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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Ole Notorluftschiffahrt der modernen Heere

"Ville de Paris" sehr ähnlich sind "Bayard Element" mit 15 Metern Sekuudcu-
geschwindigkeit und "Ville de Bordeaux", die wohl von der Regierung über¬
nommen werden, da ein drittes Luftschiff dieser Art, "Colonel Renard", von ihr
in Auftrag gegeben worden ist. Der Ville de Paristyp ist feldmäßiger montierbar
als der Patrietyp.

Nachdem in Nußland die eignen ziemlich kläglichen Versuche mit einem
Halbstarren Luftschiff von 1500 Kubikmeter" und einem Motor von nur 16 ?L,
wie zu erwarten stand, mißlungen sind, ist nunmehr ein Lenkballon mit nur
einem 90 ?8-Motor von 61 Metern Länge, 11 Metern Durchmesser und
4000 Kubikmetern Fassungsvermögen in der Form der "Republique" bei den
französischen Lebandywerken in Auftrag gegeben worden, der im Frühjahr ab¬
geliefert wird. Die auf ihn gesetzten Hoffnungen erscheinen übermäßig groß.

Italien ist in der letzten Zeit selbständig zu einer Konstruktion gelangt.
Die Hauptleute Riraldoni und Croccv haben ein zigarrenförmiges, an einem
Ende scharf zugespitztes Luftschiff starren Systems gebaut, das von der Heeres¬
verwaltung für 120000 Lire erworben worden ist. Außerdem sind drei Luft¬
schiffe gleicher Art in Auftrag gegeben worden, die schon in den Herbst¬
übungen 1909 Verwendung finden sollen. Innerhalb von zwei Jahren sollen
im ganzen zwölf Fahrzeuge fertiggestellt sein. Dem ersten sehr kleinen Ver¬
suchsballon sollen größere von 5000 Kubikmeter" folgen. Die äußere Form
wird durch einen besonders angeordneten, gleichmäßig auf die ganze Oberfläche
verteilten Druck der Gondel erhalten.

In Österreich ist mau zu der richtigen Ansicht gekommen, daß Luft¬
schiffe den Flugmaschine" zurzeit noch überlegen sind. Das Privatkapital ist
endlich so weit interessiert, daß die Ausführung eines Militärballons auf Grund
eines der vorhandnen brauchbaren Entwürfe durch ein Syndikat im Gange ist.
Näheres ist noch unbekannt.

England hat nach dein Verlust des "nulli secmnclus" (Patrietyp) noch
kein brauchbares Motorluftschiff wieder geschaffen. Das Interesse scheint sich
mehr den Flugmaschinen zuzuwenden.

Das deutsche Militärluftschiff "Groß II" (60:11 Meter, 4500 Kubik¬
meter) ähnelt der "Patrie"*), nur mit den wesentlichen Unterschieden, daß es
zwei in der Gondel nebeneinanderstehende Motore hat, und daß die beiden
Propeller am Versteifungsgerüst fast genau im Widerstandszentrum ange¬
bracht sind. Die Stabilität ist vortrefflich. Der Ballon hat am 11. Sep¬
tember 1908 in dreizehn Stunden 300 Kilometer bei Windstärken von 7 bis
12 Metern zurückgelegt. Die Geschwindigkeit läßt sich sicher noch durch er¬
höhte Motorleistung oder verbesserten Wirkungsgrad der Propeller steigern.
Es scheint, daß die "Große" berufen sein werden, die "Zeppeline" in der
Fernaufklärung zu unterstützen. Auch in der Nahaufklärung werden sie eine



*) Die Franzosen sagen für den Ballon I^ü.rio.
Ole Notorluftschiffahrt der modernen Heere

„Ville de Paris" sehr ähnlich sind „Bayard Element" mit 15 Metern Sekuudcu-
geschwindigkeit und „Ville de Bordeaux", die wohl von der Regierung über¬
nommen werden, da ein drittes Luftschiff dieser Art, „Colonel Renard", von ihr
in Auftrag gegeben worden ist. Der Ville de Paristyp ist feldmäßiger montierbar
als der Patrietyp.

Nachdem in Nußland die eignen ziemlich kläglichen Versuche mit einem
Halbstarren Luftschiff von 1500 Kubikmeter» und einem Motor von nur 16 ?L,
wie zu erwarten stand, mißlungen sind, ist nunmehr ein Lenkballon mit nur
einem 90 ?8-Motor von 61 Metern Länge, 11 Metern Durchmesser und
4000 Kubikmetern Fassungsvermögen in der Form der „Republique" bei den
französischen Lebandywerken in Auftrag gegeben worden, der im Frühjahr ab¬
geliefert wird. Die auf ihn gesetzten Hoffnungen erscheinen übermäßig groß.

Italien ist in der letzten Zeit selbständig zu einer Konstruktion gelangt.
Die Hauptleute Riraldoni und Croccv haben ein zigarrenförmiges, an einem
Ende scharf zugespitztes Luftschiff starren Systems gebaut, das von der Heeres¬
verwaltung für 120000 Lire erworben worden ist. Außerdem sind drei Luft¬
schiffe gleicher Art in Auftrag gegeben worden, die schon in den Herbst¬
übungen 1909 Verwendung finden sollen. Innerhalb von zwei Jahren sollen
im ganzen zwölf Fahrzeuge fertiggestellt sein. Dem ersten sehr kleinen Ver¬
suchsballon sollen größere von 5000 Kubikmeter» folgen. Die äußere Form
wird durch einen besonders angeordneten, gleichmäßig auf die ganze Oberfläche
verteilten Druck der Gondel erhalten.

In Österreich ist mau zu der richtigen Ansicht gekommen, daß Luft¬
schiffe den Flugmaschine» zurzeit noch überlegen sind. Das Privatkapital ist
endlich so weit interessiert, daß die Ausführung eines Militärballons auf Grund
eines der vorhandnen brauchbaren Entwürfe durch ein Syndikat im Gange ist.
Näheres ist noch unbekannt.

England hat nach dein Verlust des „nulli secmnclus" (Patrietyp) noch
kein brauchbares Motorluftschiff wieder geschaffen. Das Interesse scheint sich
mehr den Flugmaschinen zuzuwenden.

Das deutsche Militärluftschiff „Groß II" (60:11 Meter, 4500 Kubik¬
meter) ähnelt der „Patrie"*), nur mit den wesentlichen Unterschieden, daß es
zwei in der Gondel nebeneinanderstehende Motore hat, und daß die beiden
Propeller am Versteifungsgerüst fast genau im Widerstandszentrum ange¬
bracht sind. Die Stabilität ist vortrefflich. Der Ballon hat am 11. Sep¬
tember 1908 in dreizehn Stunden 300 Kilometer bei Windstärken von 7 bis
12 Metern zurückgelegt. Die Geschwindigkeit läßt sich sicher noch durch er¬
höhte Motorleistung oder verbesserten Wirkungsgrad der Propeller steigern.
Es scheint, daß die „Große" berufen sein werden, die „Zeppeline" in der
Fernaufklärung zu unterstützen. Auch in der Nahaufklärung werden sie eine



*) Die Franzosen sagen für den Ballon I^ü.rio.
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[0494] Ole Notorluftschiffahrt der modernen Heere „Ville de Paris" sehr ähnlich sind „Bayard Element" mit 15 Metern Sekuudcu- geschwindigkeit und „Ville de Bordeaux", die wohl von der Regierung über¬ nommen werden, da ein drittes Luftschiff dieser Art, „Colonel Renard", von ihr in Auftrag gegeben worden ist. Der Ville de Paristyp ist feldmäßiger montierbar als der Patrietyp. Nachdem in Nußland die eignen ziemlich kläglichen Versuche mit einem Halbstarren Luftschiff von 1500 Kubikmeter» und einem Motor von nur 16 ?L, wie zu erwarten stand, mißlungen sind, ist nunmehr ein Lenkballon mit nur einem 90 ?8-Motor von 61 Metern Länge, 11 Metern Durchmesser und 4000 Kubikmetern Fassungsvermögen in der Form der „Republique" bei den französischen Lebandywerken in Auftrag gegeben worden, der im Frühjahr ab¬ geliefert wird. Die auf ihn gesetzten Hoffnungen erscheinen übermäßig groß. Italien ist in der letzten Zeit selbständig zu einer Konstruktion gelangt. Die Hauptleute Riraldoni und Croccv haben ein zigarrenförmiges, an einem Ende scharf zugespitztes Luftschiff starren Systems gebaut, das von der Heeres¬ verwaltung für 120000 Lire erworben worden ist. Außerdem sind drei Luft¬ schiffe gleicher Art in Auftrag gegeben worden, die schon in den Herbst¬ übungen 1909 Verwendung finden sollen. Innerhalb von zwei Jahren sollen im ganzen zwölf Fahrzeuge fertiggestellt sein. Dem ersten sehr kleinen Ver¬ suchsballon sollen größere von 5000 Kubikmeter» folgen. Die äußere Form wird durch einen besonders angeordneten, gleichmäßig auf die ganze Oberfläche verteilten Druck der Gondel erhalten. In Österreich ist mau zu der richtigen Ansicht gekommen, daß Luft¬ schiffe den Flugmaschine» zurzeit noch überlegen sind. Das Privatkapital ist endlich so weit interessiert, daß die Ausführung eines Militärballons auf Grund eines der vorhandnen brauchbaren Entwürfe durch ein Syndikat im Gange ist. Näheres ist noch unbekannt. England hat nach dein Verlust des „nulli secmnclus" (Patrietyp) noch kein brauchbares Motorluftschiff wieder geschaffen. Das Interesse scheint sich mehr den Flugmaschinen zuzuwenden. Das deutsche Militärluftschiff „Groß II" (60:11 Meter, 4500 Kubik¬ meter) ähnelt der „Patrie"*), nur mit den wesentlichen Unterschieden, daß es zwei in der Gondel nebeneinanderstehende Motore hat, und daß die beiden Propeller am Versteifungsgerüst fast genau im Widerstandszentrum ange¬ bracht sind. Die Stabilität ist vortrefflich. Der Ballon hat am 11. Sep¬ tember 1908 in dreizehn Stunden 300 Kilometer bei Windstärken von 7 bis 12 Metern zurückgelegt. Die Geschwindigkeit läßt sich sicher noch durch er¬ höhte Motorleistung oder verbesserten Wirkungsgrad der Propeller steigern. Es scheint, daß die „Große" berufen sein werden, die „Zeppeline" in der Fernaufklärung zu unterstützen. Auch in der Nahaufklärung werden sie eine *) Die Franzosen sagen für den Ballon I^ü.rio.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/494>, abgerufen am 26.06.2024.