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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Ale politische Lage

zusammenzufassen suchen. Beim Bunde der Landwirte handelt es sich vor¬
wiegend um Groß- und Kleinunternehmer, beim Hansabund tritt neben die
Unternehmer uoch das Heer der Angestellten, "der Proletarier im schwarzen
Rock". Daraus muß sich der politisch bedeutsamste Unterschied zwischen den
beiden Organisationen entwickeln. Bei den Landwirten können die konservativen
Elemente älterer Prägung die Führung haben, bei den Hansaleuten muß neu¬
demokratischer, das heißt wirklich liberaler Geist den Vorrang gewinnen, wenn
ihr Bund fest sein soll. Der Bund der Landwirte ist wohl in der Gegenwart die
am meisten verunglimpfte politische Organisation. Die Gründe dafür sind bekannt.
Der Hansabund, selbst wenn er sich so machtvoll wie nur möglich entwickelte,
dürfte kaum in dieselbe Lage kommen. Zwar werden sich auch bei ihm Macht¬
gelüste regen, aber sie könnten dem Staatswohl doch nnr gefährlich werden,
sofern ihm keine ebenbürtige Organisation gegenüberstünde. Doch das liegt noch
in weiter Ferne, und wir können es zunächst darauf ankommen lassen. Gegen¬
wärtig steht ihm noch der Bund der Landwirte gegenüber. Daneben wird er
sich gegen die Sozialdemokraten zu wehren und außerdem noch mit gewissen
Strömungen innerhalb des Kreises der Privatbeamten zu rechnen haben.
Es ist also dafür gesorgt, daß die Bäume des Hansabundes nicht in den
Himmel wachsen.

Aus solchen Erwägungen heraus können wir dem Hansabunde nur
wünschen, daß er sehr bald eine politische Macht darstellen möge von der¬
selben Bedeutung, der sich der Bund der Landwirte rühmen darf. Denn wenn
wir auch den in der Tat alles Maß überschreitenden wirtschaftlichen Egoismus
verdammen, so dürfen wir doch nicht vergessen, daß die bösen Landjunker unter
Führung der Konservativen eine politische Aufgabe gelöst haben, an der alle
andern Parteien gescheitert find -- Zentrum ebenso wie Sozialdemokratie. Die
Konservativen haben durch Vermittlung des Bundes der Landwirte den Bauern¬
stand zur politischen Arbeit aufgerüttelt. Dank dem Bunde der Landwirte liest
der Bauer ernste politische Tageszeitungen und folgt den Ereignissen der
Tagespolitik mit einer Aufmerksamkeit, der wir beim Gros der städtischen Ge¬
werbetreibenden und deren Angestellten nicht begegnen. Als ein indirektes Ver¬
dienst des Bundes der Landwirte dürfen wir auch das Erwachen politischen
Lebens unter den deutschen Kolonisten in der Ostmark bezeichnen. Wenn der
landwirtschaftliche Verband mit den Bauern zahlreiche an sich demokratische
Elemente in das konservative Lager gezogen hat, so ist das nicht nur ein
Zeichen für die konservativen Grundlagen im politischen Denken unsers Volks,
sondern auch ein Beweis für die Tüchtigkeit der konservativen Schöpfer des
Bundes. Aber es ist auch ein Beweis der Überlegenheit der heutigen kon¬
servativen Führer über die heutigen Führer des Liberalismus. Keine der
liberalen Parteien hat es vermocht, im Bunde Einfluß zu gewinnen.

Der Bund der Landwirte ist die erste Organisation in der bürgerlichen
Gesellschaft, die die Vorherrschaft materieller Interessen vor ideellen in der


Ale politische Lage

zusammenzufassen suchen. Beim Bunde der Landwirte handelt es sich vor¬
wiegend um Groß- und Kleinunternehmer, beim Hansabund tritt neben die
Unternehmer uoch das Heer der Angestellten, „der Proletarier im schwarzen
Rock". Daraus muß sich der politisch bedeutsamste Unterschied zwischen den
beiden Organisationen entwickeln. Bei den Landwirten können die konservativen
Elemente älterer Prägung die Führung haben, bei den Hansaleuten muß neu¬
demokratischer, das heißt wirklich liberaler Geist den Vorrang gewinnen, wenn
ihr Bund fest sein soll. Der Bund der Landwirte ist wohl in der Gegenwart die
am meisten verunglimpfte politische Organisation. Die Gründe dafür sind bekannt.
Der Hansabund, selbst wenn er sich so machtvoll wie nur möglich entwickelte,
dürfte kaum in dieselbe Lage kommen. Zwar werden sich auch bei ihm Macht¬
gelüste regen, aber sie könnten dem Staatswohl doch nnr gefährlich werden,
sofern ihm keine ebenbürtige Organisation gegenüberstünde. Doch das liegt noch
in weiter Ferne, und wir können es zunächst darauf ankommen lassen. Gegen¬
wärtig steht ihm noch der Bund der Landwirte gegenüber. Daneben wird er
sich gegen die Sozialdemokraten zu wehren und außerdem noch mit gewissen
Strömungen innerhalb des Kreises der Privatbeamten zu rechnen haben.
Es ist also dafür gesorgt, daß die Bäume des Hansabundes nicht in den
Himmel wachsen.

Aus solchen Erwägungen heraus können wir dem Hansabunde nur
wünschen, daß er sehr bald eine politische Macht darstellen möge von der¬
selben Bedeutung, der sich der Bund der Landwirte rühmen darf. Denn wenn
wir auch den in der Tat alles Maß überschreitenden wirtschaftlichen Egoismus
verdammen, so dürfen wir doch nicht vergessen, daß die bösen Landjunker unter
Führung der Konservativen eine politische Aufgabe gelöst haben, an der alle
andern Parteien gescheitert find — Zentrum ebenso wie Sozialdemokratie. Die
Konservativen haben durch Vermittlung des Bundes der Landwirte den Bauern¬
stand zur politischen Arbeit aufgerüttelt. Dank dem Bunde der Landwirte liest
der Bauer ernste politische Tageszeitungen und folgt den Ereignissen der
Tagespolitik mit einer Aufmerksamkeit, der wir beim Gros der städtischen Ge¬
werbetreibenden und deren Angestellten nicht begegnen. Als ein indirektes Ver¬
dienst des Bundes der Landwirte dürfen wir auch das Erwachen politischen
Lebens unter den deutschen Kolonisten in der Ostmark bezeichnen. Wenn der
landwirtschaftliche Verband mit den Bauern zahlreiche an sich demokratische
Elemente in das konservative Lager gezogen hat, so ist das nicht nur ein
Zeichen für die konservativen Grundlagen im politischen Denken unsers Volks,
sondern auch ein Beweis für die Tüchtigkeit der konservativen Schöpfer des
Bundes. Aber es ist auch ein Beweis der Überlegenheit der heutigen kon¬
servativen Führer über die heutigen Führer des Liberalismus. Keine der
liberalen Parteien hat es vermocht, im Bunde Einfluß zu gewinnen.

Der Bund der Landwirte ist die erste Organisation in der bürgerlichen
Gesellschaft, die die Vorherrschaft materieller Interessen vor ideellen in der


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[0010] Ale politische Lage zusammenzufassen suchen. Beim Bunde der Landwirte handelt es sich vor¬ wiegend um Groß- und Kleinunternehmer, beim Hansabund tritt neben die Unternehmer uoch das Heer der Angestellten, „der Proletarier im schwarzen Rock". Daraus muß sich der politisch bedeutsamste Unterschied zwischen den beiden Organisationen entwickeln. Bei den Landwirten können die konservativen Elemente älterer Prägung die Führung haben, bei den Hansaleuten muß neu¬ demokratischer, das heißt wirklich liberaler Geist den Vorrang gewinnen, wenn ihr Bund fest sein soll. Der Bund der Landwirte ist wohl in der Gegenwart die am meisten verunglimpfte politische Organisation. Die Gründe dafür sind bekannt. Der Hansabund, selbst wenn er sich so machtvoll wie nur möglich entwickelte, dürfte kaum in dieselbe Lage kommen. Zwar werden sich auch bei ihm Macht¬ gelüste regen, aber sie könnten dem Staatswohl doch nnr gefährlich werden, sofern ihm keine ebenbürtige Organisation gegenüberstünde. Doch das liegt noch in weiter Ferne, und wir können es zunächst darauf ankommen lassen. Gegen¬ wärtig steht ihm noch der Bund der Landwirte gegenüber. Daneben wird er sich gegen die Sozialdemokraten zu wehren und außerdem noch mit gewissen Strömungen innerhalb des Kreises der Privatbeamten zu rechnen haben. Es ist also dafür gesorgt, daß die Bäume des Hansabundes nicht in den Himmel wachsen. Aus solchen Erwägungen heraus können wir dem Hansabunde nur wünschen, daß er sehr bald eine politische Macht darstellen möge von der¬ selben Bedeutung, der sich der Bund der Landwirte rühmen darf. Denn wenn wir auch den in der Tat alles Maß überschreitenden wirtschaftlichen Egoismus verdammen, so dürfen wir doch nicht vergessen, daß die bösen Landjunker unter Führung der Konservativen eine politische Aufgabe gelöst haben, an der alle andern Parteien gescheitert find — Zentrum ebenso wie Sozialdemokratie. Die Konservativen haben durch Vermittlung des Bundes der Landwirte den Bauern¬ stand zur politischen Arbeit aufgerüttelt. Dank dem Bunde der Landwirte liest der Bauer ernste politische Tageszeitungen und folgt den Ereignissen der Tagespolitik mit einer Aufmerksamkeit, der wir beim Gros der städtischen Ge¬ werbetreibenden und deren Angestellten nicht begegnen. Als ein indirektes Ver¬ dienst des Bundes der Landwirte dürfen wir auch das Erwachen politischen Lebens unter den deutschen Kolonisten in der Ostmark bezeichnen. Wenn der landwirtschaftliche Verband mit den Bauern zahlreiche an sich demokratische Elemente in das konservative Lager gezogen hat, so ist das nicht nur ein Zeichen für die konservativen Grundlagen im politischen Denken unsers Volks, sondern auch ein Beweis für die Tüchtigkeit der konservativen Schöpfer des Bundes. Aber es ist auch ein Beweis der Überlegenheit der heutigen kon¬ servativen Führer über die heutigen Führer des Liberalismus. Keine der liberalen Parteien hat es vermocht, im Bunde Einfluß zu gewinnen. Der Bund der Landwirte ist die erste Organisation in der bürgerlichen Gesellschaft, die die Vorherrschaft materieller Interessen vor ideellen in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/10>, abgerufen am 22.07.2024.