Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
tvildenbruchs erster dramatischer Brfotg

Flammen gesprochen wurde, als der Germanenfürst zu früh auf die Bühne stürzte
und seinen Irrtum erkennend schleunigst wieder hinter die Kulissen lief, als der
Faden verloren war, als sich Römer und Germanen auf der Bühne verwundert
anglotzten und sich verlegen anstießen, da wieherte das Publikum vor Wonne.

Vom "Amphibientheater" brüllte eine Stimme: Hat denn keener nich
faule Äppel hier? Der Angstschweiß trat uns auf die Stirn. Also auch das
noch für all die Liebe -- der Vorhang mußte fallen. Lärmend verließ das
Publikum das Theater.

Der Dichter kam atemlos und bleich aus seiner Loge auf die Bühne gestürzt:
Das Publikum hat -- gelacht; wenn das morgen -- auch passiert, bin ich ver¬
loren I -- Was machen wir nur? -- Sagen Sie, was machen wir nur?

Der Regisseur kratzte sich schmunzelnd hinterm Ohr. Habe ich Ihnen
das nicht vorher gesagt? Nichts ist schwieriger als eine Kampfesszene! Aber
es ist richtig -- so darf es morgen nicht wieder gehen.

Die Germanen und Römer wurden am nächsten Vormittag noch ein¬
mal ordentlich gedrillt und ihnen das bühnenmäßige Schreien, Fechten und
Sterben gründlich beigebracht. Und in der Tat siel nun die Hauptaufführung
glänzend aus.

Der alte Kaiser war wirklich erschienen und von einer großen Zahl von
Chargierten feierlich empfangen worden. Er blieb bis zum Schluß der Vor¬
stellung in seiner Loge und verfolgte das Spiel der Studenten mit sichtlicher
Aufmerksamkeit. Den ältesten der Komiteemitglieder geruhte der Kaiser zu
sich zu befehlen; er sprach seine volle Anerkennung über die Leistungen aus.
Das Kriegslager sei vortrefflich gewesen, und auch das letzte Stück habe ihm
sehr gut gefallen, besonders der Cethegus. Selbst van Hell erhielt etwas von
dem kaiserlichen Wohlwollen ab, obgleich er wenig für uns getan hatte.
Jedenfalls war dies das erste und auch wohl das einzigemal, daß Kaiser
Wilhelm das Nationaltheater besucht hatte.

Die Stimmung unter den Spielern war, wie man sich leicht vorstellen
kann, nach solchem unerwarteten Erfolg äußerst gehoben. Wildenbruch glühte
vor Wonne und hätte uns alle umarmen mögen. Die in der Presse er¬
schienenen Besprechungen gingen zwar mit gnädiger Herablassung über unsre
Aufführung und über Wildenbruchs Stück zur Tagesordnung über, wobei sie
ihre Verwundrung über unsre Premiere nicht unterdrücken konnten. Aber der
Dichter hatte unsre Herzen durch seine persönliche Liebenswürdigkeit wie durch
seinen genialen Schwung erobert, und das galt ihm mehr. Er mochte ahnen,
daß dieser Abend die eigentliche Geburtsstunde seiner dramatischen Muse, die
erste Stufe seiner Erfolge gewesen war.




tvildenbruchs erster dramatischer Brfotg

Flammen gesprochen wurde, als der Germanenfürst zu früh auf die Bühne stürzte
und seinen Irrtum erkennend schleunigst wieder hinter die Kulissen lief, als der
Faden verloren war, als sich Römer und Germanen auf der Bühne verwundert
anglotzten und sich verlegen anstießen, da wieherte das Publikum vor Wonne.

Vom „Amphibientheater" brüllte eine Stimme: Hat denn keener nich
faule Äppel hier? Der Angstschweiß trat uns auf die Stirn. Also auch das
noch für all die Liebe — der Vorhang mußte fallen. Lärmend verließ das
Publikum das Theater.

Der Dichter kam atemlos und bleich aus seiner Loge auf die Bühne gestürzt:
Das Publikum hat — gelacht; wenn das morgen — auch passiert, bin ich ver¬
loren I — Was machen wir nur? — Sagen Sie, was machen wir nur?

Der Regisseur kratzte sich schmunzelnd hinterm Ohr. Habe ich Ihnen
das nicht vorher gesagt? Nichts ist schwieriger als eine Kampfesszene! Aber
es ist richtig — so darf es morgen nicht wieder gehen.

Die Germanen und Römer wurden am nächsten Vormittag noch ein¬
mal ordentlich gedrillt und ihnen das bühnenmäßige Schreien, Fechten und
Sterben gründlich beigebracht. Und in der Tat siel nun die Hauptaufführung
glänzend aus.

Der alte Kaiser war wirklich erschienen und von einer großen Zahl von
Chargierten feierlich empfangen worden. Er blieb bis zum Schluß der Vor¬
stellung in seiner Loge und verfolgte das Spiel der Studenten mit sichtlicher
Aufmerksamkeit. Den ältesten der Komiteemitglieder geruhte der Kaiser zu
sich zu befehlen; er sprach seine volle Anerkennung über die Leistungen aus.
Das Kriegslager sei vortrefflich gewesen, und auch das letzte Stück habe ihm
sehr gut gefallen, besonders der Cethegus. Selbst van Hell erhielt etwas von
dem kaiserlichen Wohlwollen ab, obgleich er wenig für uns getan hatte.
Jedenfalls war dies das erste und auch wohl das einzigemal, daß Kaiser
Wilhelm das Nationaltheater besucht hatte.

Die Stimmung unter den Spielern war, wie man sich leicht vorstellen
kann, nach solchem unerwarteten Erfolg äußerst gehoben. Wildenbruch glühte
vor Wonne und hätte uns alle umarmen mögen. Die in der Presse er¬
schienenen Besprechungen gingen zwar mit gnädiger Herablassung über unsre
Aufführung und über Wildenbruchs Stück zur Tagesordnung über, wobei sie
ihre Verwundrung über unsre Premiere nicht unterdrücken konnten. Aber der
Dichter hatte unsre Herzen durch seine persönliche Liebenswürdigkeit wie durch
seinen genialen Schwung erobert, und das galt ihm mehr. Er mochte ahnen,
daß dieser Abend die eigentliche Geburtsstunde seiner dramatischen Muse, die
erste Stufe seiner Erfolge gewesen war.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0306" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312657"/>
          <fw type="header" place="top"> tvildenbruchs erster dramatischer Brfotg</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1165" prev="#ID_1164"> Flammen gesprochen wurde, als der Germanenfürst zu früh auf die Bühne stürzte<lb/>
und seinen Irrtum erkennend schleunigst wieder hinter die Kulissen lief, als der<lb/>
Faden verloren war, als sich Römer und Germanen auf der Bühne verwundert<lb/>
anglotzten und sich verlegen anstießen, da wieherte das Publikum vor Wonne.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1166"> Vom &#x201E;Amphibientheater" brüllte eine Stimme: Hat denn keener nich<lb/>
faule Äppel hier? Der Angstschweiß trat uns auf die Stirn. Also auch das<lb/>
noch für all die Liebe &#x2014; der Vorhang mußte fallen. Lärmend verließ das<lb/>
Publikum das Theater.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1167"> Der Dichter kam atemlos und bleich aus seiner Loge auf die Bühne gestürzt:<lb/>
Das Publikum hat &#x2014; gelacht; wenn das morgen &#x2014; auch passiert, bin ich ver¬<lb/>
loren I &#x2014; Was machen wir nur? &#x2014; Sagen Sie, was machen wir nur?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1168"> Der Regisseur kratzte sich schmunzelnd hinterm Ohr. Habe ich Ihnen<lb/>
das nicht vorher gesagt? Nichts ist schwieriger als eine Kampfesszene! Aber<lb/>
es ist richtig &#x2014; so darf es morgen nicht wieder gehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1169"> Die Germanen und Römer wurden am nächsten Vormittag noch ein¬<lb/>
mal ordentlich gedrillt und ihnen das bühnenmäßige Schreien, Fechten und<lb/>
Sterben gründlich beigebracht. Und in der Tat siel nun die Hauptaufführung<lb/>
glänzend aus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1170"> Der alte Kaiser war wirklich erschienen und von einer großen Zahl von<lb/>
Chargierten feierlich empfangen worden. Er blieb bis zum Schluß der Vor¬<lb/>
stellung in seiner Loge und verfolgte das Spiel der Studenten mit sichtlicher<lb/>
Aufmerksamkeit. Den ältesten der Komiteemitglieder geruhte der Kaiser zu<lb/>
sich zu befehlen; er sprach seine volle Anerkennung über die Leistungen aus.<lb/>
Das Kriegslager sei vortrefflich gewesen, und auch das letzte Stück habe ihm<lb/>
sehr gut gefallen, besonders der Cethegus. Selbst van Hell erhielt etwas von<lb/>
dem kaiserlichen Wohlwollen ab, obgleich er wenig für uns getan hatte.<lb/>
Jedenfalls war dies das erste und auch wohl das einzigemal, daß Kaiser<lb/>
Wilhelm das Nationaltheater besucht hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1171"> Die Stimmung unter den Spielern war, wie man sich leicht vorstellen<lb/>
kann, nach solchem unerwarteten Erfolg äußerst gehoben. Wildenbruch glühte<lb/>
vor Wonne und hätte uns alle umarmen mögen. Die in der Presse er¬<lb/>
schienenen Besprechungen gingen zwar mit gnädiger Herablassung über unsre<lb/>
Aufführung und über Wildenbruchs Stück zur Tagesordnung über, wobei sie<lb/>
ihre Verwundrung über unsre Premiere nicht unterdrücken konnten. Aber der<lb/>
Dichter hatte unsre Herzen durch seine persönliche Liebenswürdigkeit wie durch<lb/>
seinen genialen Schwung erobert, und das galt ihm mehr. Er mochte ahnen,<lb/>
daß dieser Abend die eigentliche Geburtsstunde seiner dramatischen Muse, die<lb/>
erste Stufe seiner Erfolge gewesen war.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0306] tvildenbruchs erster dramatischer Brfotg Flammen gesprochen wurde, als der Germanenfürst zu früh auf die Bühne stürzte und seinen Irrtum erkennend schleunigst wieder hinter die Kulissen lief, als der Faden verloren war, als sich Römer und Germanen auf der Bühne verwundert anglotzten und sich verlegen anstießen, da wieherte das Publikum vor Wonne. Vom „Amphibientheater" brüllte eine Stimme: Hat denn keener nich faule Äppel hier? Der Angstschweiß trat uns auf die Stirn. Also auch das noch für all die Liebe — der Vorhang mußte fallen. Lärmend verließ das Publikum das Theater. Der Dichter kam atemlos und bleich aus seiner Loge auf die Bühne gestürzt: Das Publikum hat — gelacht; wenn das morgen — auch passiert, bin ich ver¬ loren I — Was machen wir nur? — Sagen Sie, was machen wir nur? Der Regisseur kratzte sich schmunzelnd hinterm Ohr. Habe ich Ihnen das nicht vorher gesagt? Nichts ist schwieriger als eine Kampfesszene! Aber es ist richtig — so darf es morgen nicht wieder gehen. Die Germanen und Römer wurden am nächsten Vormittag noch ein¬ mal ordentlich gedrillt und ihnen das bühnenmäßige Schreien, Fechten und Sterben gründlich beigebracht. Und in der Tat siel nun die Hauptaufführung glänzend aus. Der alte Kaiser war wirklich erschienen und von einer großen Zahl von Chargierten feierlich empfangen worden. Er blieb bis zum Schluß der Vor¬ stellung in seiner Loge und verfolgte das Spiel der Studenten mit sichtlicher Aufmerksamkeit. Den ältesten der Komiteemitglieder geruhte der Kaiser zu sich zu befehlen; er sprach seine volle Anerkennung über die Leistungen aus. Das Kriegslager sei vortrefflich gewesen, und auch das letzte Stück habe ihm sehr gut gefallen, besonders der Cethegus. Selbst van Hell erhielt etwas von dem kaiserlichen Wohlwollen ab, obgleich er wenig für uns getan hatte. Jedenfalls war dies das erste und auch wohl das einzigemal, daß Kaiser Wilhelm das Nationaltheater besucht hatte. Die Stimmung unter den Spielern war, wie man sich leicht vorstellen kann, nach solchem unerwarteten Erfolg äußerst gehoben. Wildenbruch glühte vor Wonne und hätte uns alle umarmen mögen. Die in der Presse er¬ schienenen Besprechungen gingen zwar mit gnädiger Herablassung über unsre Aufführung und über Wildenbruchs Stück zur Tagesordnung über, wobei sie ihre Verwundrung über unsre Premiere nicht unterdrücken konnten. Aber der Dichter hatte unsre Herzen durch seine persönliche Liebenswürdigkeit wie durch seinen genialen Schwung erobert, und das galt ihm mehr. Er mochte ahnen, daß dieser Abend die eigentliche Geburtsstunde seiner dramatischen Muse, die erste Stufe seiner Erfolge gewesen war.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/306
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/306>, abgerufen am 12.12.2024.