Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel (Österreich-Ungarn und Serbien. Englische und deutsche Flottenangelegenheiten. Militärdebatte im Reichstag. Die Reichsfinanzreform.) Der Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien nähert sich immer mehr Wenn man sich hiernach mit dem Gedanken vertraut machen muß, daß die Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel (Österreich-Ungarn und Serbien. Englische und deutsche Flottenangelegenheiten. Militärdebatte im Reichstag. Die Reichsfinanzreform.) Der Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien nähert sich immer mehr Wenn man sich hiernach mit dem Gedanken vertraut machen muß, daß die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0670" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/313021"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Reichsspiegel</head><lb/> <note type="argument"> (Österreich-Ungarn und Serbien. Englische und deutsche Flottenangelegenheiten.<lb/> Militärdebatte im Reichstag. Die Reichsfinanzreform.)</note><lb/> <p xml:id="ID_2746"> Der Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien nähert sich immer mehr<lb/> der letzten Entscheidung über Krieg und Frieden. Feste Anhaltepunkte, wie diese<lb/> Entscheidung fallen wird, lassen sich in dem Augenblick, wo diese Zeilen geschrieben<lb/> werden, noch nicht gewinnen. Tatsächlich haben die Serben noch nicht dos geringste<lb/> davon merken lassen, daß sie ein Nachgeben in den Bereich der Möglichkeit ziehn.<lb/> Man hat deshalb vorläufig keine Unterlage für die Annahme, daß sie doch zuletzt<lb/> nachgeben werden. Tun sie das aber nicht, so muß der militärische Konflikt mit<lb/> Österreich-Ungarn in wenigen Tagen ausbrechen. Andrerseits scheint uns das Ver¬<lb/> halten Serbiens so sehr jeder vernünftigen Berechnung zuwiderzulaufen, daß man<lb/> immer wieder versucht ist, nach besondern Gründen für die herausfordernde Haltung<lb/> des kleinen Staats gegenüber einer benachbarten Großmacht und für diese an selbst¬<lb/> mörderischen Wahn grenzende Politik zu forschen. Diese Gründe kann man aber<lb/> nur in dem festen Glauben der Serben finden, daß die Großmächte die Nieder¬<lb/> werfung Serbiens und die endgiltige Anerkennung der österreichisch-ungarischen<lb/> Balkanpolitik nicht gletchgiltig mit ansehen könnten. Besonders rechnet man hierbei<lb/> auf die Hilfe Rußlands und läßt es sich nicht ausreden, daß diese slawische Vor¬<lb/> macht doch im entscheidenden Augenblick noch Mittel und Wege finden werde, den<lb/> südslawischen Brüdern zu Hilfe zu kommen. Da es nun aber nicht ausgeschlossen<lb/> ist, daß diese Hoffnungen der Serben am letzten Ende von den Großmächten<lb/> gründlich zerstört werden, so kann man auch wieder trotz der sehr geringen Wahr¬<lb/> scheinlichkeit, die noch für die Erhaltung des Friedens besteht, nicht mit Bestimmtheit<lb/> sagen, daß diese Wendung der Dinge unmöglich ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_2747" next="#ID_2748"> Wenn man sich hiernach mit dem Gedanken vertraut machen muß, daß die<lb/> Kanonen das letzte Wort zwischen Österreich-Ungarn und Serbien sprechen, so läßt<lb/> sich doch an der Hoffnung festhalten, daß ein großer europäischer Krieg vermieden<lb/> werden wird. Ob das möglich sein wird, hängt von Rußland ab. Denn wenn<lb/> diese Macht wirklich keinen Zweifel darüber läßt, daß sie sich nicht in einen Krieg<lb/> für die serbischen Ansprüche treiben lassen will, so fallen auch für die andern<lb/> europäischen Mächte alle Gründe hinweg, in den Konflikt mit irgendwelchen Gewalt¬<lb/> mitteln einzugreifen. Noch ist freilich auch eine Entwicklung denkbar, die Rußland<lb/> veranlassen könnte, mit aktiver militärischer Hilfe für Serbien einzutreten. Für<lb/> diesen Fall wäre für Deutschland die Verpflichtung gegeben, dem Verbündeten<lb/> Österreich-Ungarn zu Hilfe zu kommen, und daß die deutsche Regierung bei solcher<lb/> Wendung der Dinge den Bündnisfall in der Tat als gegeben ansieht, darüber<lb/> hat sie in diplomatischen Aussprachen an geeigneter Stelle nicht den geringsten<lb/> Zweifel gelassen. Erfreulicherweise findet diese Auffassung auch in den weitesten<lb/> Kreisen des deutschen Volks und in der Presse aller bürgerlichen Parteirichtungen<lb/> lebhaften Anklang und entschied»« Zustimmung. Nur vereinzelt sind die Stimmen,<lb/> die von der Meinung ausgehn, Deutschland verfolge diese Politik nur in Erfüllung<lb/> der Verpflichtung des formellen Festhaltens an dem Bündnis mit Österreich-Ungarn.<lb/> Sie meinen weiter, Deutschland verstricke sich damit in eine Politik, die keineswegs<lb/> einwandfrei und vor allem nur eine Politik österreichischer Interessen sei. Diese<lb/> Meinung tritt, wie gesagt, in der Presse nur vereinzelt auf, wobei es freilich Er¬<lb/> staunen erregen muß, daß es gerade Blätter sind, die am entschiedensten die Bis-<lb/> marckischen Traditionen, wie sie sie verstehn, zu vertreten bemüht sind, und die der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0670]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel
(Österreich-Ungarn und Serbien. Englische und deutsche Flottenangelegenheiten.
Militärdebatte im Reichstag. Die Reichsfinanzreform.)
Der Konflikt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien nähert sich immer mehr
der letzten Entscheidung über Krieg und Frieden. Feste Anhaltepunkte, wie diese
Entscheidung fallen wird, lassen sich in dem Augenblick, wo diese Zeilen geschrieben
werden, noch nicht gewinnen. Tatsächlich haben die Serben noch nicht dos geringste
davon merken lassen, daß sie ein Nachgeben in den Bereich der Möglichkeit ziehn.
Man hat deshalb vorläufig keine Unterlage für die Annahme, daß sie doch zuletzt
nachgeben werden. Tun sie das aber nicht, so muß der militärische Konflikt mit
Österreich-Ungarn in wenigen Tagen ausbrechen. Andrerseits scheint uns das Ver¬
halten Serbiens so sehr jeder vernünftigen Berechnung zuwiderzulaufen, daß man
immer wieder versucht ist, nach besondern Gründen für die herausfordernde Haltung
des kleinen Staats gegenüber einer benachbarten Großmacht und für diese an selbst¬
mörderischen Wahn grenzende Politik zu forschen. Diese Gründe kann man aber
nur in dem festen Glauben der Serben finden, daß die Großmächte die Nieder¬
werfung Serbiens und die endgiltige Anerkennung der österreichisch-ungarischen
Balkanpolitik nicht gletchgiltig mit ansehen könnten. Besonders rechnet man hierbei
auf die Hilfe Rußlands und läßt es sich nicht ausreden, daß diese slawische Vor¬
macht doch im entscheidenden Augenblick noch Mittel und Wege finden werde, den
südslawischen Brüdern zu Hilfe zu kommen. Da es nun aber nicht ausgeschlossen
ist, daß diese Hoffnungen der Serben am letzten Ende von den Großmächten
gründlich zerstört werden, so kann man auch wieder trotz der sehr geringen Wahr¬
scheinlichkeit, die noch für die Erhaltung des Friedens besteht, nicht mit Bestimmtheit
sagen, daß diese Wendung der Dinge unmöglich ist.
Wenn man sich hiernach mit dem Gedanken vertraut machen muß, daß die
Kanonen das letzte Wort zwischen Österreich-Ungarn und Serbien sprechen, so läßt
sich doch an der Hoffnung festhalten, daß ein großer europäischer Krieg vermieden
werden wird. Ob das möglich sein wird, hängt von Rußland ab. Denn wenn
diese Macht wirklich keinen Zweifel darüber läßt, daß sie sich nicht in einen Krieg
für die serbischen Ansprüche treiben lassen will, so fallen auch für die andern
europäischen Mächte alle Gründe hinweg, in den Konflikt mit irgendwelchen Gewalt¬
mitteln einzugreifen. Noch ist freilich auch eine Entwicklung denkbar, die Rußland
veranlassen könnte, mit aktiver militärischer Hilfe für Serbien einzutreten. Für
diesen Fall wäre für Deutschland die Verpflichtung gegeben, dem Verbündeten
Österreich-Ungarn zu Hilfe zu kommen, und daß die deutsche Regierung bei solcher
Wendung der Dinge den Bündnisfall in der Tat als gegeben ansieht, darüber
hat sie in diplomatischen Aussprachen an geeigneter Stelle nicht den geringsten
Zweifel gelassen. Erfreulicherweise findet diese Auffassung auch in den weitesten
Kreisen des deutschen Volks und in der Presse aller bürgerlichen Parteirichtungen
lebhaften Anklang und entschied»« Zustimmung. Nur vereinzelt sind die Stimmen,
die von der Meinung ausgehn, Deutschland verfolge diese Politik nur in Erfüllung
der Verpflichtung des formellen Festhaltens an dem Bündnis mit Österreich-Ungarn.
Sie meinen weiter, Deutschland verstricke sich damit in eine Politik, die keineswegs
einwandfrei und vor allem nur eine Politik österreichischer Interessen sei. Diese
Meinung tritt, wie gesagt, in der Presse nur vereinzelt auf, wobei es freilich Er¬
staunen erregen muß, daß es gerade Blätter sind, die am entschiedensten die Bis-
marckischen Traditionen, wie sie sie verstehn, zu vertreten bemüht sind, und die der
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