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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Das neue Exerzierreglement für die Fnßartillerie

schwere Artillerie soll im Verein mit der Feldartillcrie den Kampf gegen die
feindliche Artillerie durchführen, während die Abwehr des feindlichen Infanterie¬
nngriffes in der Hauptsache der Feldartillerie zukommt."

Aus diesen wenigen Sätzen ist schon zu erkennen, daß die Bezeichnung
der Vorschrift als "Exerzierreglement" eigentlich unzutreffend oder richtiger
unzureichend ist. Unter Exerzieren versteht man im gewöhnlichen Sprache
gebrauch nicht die feldmüßige Verwendung einer Truppe, sondern vielmehr
deren sehnt- und parademäßige Ausbildung. Wenn man die neuentstcmdne
Vorschrift mit diesem Namen belegt hat, so ist das wohl geschehen, um an¬
zudeuten, daß die neue Vorschrift für die Fußartillerie das sein soll, was die
Exerzierreglements der andern Waffen im Laufe der Zeit für diese geworden
sind. Zu den Zeiten, wo bei der Infanterie Schul- und Gefechtsformeu
durchaus identisch waren, wo sich das Gefecht in den streng gebnndneu
Formen exerziermäßiger Bewegungen vollzog, deckte der Begriff "Exerzier¬
reglement" durchaus den einer Gefechtsausbildungsvorschrift mit. Der un¬
schöne Name hat sich erhalten, aber der Inhalt der Vorschrift ist bei allen
Waffengattungen weit über den eigentlichen Sinn dieses Namens hinaus¬
gegangen, genau so wie das Wort "Felddienstordnung" eine mangelhafte Be¬
zeichnung für den Inhalt des so benannten Buches ist.

Das Exerzierreglement der Fußartillerie enthält ebenso wie die ent¬
sprechenden Vorschriften der andern Waffengattungen zunächst die Bestimmungen
für die Einzelausbildung des Mannes und die exerziermüßigeu Formen der
Batterie und des Bataillons und für die Parade. Die Fußartillerie ist mit
einem dem Jnfanteriegewehr ähnlichen Gewehr ausgerüstet und dadurch im¬
stande, sich ohne schützende Infanterie gegen Nahangriffe und Überfälle zu
verteidigen. An infanteristischer Ausbildung fordert das Reglement natürlich
nur so viel, als dieser Zweck erheischt. Die Ausbildung am Geschütz umfaßt
die schwere Feldhaubitze, den 21-Zentimeter-Mörser und zwei Kanonen von
Zentimeter und 15 Zentimeter Kaliber.

Auch der Teil über das Gefecht ist den Reglements der andern Waffen
"ansgebildet. Er enthält die Grundsätze über die Verwendung der Waffe im
Gefecht und zerfällt in Unterabteilungen über den Angriff und die Verteidigung.
Erstere gliedert sich in Begegnungsgefecht und Angriff auf eiuen zur Ver¬
eidigung entwickelten Feind, Angriff auf eine befestigte Feldstellung, Ver¬
folgung, Angriff auf eine Spcrrbefestigung und schließlich Angriff auf eine
Testung. Der Teil über die Verteidigung zerfällt in ähnliche Unterabteilungen,
darunter eine über den Rückzug.

Dieser Teil über das Gefecht ist ein taktisches Lehrbuch von mustergiltiger
Knappheit und Klarheit der Ausdrucksweise, der nirgends bindende Vorschriften
leibt, sondern nur die Mittel, die in jedem Falle zum Erfolge führen, mit ihren
Vor- und Nachteilen bespricht, dem Führer über ihre Wahl völlig freie Hand
Essend. Die Vefehlsbefngnisse zwischen dein Trnppenführer, den Führern der


Das neue Exerzierreglement für die Fnßartillerie

schwere Artillerie soll im Verein mit der Feldartillcrie den Kampf gegen die
feindliche Artillerie durchführen, während die Abwehr des feindlichen Infanterie¬
nngriffes in der Hauptsache der Feldartillerie zukommt."

Aus diesen wenigen Sätzen ist schon zu erkennen, daß die Bezeichnung
der Vorschrift als „Exerzierreglement" eigentlich unzutreffend oder richtiger
unzureichend ist. Unter Exerzieren versteht man im gewöhnlichen Sprache
gebrauch nicht die feldmüßige Verwendung einer Truppe, sondern vielmehr
deren sehnt- und parademäßige Ausbildung. Wenn man die neuentstcmdne
Vorschrift mit diesem Namen belegt hat, so ist das wohl geschehen, um an¬
zudeuten, daß die neue Vorschrift für die Fußartillerie das sein soll, was die
Exerzierreglements der andern Waffen im Laufe der Zeit für diese geworden
sind. Zu den Zeiten, wo bei der Infanterie Schul- und Gefechtsformeu
durchaus identisch waren, wo sich das Gefecht in den streng gebnndneu
Formen exerziermäßiger Bewegungen vollzog, deckte der Begriff „Exerzier¬
reglement" durchaus den einer Gefechtsausbildungsvorschrift mit. Der un¬
schöne Name hat sich erhalten, aber der Inhalt der Vorschrift ist bei allen
Waffengattungen weit über den eigentlichen Sinn dieses Namens hinaus¬
gegangen, genau so wie das Wort „Felddienstordnung" eine mangelhafte Be¬
zeichnung für den Inhalt des so benannten Buches ist.

Das Exerzierreglement der Fußartillerie enthält ebenso wie die ent¬
sprechenden Vorschriften der andern Waffengattungen zunächst die Bestimmungen
für die Einzelausbildung des Mannes und die exerziermüßigeu Formen der
Batterie und des Bataillons und für die Parade. Die Fußartillerie ist mit
einem dem Jnfanteriegewehr ähnlichen Gewehr ausgerüstet und dadurch im¬
stande, sich ohne schützende Infanterie gegen Nahangriffe und Überfälle zu
verteidigen. An infanteristischer Ausbildung fordert das Reglement natürlich
nur so viel, als dieser Zweck erheischt. Die Ausbildung am Geschütz umfaßt
die schwere Feldhaubitze, den 21-Zentimeter-Mörser und zwei Kanonen von
Zentimeter und 15 Zentimeter Kaliber.

Auch der Teil über das Gefecht ist den Reglements der andern Waffen
»ansgebildet. Er enthält die Grundsätze über die Verwendung der Waffe im
Gefecht und zerfällt in Unterabteilungen über den Angriff und die Verteidigung.
Erstere gliedert sich in Begegnungsgefecht und Angriff auf eiuen zur Ver¬
eidigung entwickelten Feind, Angriff auf eine befestigte Feldstellung, Ver¬
folgung, Angriff auf eine Spcrrbefestigung und schließlich Angriff auf eine
Testung. Der Teil über die Verteidigung zerfällt in ähnliche Unterabteilungen,
darunter eine über den Rückzug.

Dieser Teil über das Gefecht ist ein taktisches Lehrbuch von mustergiltiger
Knappheit und Klarheit der Ausdrucksweise, der nirgends bindende Vorschriften
leibt, sondern nur die Mittel, die in jedem Falle zum Erfolge führen, mit ihren
Vor- und Nachteilen bespricht, dem Führer über ihre Wahl völlig freie Hand
Essend. Die Vefehlsbefngnisse zwischen dein Trnppenführer, den Führern der


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[0635] Das neue Exerzierreglement für die Fnßartillerie schwere Artillerie soll im Verein mit der Feldartillcrie den Kampf gegen die feindliche Artillerie durchführen, während die Abwehr des feindlichen Infanterie¬ nngriffes in der Hauptsache der Feldartillerie zukommt." Aus diesen wenigen Sätzen ist schon zu erkennen, daß die Bezeichnung der Vorschrift als „Exerzierreglement" eigentlich unzutreffend oder richtiger unzureichend ist. Unter Exerzieren versteht man im gewöhnlichen Sprache gebrauch nicht die feldmüßige Verwendung einer Truppe, sondern vielmehr deren sehnt- und parademäßige Ausbildung. Wenn man die neuentstcmdne Vorschrift mit diesem Namen belegt hat, so ist das wohl geschehen, um an¬ zudeuten, daß die neue Vorschrift für die Fußartillerie das sein soll, was die Exerzierreglements der andern Waffen im Laufe der Zeit für diese geworden sind. Zu den Zeiten, wo bei der Infanterie Schul- und Gefechtsformeu durchaus identisch waren, wo sich das Gefecht in den streng gebnndneu Formen exerziermäßiger Bewegungen vollzog, deckte der Begriff „Exerzier¬ reglement" durchaus den einer Gefechtsausbildungsvorschrift mit. Der un¬ schöne Name hat sich erhalten, aber der Inhalt der Vorschrift ist bei allen Waffengattungen weit über den eigentlichen Sinn dieses Namens hinaus¬ gegangen, genau so wie das Wort „Felddienstordnung" eine mangelhafte Be¬ zeichnung für den Inhalt des so benannten Buches ist. Das Exerzierreglement der Fußartillerie enthält ebenso wie die ent¬ sprechenden Vorschriften der andern Waffengattungen zunächst die Bestimmungen für die Einzelausbildung des Mannes und die exerziermüßigeu Formen der Batterie und des Bataillons und für die Parade. Die Fußartillerie ist mit einem dem Jnfanteriegewehr ähnlichen Gewehr ausgerüstet und dadurch im¬ stande, sich ohne schützende Infanterie gegen Nahangriffe und Überfälle zu verteidigen. An infanteristischer Ausbildung fordert das Reglement natürlich nur so viel, als dieser Zweck erheischt. Die Ausbildung am Geschütz umfaßt die schwere Feldhaubitze, den 21-Zentimeter-Mörser und zwei Kanonen von Zentimeter und 15 Zentimeter Kaliber. Auch der Teil über das Gefecht ist den Reglements der andern Waffen »ansgebildet. Er enthält die Grundsätze über die Verwendung der Waffe im Gefecht und zerfällt in Unterabteilungen über den Angriff und die Verteidigung. Erstere gliedert sich in Begegnungsgefecht und Angriff auf eiuen zur Ver¬ eidigung entwickelten Feind, Angriff auf eine befestigte Feldstellung, Ver¬ folgung, Angriff auf eine Spcrrbefestigung und schließlich Angriff auf eine Testung. Der Teil über die Verteidigung zerfällt in ähnliche Unterabteilungen, darunter eine über den Rückzug. Dieser Teil über das Gefecht ist ein taktisches Lehrbuch von mustergiltiger Knappheit und Klarheit der Ausdrucksweise, der nirgends bindende Vorschriften leibt, sondern nur die Mittel, die in jedem Falle zum Erfolge führen, mit ihren Vor- und Nachteilen bespricht, dem Führer über ihre Wahl völlig freie Hand Essend. Die Vefehlsbefngnisse zwischen dein Trnppenführer, den Führern der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/635>, abgerufen am 23.07.2024.