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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Städtische Anleihen und ihre Organisation

Schaffung der Deckungsmittel, oft auch die nach der Möglichkeit einer Fonds¬
ansammlung.

Wie tiefgehend die Unterschiede zwischen staatlicher und kommunaler
Finanzwirtschaft sind, kann im Rahmen unsrer Abhandlung nicht bis ins
einzelne dargelegt werden; die nachfolgenden Ausführungen werden jedoch nach
mancher Richtung hin Aufschlüsse dafür geben. Es möge aber an dieser Stelle
schon daran erinnert werden, daß die Kommunalkörperschaften dem Staats¬
wesen subordiniert sind, wodurch die Finanzgebamng der erstern notwendig
bestimmt und beeinflußt wird. Vor allen, sind den Kommunalkörperschaften
in der Anwendung außerordentlicher Mittel zur Deckung ihres Finanzbedarfs,
zumal für die Aufnahme öffentlicher Anleihen, engere Grenzen gezogen als
dem Staate. Und weiter stecken sich diese Grenzen je nach der Art der Körper¬
schaften selbst nach ihrer Größe und wirtschaftlichen Entwicklung wieder ganz
verschieden ab.

Bedarf und Deckungsmittel müssen zeitlich kongruieren. In einfachen
Verhältnissen macht sich dies ganz von selbst. Bei den heute wirtschaftlich
weiter sich entwickelnden Verhältnissen können in der Regel die große Summen
erheischenden Aufwendungen nicht mehr aus den laufenden Mitteln bestritten
werden. Da eine vorherige Kapitalansammlung aber selten besteht oder nicht
ausreicht, bleibt nur der Weg der Anleihen übrig, wodurch die erforderlichen
Deckungsmittel vorweggenommen werden. Da durch eine Anleihe die "künftige
Generation" unbelastet wird, sollen die durch sie beschafften Mittel in der
Regel nur zu solchen Aufwendungen verwandt werden, die der "künftigen
Generation" in irgendeiner Art zugute kommen und sich nicht in den einzelnen
Finanzperioden wiederholen. Welche Vorteile eine Fondsansammlung einer
Anleihe gegenüber aufzuweisen hat, möge folgendes Beispiel zeigen: Ein
Kapital von 100000 Mark wird mittels Ansammlung bei einer dreiprozentigen
Verzinsung in fünfzehn Jahren aufgebracht, wenn dem Fonds jährlich
5000 Mark zugeführt werden, sodaß also im ganzen nur 75000 Mark von
den Steuerzahlern aufzubringen sind! Wird dasselbe Kapital durch eine An¬
leihe aufgenommen, so müssen bei einer Verzinsung von 3^ Prozent und
l'/t Prozent Tilgung, unter Zutritt der allmählichen Zinsersparnisfe zur
Tilgungsrate. 5000 Mark 37^ Jahre lang aufgebracht werden, also im ganzen
188333 Mark. Das ist mehr als das Zweieinhalbfache der ersten Summe.
Bei Aufnahme einer Anleihe muß deshalb auf die Finanzmittel der spätern
Finanzperioden die weitestgehende Rücksicht genommen werden, da die Tilgungs-
"ut Zinslasten nicht für andre Zwecke verwandt werden können. Die hieraus
für die kommunale Finanzwirtschaft entspringende Gefahr birgt den Keim aller
Schwierigkeiten, die heute mit der Aufnahme der Anleihen verbunden sind.
Sogenannte ewige Rentenschulden, die eine Tilgung nicht erfordern und bei den
Staatskörpern die Regel sind, kommen für Kommunen als mit ihrem Wesen
w Widerspruch stehend überhaupt nicht in Betracht. Zwar bilden die Gemeinden


Städtische Anleihen und ihre Organisation

Schaffung der Deckungsmittel, oft auch die nach der Möglichkeit einer Fonds¬
ansammlung.

Wie tiefgehend die Unterschiede zwischen staatlicher und kommunaler
Finanzwirtschaft sind, kann im Rahmen unsrer Abhandlung nicht bis ins
einzelne dargelegt werden; die nachfolgenden Ausführungen werden jedoch nach
mancher Richtung hin Aufschlüsse dafür geben. Es möge aber an dieser Stelle
schon daran erinnert werden, daß die Kommunalkörperschaften dem Staats¬
wesen subordiniert sind, wodurch die Finanzgebamng der erstern notwendig
bestimmt und beeinflußt wird. Vor allen, sind den Kommunalkörperschaften
in der Anwendung außerordentlicher Mittel zur Deckung ihres Finanzbedarfs,
zumal für die Aufnahme öffentlicher Anleihen, engere Grenzen gezogen als
dem Staate. Und weiter stecken sich diese Grenzen je nach der Art der Körper¬
schaften selbst nach ihrer Größe und wirtschaftlichen Entwicklung wieder ganz
verschieden ab.

Bedarf und Deckungsmittel müssen zeitlich kongruieren. In einfachen
Verhältnissen macht sich dies ganz von selbst. Bei den heute wirtschaftlich
weiter sich entwickelnden Verhältnissen können in der Regel die große Summen
erheischenden Aufwendungen nicht mehr aus den laufenden Mitteln bestritten
werden. Da eine vorherige Kapitalansammlung aber selten besteht oder nicht
ausreicht, bleibt nur der Weg der Anleihen übrig, wodurch die erforderlichen
Deckungsmittel vorweggenommen werden. Da durch eine Anleihe die „künftige
Generation" unbelastet wird, sollen die durch sie beschafften Mittel in der
Regel nur zu solchen Aufwendungen verwandt werden, die der „künftigen
Generation" in irgendeiner Art zugute kommen und sich nicht in den einzelnen
Finanzperioden wiederholen. Welche Vorteile eine Fondsansammlung einer
Anleihe gegenüber aufzuweisen hat, möge folgendes Beispiel zeigen: Ein
Kapital von 100000 Mark wird mittels Ansammlung bei einer dreiprozentigen
Verzinsung in fünfzehn Jahren aufgebracht, wenn dem Fonds jährlich
5000 Mark zugeführt werden, sodaß also im ganzen nur 75000 Mark von
den Steuerzahlern aufzubringen sind! Wird dasselbe Kapital durch eine An¬
leihe aufgenommen, so müssen bei einer Verzinsung von 3^ Prozent und
l'/t Prozent Tilgung, unter Zutritt der allmählichen Zinsersparnisfe zur
Tilgungsrate. 5000 Mark 37^ Jahre lang aufgebracht werden, also im ganzen
188333 Mark. Das ist mehr als das Zweieinhalbfache der ersten Summe.
Bei Aufnahme einer Anleihe muß deshalb auf die Finanzmittel der spätern
Finanzperioden die weitestgehende Rücksicht genommen werden, da die Tilgungs-
»ut Zinslasten nicht für andre Zwecke verwandt werden können. Die hieraus
für die kommunale Finanzwirtschaft entspringende Gefahr birgt den Keim aller
Schwierigkeiten, die heute mit der Aufnahme der Anleihen verbunden sind.
Sogenannte ewige Rentenschulden, die eine Tilgung nicht erfordern und bei den
Staatskörpern die Regel sind, kommen für Kommunen als mit ihrem Wesen
w Widerspruch stehend überhaupt nicht in Betracht. Zwar bilden die Gemeinden


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[0595] Städtische Anleihen und ihre Organisation Schaffung der Deckungsmittel, oft auch die nach der Möglichkeit einer Fonds¬ ansammlung. Wie tiefgehend die Unterschiede zwischen staatlicher und kommunaler Finanzwirtschaft sind, kann im Rahmen unsrer Abhandlung nicht bis ins einzelne dargelegt werden; die nachfolgenden Ausführungen werden jedoch nach mancher Richtung hin Aufschlüsse dafür geben. Es möge aber an dieser Stelle schon daran erinnert werden, daß die Kommunalkörperschaften dem Staats¬ wesen subordiniert sind, wodurch die Finanzgebamng der erstern notwendig bestimmt und beeinflußt wird. Vor allen, sind den Kommunalkörperschaften in der Anwendung außerordentlicher Mittel zur Deckung ihres Finanzbedarfs, zumal für die Aufnahme öffentlicher Anleihen, engere Grenzen gezogen als dem Staate. Und weiter stecken sich diese Grenzen je nach der Art der Körper¬ schaften selbst nach ihrer Größe und wirtschaftlichen Entwicklung wieder ganz verschieden ab. Bedarf und Deckungsmittel müssen zeitlich kongruieren. In einfachen Verhältnissen macht sich dies ganz von selbst. Bei den heute wirtschaftlich weiter sich entwickelnden Verhältnissen können in der Regel die große Summen erheischenden Aufwendungen nicht mehr aus den laufenden Mitteln bestritten werden. Da eine vorherige Kapitalansammlung aber selten besteht oder nicht ausreicht, bleibt nur der Weg der Anleihen übrig, wodurch die erforderlichen Deckungsmittel vorweggenommen werden. Da durch eine Anleihe die „künftige Generation" unbelastet wird, sollen die durch sie beschafften Mittel in der Regel nur zu solchen Aufwendungen verwandt werden, die der „künftigen Generation" in irgendeiner Art zugute kommen und sich nicht in den einzelnen Finanzperioden wiederholen. Welche Vorteile eine Fondsansammlung einer Anleihe gegenüber aufzuweisen hat, möge folgendes Beispiel zeigen: Ein Kapital von 100000 Mark wird mittels Ansammlung bei einer dreiprozentigen Verzinsung in fünfzehn Jahren aufgebracht, wenn dem Fonds jährlich 5000 Mark zugeführt werden, sodaß also im ganzen nur 75000 Mark von den Steuerzahlern aufzubringen sind! Wird dasselbe Kapital durch eine An¬ leihe aufgenommen, so müssen bei einer Verzinsung von 3^ Prozent und l'/t Prozent Tilgung, unter Zutritt der allmählichen Zinsersparnisfe zur Tilgungsrate. 5000 Mark 37^ Jahre lang aufgebracht werden, also im ganzen 188333 Mark. Das ist mehr als das Zweieinhalbfache der ersten Summe. Bei Aufnahme einer Anleihe muß deshalb auf die Finanzmittel der spätern Finanzperioden die weitestgehende Rücksicht genommen werden, da die Tilgungs- »ut Zinslasten nicht für andre Zwecke verwandt werden können. Die hieraus für die kommunale Finanzwirtschaft entspringende Gefahr birgt den Keim aller Schwierigkeiten, die heute mit der Aufnahme der Anleihen verbunden sind. Sogenannte ewige Rentenschulden, die eine Tilgung nicht erfordern und bei den Staatskörpern die Regel sind, kommen für Kommunen als mit ihrem Wesen w Widerspruch stehend überhaupt nicht in Betracht. Zwar bilden die Gemeinden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/595>, abgerufen am 12.12.2024.