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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die gegenwärtige militärische Lage Ästerreich-Ungarns gegen Serbien und Montenegro

stellen ging so weit, daß aus der Danksagung der mit Weihnachtsspenden be¬
dachten Truppen die genaue Kriegsgliederung des fünfzehnten Korps entnommen
werden konnte, die bis dahin streng geheimgehalten worden war. Ein Schul¬
beispiel, wie man es nicht machen soll!

Was nun die militärische Situation Österreich-Ungarns gegenüber
Montenegro betrifft, so gestalten sich hier die Verhältnisse dank der seit der
Okkupations Bosniens und der Herzegowina geschaffnen umfangreichen mili¬
tärischen Einrichtungen wesentlich günstiger als gegenüber Serbien. Die große
Armut an Hilfsquellen in der Herzegowina, das gering entwickelte Kommuni¬
kationsnetz und die äußerst schwierigen Unterknnftsverhältnisse, wie sie noch in
den achtziger Jahren vorlagen, führten zu einer Reihe administrativer Ma߬
nahmen, die auf den Kommunikationsbau und zwar vor allem wieder auf die
Schaffung leistungsfähiger Verbindungen mit der Monarchie (Bahn und Schiff¬
fahrt) hinzielten, auf die Anlage eines möglichst engmaschigen Netzes von guten,
jederzeit benutzbaren Straßen, ferner auf die Sicherung der Benutzung dieser
Kommunikationen und auf die Verbesserung der Wasser- und Hilfsmittelverhält¬
nisse. Zu diesem Zwecke wurden zahlreiche Befestigungen geschaffen.

Diese Befestigungen schaffen gesicherte Lagerräume und Depots für größere
Kräfte, können daher als gesicherte Samuel-, Ausgangs- und Stützpunkte für
Operationen dienen und sind somit als fortifizierte Aufmarschräume zu betrachten.
Da jede der drei Grenzfestungen: Blick, Trebinje, Cattaro mit Garnisonen von
rund 10000 Mann belegt ist, während das Gros der Operationstruppen ge¬
staffelt bis Mostar zurückreicht, ist eine für den Bormarsch in diesem Gelände
sehr zweckmäßige Kräftegliederung schon durch die Garnisonierung gegeben. Die
umfassende Gestaltung der Grenze ermöglicht zudem ein konzentrisches Vorgehn,
wobei als Ausgangsräume Foca, Gacko, Blick, Trebinje, Krivosije, Cattaro,
Budua, Castellas-tua in Frage kommen.

Der eigentümliche Charakter des montenegrinischen Hochgebirges, dessen
Schwierigkeiten durch die meist starke Verkarstung sehr erhöht werden, verlangt
eine besondre Operationsführung und ein besondres taktisches Verfahren, das
überdies durch die nationale Kampfweise des Bergvolks wesentlich beeinflußt
wird. Als österreichisches Operationsziel kommt im allgemeinen die Zeta-Moraca-
niederung von Niksic bis Podgorica in Betracht, sie ist das materielle Kräfte¬
reservoir Montenegros. Wiewohl von der österreichischen Grenze bis zu dieser
Talniederung nicht mehr als 50 Kilometer Luftlinie sind, würde die Gewinnung
des Zetatales doch mindestens eine Woche beanspruchen, da die Marschleistung
von längern Kolonnen in diesem Terrain oft nicht höher als 5 Kilometer pro
Tag ist, was sich aus der Notwendigkeit vorsichtiger Basierung (Errichtung
befestigter Etappenpunkte) und deren ungeheuern Schwierigkeiten (sogar die
einfachsten Bedarfsartikel müssen auf Tragtieren nachgetragen werden, wie
Wasser, Futter für die Tiere usw.) erklärt.

Das jetzige Kräfteaufgebot reicht nur für die Festhaltung der annektierten
Länder und die Niederwerfung einer Insurrektion hin; für die Operationen


Die gegenwärtige militärische Lage Ästerreich-Ungarns gegen Serbien und Montenegro

stellen ging so weit, daß aus der Danksagung der mit Weihnachtsspenden be¬
dachten Truppen die genaue Kriegsgliederung des fünfzehnten Korps entnommen
werden konnte, die bis dahin streng geheimgehalten worden war. Ein Schul¬
beispiel, wie man es nicht machen soll!

Was nun die militärische Situation Österreich-Ungarns gegenüber
Montenegro betrifft, so gestalten sich hier die Verhältnisse dank der seit der
Okkupations Bosniens und der Herzegowina geschaffnen umfangreichen mili¬
tärischen Einrichtungen wesentlich günstiger als gegenüber Serbien. Die große
Armut an Hilfsquellen in der Herzegowina, das gering entwickelte Kommuni¬
kationsnetz und die äußerst schwierigen Unterknnftsverhältnisse, wie sie noch in
den achtziger Jahren vorlagen, führten zu einer Reihe administrativer Ma߬
nahmen, die auf den Kommunikationsbau und zwar vor allem wieder auf die
Schaffung leistungsfähiger Verbindungen mit der Monarchie (Bahn und Schiff¬
fahrt) hinzielten, auf die Anlage eines möglichst engmaschigen Netzes von guten,
jederzeit benutzbaren Straßen, ferner auf die Sicherung der Benutzung dieser
Kommunikationen und auf die Verbesserung der Wasser- und Hilfsmittelverhält¬
nisse. Zu diesem Zwecke wurden zahlreiche Befestigungen geschaffen.

Diese Befestigungen schaffen gesicherte Lagerräume und Depots für größere
Kräfte, können daher als gesicherte Samuel-, Ausgangs- und Stützpunkte für
Operationen dienen und sind somit als fortifizierte Aufmarschräume zu betrachten.
Da jede der drei Grenzfestungen: Blick, Trebinje, Cattaro mit Garnisonen von
rund 10000 Mann belegt ist, während das Gros der Operationstruppen ge¬
staffelt bis Mostar zurückreicht, ist eine für den Bormarsch in diesem Gelände
sehr zweckmäßige Kräftegliederung schon durch die Garnisonierung gegeben. Die
umfassende Gestaltung der Grenze ermöglicht zudem ein konzentrisches Vorgehn,
wobei als Ausgangsräume Foca, Gacko, Blick, Trebinje, Krivosije, Cattaro,
Budua, Castellas-tua in Frage kommen.

Der eigentümliche Charakter des montenegrinischen Hochgebirges, dessen
Schwierigkeiten durch die meist starke Verkarstung sehr erhöht werden, verlangt
eine besondre Operationsführung und ein besondres taktisches Verfahren, das
überdies durch die nationale Kampfweise des Bergvolks wesentlich beeinflußt
wird. Als österreichisches Operationsziel kommt im allgemeinen die Zeta-Moraca-
niederung von Niksic bis Podgorica in Betracht, sie ist das materielle Kräfte¬
reservoir Montenegros. Wiewohl von der österreichischen Grenze bis zu dieser
Talniederung nicht mehr als 50 Kilometer Luftlinie sind, würde die Gewinnung
des Zetatales doch mindestens eine Woche beanspruchen, da die Marschleistung
von längern Kolonnen in diesem Terrain oft nicht höher als 5 Kilometer pro
Tag ist, was sich aus der Notwendigkeit vorsichtiger Basierung (Errichtung
befestigter Etappenpunkte) und deren ungeheuern Schwierigkeiten (sogar die
einfachsten Bedarfsartikel müssen auf Tragtieren nachgetragen werden, wie
Wasser, Futter für die Tiere usw.) erklärt.

Das jetzige Kräfteaufgebot reicht nur für die Festhaltung der annektierten
Länder und die Niederwerfung einer Insurrektion hin; für die Operationen


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[0286] Die gegenwärtige militärische Lage Ästerreich-Ungarns gegen Serbien und Montenegro stellen ging so weit, daß aus der Danksagung der mit Weihnachtsspenden be¬ dachten Truppen die genaue Kriegsgliederung des fünfzehnten Korps entnommen werden konnte, die bis dahin streng geheimgehalten worden war. Ein Schul¬ beispiel, wie man es nicht machen soll! Was nun die militärische Situation Österreich-Ungarns gegenüber Montenegro betrifft, so gestalten sich hier die Verhältnisse dank der seit der Okkupations Bosniens und der Herzegowina geschaffnen umfangreichen mili¬ tärischen Einrichtungen wesentlich günstiger als gegenüber Serbien. Die große Armut an Hilfsquellen in der Herzegowina, das gering entwickelte Kommuni¬ kationsnetz und die äußerst schwierigen Unterknnftsverhältnisse, wie sie noch in den achtziger Jahren vorlagen, führten zu einer Reihe administrativer Ma߬ nahmen, die auf den Kommunikationsbau und zwar vor allem wieder auf die Schaffung leistungsfähiger Verbindungen mit der Monarchie (Bahn und Schiff¬ fahrt) hinzielten, auf die Anlage eines möglichst engmaschigen Netzes von guten, jederzeit benutzbaren Straßen, ferner auf die Sicherung der Benutzung dieser Kommunikationen und auf die Verbesserung der Wasser- und Hilfsmittelverhält¬ nisse. Zu diesem Zwecke wurden zahlreiche Befestigungen geschaffen. Diese Befestigungen schaffen gesicherte Lagerräume und Depots für größere Kräfte, können daher als gesicherte Samuel-, Ausgangs- und Stützpunkte für Operationen dienen und sind somit als fortifizierte Aufmarschräume zu betrachten. Da jede der drei Grenzfestungen: Blick, Trebinje, Cattaro mit Garnisonen von rund 10000 Mann belegt ist, während das Gros der Operationstruppen ge¬ staffelt bis Mostar zurückreicht, ist eine für den Bormarsch in diesem Gelände sehr zweckmäßige Kräftegliederung schon durch die Garnisonierung gegeben. Die umfassende Gestaltung der Grenze ermöglicht zudem ein konzentrisches Vorgehn, wobei als Ausgangsräume Foca, Gacko, Blick, Trebinje, Krivosije, Cattaro, Budua, Castellas-tua in Frage kommen. Der eigentümliche Charakter des montenegrinischen Hochgebirges, dessen Schwierigkeiten durch die meist starke Verkarstung sehr erhöht werden, verlangt eine besondre Operationsführung und ein besondres taktisches Verfahren, das überdies durch die nationale Kampfweise des Bergvolks wesentlich beeinflußt wird. Als österreichisches Operationsziel kommt im allgemeinen die Zeta-Moraca- niederung von Niksic bis Podgorica in Betracht, sie ist das materielle Kräfte¬ reservoir Montenegros. Wiewohl von der österreichischen Grenze bis zu dieser Talniederung nicht mehr als 50 Kilometer Luftlinie sind, würde die Gewinnung des Zetatales doch mindestens eine Woche beanspruchen, da die Marschleistung von längern Kolonnen in diesem Terrain oft nicht höher als 5 Kilometer pro Tag ist, was sich aus der Notwendigkeit vorsichtiger Basierung (Errichtung befestigter Etappenpunkte) und deren ungeheuern Schwierigkeiten (sogar die einfachsten Bedarfsartikel müssen auf Tragtieren nachgetragen werden, wie Wasser, Futter für die Tiere usw.) erklärt. Das jetzige Kräfteaufgebot reicht nur für die Festhaltung der annektierten Länder und die Niederwerfung einer Insurrektion hin; für die Operationen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/286>, abgerufen am 23.07.2024.