bank kostenfrei erhielt,
fünf Mark Steuer bezahlen soll, wird er davon Abstand nehmen, die bargeldlose
Zahlung anzuwenden. Nun unterliegen allerdings einfache Quittungen über Geld¬
summen, die aus einem Guthaben bei Banken, Bankiers, Kreditgenossenschaften und
andern Kreditinstituten abgehoben werden, gleichfalls dem Fixstempel von 10 Pfennigen,
doch sind Rückzahlungen von Sparkasseneinlagen steuerfrei, falls sie uicht gegen
Quittung, sondern nur gegen einen Vermerk im Sparkassenbuch über die bewirkte
Auszahlung erfolgen. Wir vermuten deshalb, daß die Banken künftig das System
der Sparkassen ebenfalls anwenden werden.

Eine besondre Härte des Scheckstempels liegt darin, daß sich der Großverkehr
der Giroüberweisung, die nicht stempelpflichtig ist, bedienen kann, während der Klein¬
verkehr noch auf der untersten Stufe des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, dem Scheck¬
verkehr, steht.

Da jede Beeinträchtigung des Scheckverkehrs auch eine Bewilligung der Zins¬
sätze hinausschiebt, ergibt sich notwendig, daß die nicht vermögenden kreditbedürftigen
Kreise geschädigt werden, während die Besitzenden von dem Scheckstempel kaum
fühlbar getroffen werden.

Gleichfalls eine Belastung der Kreditnehmer, nicht der Besitzenden, ist die Er¬
höhung des Wechselstempels für solche Wechsel, die länger als fünfundneunzig
Tage laufen. Sie sollen für die nächsten neun Monate und weiter für je sechs
Monate den alten Wechselstempel von 1/2 „Pralle noch einmal tragen. Diese
Bestimmungen dürften voraussichtlich eine Änderung der durchschnittlichen Lebens¬
dauer der Wechsel, die heute mit neunzig Tagen angenommen wird, herbeiführen,
wodurch für die nächsten Jahre ein unliebsames Moment der Unsicherheit für die
Feststellung des Wechselumlaufs gegeben ist.



*) I. Kanitz, Vorteile des Überweisungsverkehrs; im Österreichischen Volkswirt vom
14. November 1908. Dieselbe Zeitschrift vom 22. Mai 1909.
Grenzboten III 1909 37
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[0291] Maßgebliches und Unmaßgebliches vor sehr kurzer Zeit die Regierung einsetzte, undurchführbar machen. Das deutlichste Beispiel hierfür bietet der Stempel auf Schenks und Bankquittungen. Die für das Wirtschaftsleben unerträgliche Geldteuerung des Jahres 1907 war die Veranlassung zu einer beispiellosen Propaganda für die Ausbreitung bar¬ geldloser Zahluugsmethoden. Als besonders wichtige Aufgabe betrachtete man es, die mittlern und kleinen Kreise für den Scheck- und Überweisungsverkehr zu ge¬ winnen. Die Nützlichkeit dieser Bewegung ist von der Regierung anerkannt und gefördert worden, was — um nur wenig Beispiele anzuführen — aus der Be¬ gründung vom 9. Januar 1908 zum Entwurf eines Schcckgesetzes, aus einem Flug¬ blatte der Seehandlung und in jüngster Zeit aus einer aus amtlichen Kreisen her¬ rührenden Veröffentlichung des Berliner Clearinghauses deutlich hervorgeht. Von deutschen und österreichischen*) Autoritäten auf dem Gebiete des Scheck- und Über¬ weisungsverkehrs ist jede Verringerung der durchschnittlichen Größe der Schenks, mithin jedes weitere Eindringen in den Kleinverkehr, freudig begrüßt worden, und die Propaganda hatte schon, wie viele Anzeichen erkennen lassen, erfreuliche Erfolge zu verzeichnen. Es war zu hoffen, daß sich durch eine den amerikanischen und eng¬ lischen Verhältnissen ähnliche ausgedehnte Benutzung des Schenks die nächste Hoch¬ konjunktur mit niedrigern Zinssätzen überwinden lassen würde: da stellt der neue Stempel den Erfolg plötzlich in Frage. Das Gesetz läßt zwar den Postscheck stempelfrei, doch lassen es die Mängel des Postscheckverkehrs, besonders die Unver¬ zinslichkeit der Guthaben, durchaus wünschenswert erscheinen, daß sich neben ihm auch der Scheckverkehr der Privatbanken durch Heranziehung der kleinern Gewerbe¬ treibenden und Privatleute weiter kräftig entwickeln kann. Dem muß jedoch der Fixstempel von 10 Pfennigen für jeden Scheck ohne Rücksicht auf die Höhe des Be¬ trages, über den er ausgestellt ist, hinderlich sein. Wenn der Inhaber eines Bank¬ kontos künftig für jedes Scheckbuch, das er bisher von der Bank kostenfrei erhielt, fünf Mark Steuer bezahlen soll, wird er davon Abstand nehmen, die bargeldlose Zahlung anzuwenden. Nun unterliegen allerdings einfache Quittungen über Geld¬ summen, die aus einem Guthaben bei Banken, Bankiers, Kreditgenossenschaften und andern Kreditinstituten abgehoben werden, gleichfalls dem Fixstempel von 10 Pfennigen, doch sind Rückzahlungen von Sparkasseneinlagen steuerfrei, falls sie uicht gegen Quittung, sondern nur gegen einen Vermerk im Sparkassenbuch über die bewirkte Auszahlung erfolgen. Wir vermuten deshalb, daß die Banken künftig das System der Sparkassen ebenfalls anwenden werden. Eine besondre Härte des Scheckstempels liegt darin, daß sich der Großverkehr der Giroüberweisung, die nicht stempelpflichtig ist, bedienen kann, während der Klein¬ verkehr noch auf der untersten Stufe des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, dem Scheck¬ verkehr, steht. Da jede Beeinträchtigung des Scheckverkehrs auch eine Bewilligung der Zins¬ sätze hinausschiebt, ergibt sich notwendig, daß die nicht vermögenden kreditbedürftigen Kreise geschädigt werden, während die Besitzenden von dem Scheckstempel kaum fühlbar getroffen werden. Gleichfalls eine Belastung der Kreditnehmer, nicht der Besitzenden, ist die Er¬ höhung des Wechselstempels für solche Wechsel, die länger als fünfundneunzig Tage laufen. Sie sollen für die nächsten neun Monate und weiter für je sechs Monate den alten Wechselstempel von 1/2 „Pralle noch einmal tragen. Diese Bestimmungen dürften voraussichtlich eine Änderung der durchschnittlichen Lebens¬ dauer der Wechsel, die heute mit neunzig Tagen angenommen wird, herbeiführen, wodurch für die nächsten Jahre ein unliebsames Moment der Unsicherheit für die Feststellung des Wechselumlaufs gegeben ist. *) I. Kanitz, Vorteile des Überweisungsverkehrs; im Österreichischen Volkswirt vom 14. November 1908. Dieselbe Zeitschrift vom 22. Mai 1909. Grenzboten III 1909 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/291>, abgerufen am 22.12.2024.