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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Kurpfuscher und soziale psuscher

die offensichtlichen Corriger la Fortune-Automaten hat man beseitigt, aber --
gewinnen tut man auch für gewöhnlich in den nicht beanstandeten noch nichts.
Für die, die nicht alle werden, also immer noch eine sozial wertvolle Be¬
schäftigung -- weil es sie vielleicht doch schließlich aufklärt!

Bleiben uns noch zum Schluß die Pfuscher vom Wucherertypus.
Diese wollen ja auch zum Teil Volksbeglücker sein und sind auch Spieler.
Aber der Wucherer überwiegt bei ihnen, der Wucherer, den man daran er¬
kennt, daß er den Leichtsinn, die Notlage oder Unerfcihrenheit des andern aus¬
beutet, um seine eigne Tasche zu füllen.

Die Wahrsagerinnen. . . wieviel Dumme haben sie schon ins Elend ge¬
bracht! Sie sind Priesterinnen der Unterwelt, ähnlich wie manche Ziehmutter,
die sich als Engelmacherin entpuppt, oder wie manche der hilfsbereiten
Psminss savkmtks, die trotz ihres Versprechens: "Damen finden freundliche
Aufnahme", die Freundlichkeit allzusehr vermissen lassen.

Die Kapitalsucher und Gewinnversprecher -- wieviel Notlage haben sie
vergrößert!

Die Aufklärer über das Geschlechtsleben u. tgi. -- wieviel Leichtsinnige
haben sie schon verstrickt!

Über diesen Industriezweig sozialer Pfuscherei verlohnen sich zum Schluß
noch einige Worte. Unter dem Deckmantel der Aufklärung benutzen sie schwer
bezwingbare Triebe, namentlich der Jugend, um ihre unter wissenschaftlichem
Anstrich obszöne Literatur in die Hände zu spielen. Wer Gelegenheit hat, die
üppige Blüte dieses Zweiges der Bücherproduktion zu verfolgen, der sieht den
ganzen Ernst dieses Problems. Je schlechter das Buch, um so besser der
Absatz; dieses pessimistische Wort wird hier wirklich zum Ereignis. Und nicht
nur dem Leichtsinn des Geschlechtstriebes, auch dem der Sensation um jeden
Preis, der aufregenden, nervenüberspannenden Sucht wird durch skrupellose
Büchermacherei Vorschub geleistet. Die soziale Kalamität der Sherlock-Holmes-
und Rick-Carter-Literatur ist in der letzten Zeit schon gebührend niedriger ge¬
hängt worden.

Wie harmlos waren die Lederstrumpferzählungen gegenüber diesen Schil¬
derungen des Verbrechens in jeder Fasson!

In welchem Maße die genannte Literatur verbreitet wird, berichtet ein
Lehrer, der solche Lektüre bei seinen Schülern gesammelt hat, so: "Wenn wir
auf einem Deckel solcher Jugendschrift in einem Preisausschreiben -- genaues
Erraten der Auflagenhöhe -- die Auflage in einer Höhe von 250000 bis
500000 Stück angegeben finden und von kleinen Expeditionen die Personenzahl
der Angestellten auf 120 und mehr, je nach Betrieb angegeben erhalten, so
werden wir bedenklicher."

Sind wir aber bei der pfuscherischen Verlegerproduktion angelangt, so
darf auch des neuen Betriebszweiges nicht vergessen werden, der sich in
folgendem Inserat jüngst ausdrückte: "Literarischen Namen können sich Nicht-


Kurpfuscher und soziale psuscher

die offensichtlichen Corriger la Fortune-Automaten hat man beseitigt, aber —
gewinnen tut man auch für gewöhnlich in den nicht beanstandeten noch nichts.
Für die, die nicht alle werden, also immer noch eine sozial wertvolle Be¬
schäftigung — weil es sie vielleicht doch schließlich aufklärt!

Bleiben uns noch zum Schluß die Pfuscher vom Wucherertypus.
Diese wollen ja auch zum Teil Volksbeglücker sein und sind auch Spieler.
Aber der Wucherer überwiegt bei ihnen, der Wucherer, den man daran er¬
kennt, daß er den Leichtsinn, die Notlage oder Unerfcihrenheit des andern aus¬
beutet, um seine eigne Tasche zu füllen.

Die Wahrsagerinnen. . . wieviel Dumme haben sie schon ins Elend ge¬
bracht! Sie sind Priesterinnen der Unterwelt, ähnlich wie manche Ziehmutter,
die sich als Engelmacherin entpuppt, oder wie manche der hilfsbereiten
Psminss savkmtks, die trotz ihres Versprechens: „Damen finden freundliche
Aufnahme", die Freundlichkeit allzusehr vermissen lassen.

Die Kapitalsucher und Gewinnversprecher — wieviel Notlage haben sie
vergrößert!

Die Aufklärer über das Geschlechtsleben u. tgi. — wieviel Leichtsinnige
haben sie schon verstrickt!

Über diesen Industriezweig sozialer Pfuscherei verlohnen sich zum Schluß
noch einige Worte. Unter dem Deckmantel der Aufklärung benutzen sie schwer
bezwingbare Triebe, namentlich der Jugend, um ihre unter wissenschaftlichem
Anstrich obszöne Literatur in die Hände zu spielen. Wer Gelegenheit hat, die
üppige Blüte dieses Zweiges der Bücherproduktion zu verfolgen, der sieht den
ganzen Ernst dieses Problems. Je schlechter das Buch, um so besser der
Absatz; dieses pessimistische Wort wird hier wirklich zum Ereignis. Und nicht
nur dem Leichtsinn des Geschlechtstriebes, auch dem der Sensation um jeden
Preis, der aufregenden, nervenüberspannenden Sucht wird durch skrupellose
Büchermacherei Vorschub geleistet. Die soziale Kalamität der Sherlock-Holmes-
und Rick-Carter-Literatur ist in der letzten Zeit schon gebührend niedriger ge¬
hängt worden.

Wie harmlos waren die Lederstrumpferzählungen gegenüber diesen Schil¬
derungen des Verbrechens in jeder Fasson!

In welchem Maße die genannte Literatur verbreitet wird, berichtet ein
Lehrer, der solche Lektüre bei seinen Schülern gesammelt hat, so: „Wenn wir
auf einem Deckel solcher Jugendschrift in einem Preisausschreiben — genaues
Erraten der Auflagenhöhe — die Auflage in einer Höhe von 250000 bis
500000 Stück angegeben finden und von kleinen Expeditionen die Personenzahl
der Angestellten auf 120 und mehr, je nach Betrieb angegeben erhalten, so
werden wir bedenklicher."

Sind wir aber bei der pfuscherischen Verlegerproduktion angelangt, so
darf auch des neuen Betriebszweiges nicht vergessen werden, der sich in
folgendem Inserat jüngst ausdrückte: „Literarischen Namen können sich Nicht-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/130>, abgerufen am 22.07.2024.