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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die Motorlustschiffahrt der modernen Heere

in erster Linie berufen, das neue für Privatzwecke noch zu unrentable Verkehrs¬
mittel durch die Praxis auszugestalten und allmählich weitern Kreisen zuzuführen,
ähnlich wie es mit der Verwendung von Lastkraftwagen geschieht.

Als wichtigstes Ergebnis aller Versuche ist festzustellen, daß mit der Tüchtig¬
keit des Motors die Brauchbarkeit jedes Luftschiffes und jeder Flugmaschine
steigt und füllt. In höchstem Maße leistungsfähig und unbedingt betriebssicher
muß jeder Luftmotor sein und dabei so leicht, als die zuerst genannten Be¬
dingungen es nur irgend zulasse". Gewöhnliche Automobilmotore haben nicht
die notwendige enorme Dauerleistnng. Das Gewicht des Motors mit allen
Teilen soll nicht unter 2^ Kilogramm auf die ?8 heruntergehn. Die märchen¬
haft leichten Motore, von denen die Tagespresse berichtet, sind sehr mit Vorsicht
zu beurteilen; die erfolgreichen Luftschiffer verwenden sie nicht. Von dem Motor
hängt die Eigengeschwindigkeit ab, je größer diese ist, um so unbedingter ist
die Lenkbarkeit in allen Höhenlagen und bei allen Windstärken, um so größer
ist auch die Sicherheit, da sich ein Luftschiff nur durch Schnelligkeit der Be¬
schießung durch automobile Ballongeschütze, die alle von Luftschiffer erreichbaren
Höhen bestreichen, entziehen kann. Nur in Deutschland hält man richtigerweise
für Luftschiffe zwei Motore für notwendig, jeden zu etwa 90 ?L. Für Flug¬
maschinen ist die Erfüllung dieser Forderung leider nicht möglich, falls man
nicht, wie es teilweise geschieht, auf Kosten der Betriebssicherheit das Gewicht
herabsetzt.

Von den drei Systemen hat das Halbstarre die meisten Anhänger, obwohl
das im Parsevalthp am idealsten verkörperte unstarre System für militärische
Zwecke am geeignetsten scheint.

Der einzige Vertreter des starren Systems ist bis jetzt der Zeppelin¬
ballon geblieben. Der vom Staat im November 1908 erworbne "Zeppelin I"
hat 136 Meter Länge, 11,7 Meter Durchmesser. Der Erfinder hat gleichsam
zwei Luftschiffe der gebräuchliche" Abmessungen hintereinandergefügt, um den
für den Auftrieb notwendigen Gasraum von 12500 Kubikmetern zu erhalten,
ohne den Stirnwiderstand zu erhöhen. Diese Länge, die zwei Gondeln und
der starre Bau gewähren große Stabilität und zweckmäßige Anbringung der
Lenkvorrichtungen. Der Antrieb erfolgt durch zwei Benzinmotore von etwa
85 Die Sekundengeschwindigkeit beträgt 15 Meter, die größte erreichte
Fahrtdauer hat 750 Kilometer gemessen. Die Höhensteuerung erfolgt auf
dynamischen Wege unter starker Inanspruchnahme der beiden Motore. Die
atmosphärischen Einflüsse sind bedeutend. Durch Wechsel der Höhenlage und
Temperatur verlor der Ballon bei der großen Fahrt etwa 12 Prozent Gas
-- 2000 Kilogramm Tragkraft bis zum Abend. Nur durch dynamische Kraft
konnte der Verlust ausgeglichen werden. Diese fehlte aber, da der eine Motor
versagte. In dem Raum zwischen den in Abteilungen eingeschloßnen siebzehn
Gasballvns und der umgebenden, starr gespannten Ballonhülle befindet sich
freier Raum, worin sich bei Ziehen des Ventils durch die Vermischung von


Die Motorlustschiffahrt der modernen Heere

in erster Linie berufen, das neue für Privatzwecke noch zu unrentable Verkehrs¬
mittel durch die Praxis auszugestalten und allmählich weitern Kreisen zuzuführen,
ähnlich wie es mit der Verwendung von Lastkraftwagen geschieht.

Als wichtigstes Ergebnis aller Versuche ist festzustellen, daß mit der Tüchtig¬
keit des Motors die Brauchbarkeit jedes Luftschiffes und jeder Flugmaschine
steigt und füllt. In höchstem Maße leistungsfähig und unbedingt betriebssicher
muß jeder Luftmotor sein und dabei so leicht, als die zuerst genannten Be¬
dingungen es nur irgend zulasse». Gewöhnliche Automobilmotore haben nicht
die notwendige enorme Dauerleistnng. Das Gewicht des Motors mit allen
Teilen soll nicht unter 2^ Kilogramm auf die ?8 heruntergehn. Die märchen¬
haft leichten Motore, von denen die Tagespresse berichtet, sind sehr mit Vorsicht
zu beurteilen; die erfolgreichen Luftschiffer verwenden sie nicht. Von dem Motor
hängt die Eigengeschwindigkeit ab, je größer diese ist, um so unbedingter ist
die Lenkbarkeit in allen Höhenlagen und bei allen Windstärken, um so größer
ist auch die Sicherheit, da sich ein Luftschiff nur durch Schnelligkeit der Be¬
schießung durch automobile Ballongeschütze, die alle von Luftschiffer erreichbaren
Höhen bestreichen, entziehen kann. Nur in Deutschland hält man richtigerweise
für Luftschiffe zwei Motore für notwendig, jeden zu etwa 90 ?L. Für Flug¬
maschinen ist die Erfüllung dieser Forderung leider nicht möglich, falls man
nicht, wie es teilweise geschieht, auf Kosten der Betriebssicherheit das Gewicht
herabsetzt.

Von den drei Systemen hat das Halbstarre die meisten Anhänger, obwohl
das im Parsevalthp am idealsten verkörperte unstarre System für militärische
Zwecke am geeignetsten scheint.

Der einzige Vertreter des starren Systems ist bis jetzt der Zeppelin¬
ballon geblieben. Der vom Staat im November 1908 erworbne „Zeppelin I"
hat 136 Meter Länge, 11,7 Meter Durchmesser. Der Erfinder hat gleichsam
zwei Luftschiffe der gebräuchliche» Abmessungen hintereinandergefügt, um den
für den Auftrieb notwendigen Gasraum von 12500 Kubikmetern zu erhalten,
ohne den Stirnwiderstand zu erhöhen. Diese Länge, die zwei Gondeln und
der starre Bau gewähren große Stabilität und zweckmäßige Anbringung der
Lenkvorrichtungen. Der Antrieb erfolgt durch zwei Benzinmotore von etwa
85 Die Sekundengeschwindigkeit beträgt 15 Meter, die größte erreichte
Fahrtdauer hat 750 Kilometer gemessen. Die Höhensteuerung erfolgt auf
dynamischen Wege unter starker Inanspruchnahme der beiden Motore. Die
atmosphärischen Einflüsse sind bedeutend. Durch Wechsel der Höhenlage und
Temperatur verlor der Ballon bei der großen Fahrt etwa 12 Prozent Gas
— 2000 Kilogramm Tragkraft bis zum Abend. Nur durch dynamische Kraft
konnte der Verlust ausgeglichen werden. Diese fehlte aber, da der eine Motor
versagte. In dem Raum zwischen den in Abteilungen eingeschloßnen siebzehn
Gasballvns und der umgebenden, starr gespannten Ballonhülle befindet sich
freier Raum, worin sich bei Ziehen des Ventils durch die Vermischung von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/492>, abgerufen am 12.12.2024.