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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Der Parnassus in Neusiedel

Wir dürfen annehmen, daß Wenzel Holm als Dramaturg und Dichter ganz
auf feiten der Modernen stand. Was hat ein moderner Dramaturg auch mit Werken
zu tun, die schon in der Literaturgeschichte ihre Stelle haben! Er war viel im Theater
beschäftigt, er kam spät am Abend nach Hause oder auch gar nicht, er unternahm
Reisen, um auswärtige Theater zu besuchen, er studierte mit Mucki Buttervogel
Rollen ein. Alles dies war mit seinem Berufe als Dramaturg untrennbar ver¬
bunden und durchaus nötig.

Frau Luzie verlebte ihre Tage in Angst und trüben Gedanken. Sie erfuhr
durch Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen von dem, was ihr Mann trieb,
genug, um alle ihre Befürchtungen bestätigt zu finden. Sie zürnte nicht, sie klagte,
sie machte ihrem Manne keine häuslichen Szenen, aber sie hörte nicht auf zu bitten,
Wenzel möchte doch bei ihr und den Kindern bleiben. Und sie erfuhr unwillige
Abweisung: Was willst du eigentlich? Bin ich nicht hier? Soll ich deinetwegen
von früh bis zum Abend zu Haus sitzen? Soll ich auf das ehrenvolle Amt, das
man mir übertragen hat, verzichten? Soll ich nicht den Flug wagen, der mich
emportragen soll bis in die Sphäre der großen Männer Deutschlands? Sollen
Frau und Kind die Last sein, die mich an diese jämmerliche, tote, philiströse Welt
kettet? Siehst du das nicht selber ein? Verstehst du nicht, daß das Leben Ent¬
sagung bedeutet? Auch die Frau des Dichters muß entsagen können.

Nein, rief Frau Luzie in Tränen ausbrechend, ich entsage nicht. Du hast
mir am Altare dein Wort gegeben, wir haben unser Leben unlösbar cmeinander-
geknüpft, du gehörst als Vater zu deinen Kindern. Ach, lieber Wenzel, geh nicht
weiter, laß ab von dem gefährlichen Wege, den dn eingeschlagen hast. Laß dich
nicht gefangennehmen von jenem Wesen, das deiner nicht würdig ist, das kein
Herz für dich hat, und das dich und uns alle unglücklich machen wird.

Wesen? fragte Wenzel Holm etwas unsicher, was für ein Wesen?

Diese verächtliche Kreatur, rief Frau Luzie, leidenschaftlich werdend, diese Mucki
Buttervogel, mit der du Rollen einstudierst, mit der du verreisest.

Ha! das war fatal. Luzie war unterrichtet. Da aber Wenzel Holm ein
streitbarer und wortgewandter Mann war, und da er wußte, daß der Angriff die
beste Verteidigung sei, legte er seine Stirn in finstere Falten, brach in sittliche
Entrüstung aus und rief: Wie? Was höre ich? Du hast mich beobachtet? Du
hast Spione an meine Ferse geheftet? Du hältst es für recht, hinter meinem Rücken
gegen mich zu konspirieren?

Nein, Wenzel, nein, rief Frau Luzie, die Hände ringend, aber die ganze Stadt
weiß, was du treibst, und auf mich und deine Kinder weisen sie mit Fingern.

Die Stadt! erwiderte Wenzel Holm mit verächtlichen! Tone. Glaubst dn denn
alles, was man in der Stadt redet?

Kannst du es denn leugnen? rief Frau Luzie. Wenzel, sieh mir in die Augen
und sage, daß es nicht wahr ist, was man über dich und diese Mucki Buttervogel
sagt, und ich will dir glauben und will dir auf den Knien danken.

Der Dichter geriet in Verlegenheit. Am liebsten wäre er davongegangen,
aber das wäre gegen die Mannesehre gewesen. Er konnte unmöglich hier das
Feld räumen, wenigstens nicht ohne die Diskussion rin einem kräftigen Trumpfe
zu schließen, und den hatte er leider nicht zur Hand. Luzie, sagte er, du mußt
doch einsehen, ein Dichter -- hin! -- ein Dichter kann sich nicht an die enge
Moral kleinbürgerlicher Anschauung binden. Ein Dichter muß die Höhen und Tiefen
des Menschenlebens studieren. Die Menschenseele ist der Ton des Dichters. Daß
er diesen Ton forme, darf die Frau des Dichters ihrem Manne ebensowenig wehren,
als es die Frau des Bildhauers übelnehmen darf, wenn in der Werkstatt ihres
Mannes Modelle aus- und eingehn. Wenn in dem Herzen des Dichters ein neues
Frühlingsleben aufleimt, aus dem eine goldne Frucht für die Kunst der Gewini,


Der Parnassus in Neusiedel

Wir dürfen annehmen, daß Wenzel Holm als Dramaturg und Dichter ganz
auf feiten der Modernen stand. Was hat ein moderner Dramaturg auch mit Werken
zu tun, die schon in der Literaturgeschichte ihre Stelle haben! Er war viel im Theater
beschäftigt, er kam spät am Abend nach Hause oder auch gar nicht, er unternahm
Reisen, um auswärtige Theater zu besuchen, er studierte mit Mucki Buttervogel
Rollen ein. Alles dies war mit seinem Berufe als Dramaturg untrennbar ver¬
bunden und durchaus nötig.

Frau Luzie verlebte ihre Tage in Angst und trüben Gedanken. Sie erfuhr
durch Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen von dem, was ihr Mann trieb,
genug, um alle ihre Befürchtungen bestätigt zu finden. Sie zürnte nicht, sie klagte,
sie machte ihrem Manne keine häuslichen Szenen, aber sie hörte nicht auf zu bitten,
Wenzel möchte doch bei ihr und den Kindern bleiben. Und sie erfuhr unwillige
Abweisung: Was willst du eigentlich? Bin ich nicht hier? Soll ich deinetwegen
von früh bis zum Abend zu Haus sitzen? Soll ich auf das ehrenvolle Amt, das
man mir übertragen hat, verzichten? Soll ich nicht den Flug wagen, der mich
emportragen soll bis in die Sphäre der großen Männer Deutschlands? Sollen
Frau und Kind die Last sein, die mich an diese jämmerliche, tote, philiströse Welt
kettet? Siehst du das nicht selber ein? Verstehst du nicht, daß das Leben Ent¬
sagung bedeutet? Auch die Frau des Dichters muß entsagen können.

Nein, rief Frau Luzie in Tränen ausbrechend, ich entsage nicht. Du hast
mir am Altare dein Wort gegeben, wir haben unser Leben unlösbar cmeinander-
geknüpft, du gehörst als Vater zu deinen Kindern. Ach, lieber Wenzel, geh nicht
weiter, laß ab von dem gefährlichen Wege, den dn eingeschlagen hast. Laß dich
nicht gefangennehmen von jenem Wesen, das deiner nicht würdig ist, das kein
Herz für dich hat, und das dich und uns alle unglücklich machen wird.

Wesen? fragte Wenzel Holm etwas unsicher, was für ein Wesen?

Diese verächtliche Kreatur, rief Frau Luzie, leidenschaftlich werdend, diese Mucki
Buttervogel, mit der du Rollen einstudierst, mit der du verreisest.

Ha! das war fatal. Luzie war unterrichtet. Da aber Wenzel Holm ein
streitbarer und wortgewandter Mann war, und da er wußte, daß der Angriff die
beste Verteidigung sei, legte er seine Stirn in finstere Falten, brach in sittliche
Entrüstung aus und rief: Wie? Was höre ich? Du hast mich beobachtet? Du
hast Spione an meine Ferse geheftet? Du hältst es für recht, hinter meinem Rücken
gegen mich zu konspirieren?

Nein, Wenzel, nein, rief Frau Luzie, die Hände ringend, aber die ganze Stadt
weiß, was du treibst, und auf mich und deine Kinder weisen sie mit Fingern.

Die Stadt! erwiderte Wenzel Holm mit verächtlichen! Tone. Glaubst dn denn
alles, was man in der Stadt redet?

Kannst du es denn leugnen? rief Frau Luzie. Wenzel, sieh mir in die Augen
und sage, daß es nicht wahr ist, was man über dich und diese Mucki Buttervogel
sagt, und ich will dir glauben und will dir auf den Knien danken.

Der Dichter geriet in Verlegenheit. Am liebsten wäre er davongegangen,
aber das wäre gegen die Mannesehre gewesen. Er konnte unmöglich hier das
Feld räumen, wenigstens nicht ohne die Diskussion rin einem kräftigen Trumpfe
zu schließen, und den hatte er leider nicht zur Hand. Luzie, sagte er, du mußt
doch einsehen, ein Dichter — hin! — ein Dichter kann sich nicht an die enge
Moral kleinbürgerlicher Anschauung binden. Ein Dichter muß die Höhen und Tiefen
des Menschenlebens studieren. Die Menschenseele ist der Ton des Dichters. Daß
er diesen Ton forme, darf die Frau des Dichters ihrem Manne ebensowenig wehren,
als es die Frau des Bildhauers übelnehmen darf, wenn in der Werkstatt ihres
Mannes Modelle aus- und eingehn. Wenn in dem Herzen des Dichters ein neues
Frühlingsleben aufleimt, aus dem eine goldne Frucht für die Kunst der Gewini,


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[0271] Der Parnassus in Neusiedel Wir dürfen annehmen, daß Wenzel Holm als Dramaturg und Dichter ganz auf feiten der Modernen stand. Was hat ein moderner Dramaturg auch mit Werken zu tun, die schon in der Literaturgeschichte ihre Stelle haben! Er war viel im Theater beschäftigt, er kam spät am Abend nach Hause oder auch gar nicht, er unternahm Reisen, um auswärtige Theater zu besuchen, er studierte mit Mucki Buttervogel Rollen ein. Alles dies war mit seinem Berufe als Dramaturg untrennbar ver¬ bunden und durchaus nötig. Frau Luzie verlebte ihre Tage in Angst und trüben Gedanken. Sie erfuhr durch Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen von dem, was ihr Mann trieb, genug, um alle ihre Befürchtungen bestätigt zu finden. Sie zürnte nicht, sie klagte, sie machte ihrem Manne keine häuslichen Szenen, aber sie hörte nicht auf zu bitten, Wenzel möchte doch bei ihr und den Kindern bleiben. Und sie erfuhr unwillige Abweisung: Was willst du eigentlich? Bin ich nicht hier? Soll ich deinetwegen von früh bis zum Abend zu Haus sitzen? Soll ich auf das ehrenvolle Amt, das man mir übertragen hat, verzichten? Soll ich nicht den Flug wagen, der mich emportragen soll bis in die Sphäre der großen Männer Deutschlands? Sollen Frau und Kind die Last sein, die mich an diese jämmerliche, tote, philiströse Welt kettet? Siehst du das nicht selber ein? Verstehst du nicht, daß das Leben Ent¬ sagung bedeutet? Auch die Frau des Dichters muß entsagen können. Nein, rief Frau Luzie in Tränen ausbrechend, ich entsage nicht. Du hast mir am Altare dein Wort gegeben, wir haben unser Leben unlösbar cmeinander- geknüpft, du gehörst als Vater zu deinen Kindern. Ach, lieber Wenzel, geh nicht weiter, laß ab von dem gefährlichen Wege, den dn eingeschlagen hast. Laß dich nicht gefangennehmen von jenem Wesen, das deiner nicht würdig ist, das kein Herz für dich hat, und das dich und uns alle unglücklich machen wird. Wesen? fragte Wenzel Holm etwas unsicher, was für ein Wesen? Diese verächtliche Kreatur, rief Frau Luzie, leidenschaftlich werdend, diese Mucki Buttervogel, mit der du Rollen einstudierst, mit der du verreisest. Ha! das war fatal. Luzie war unterrichtet. Da aber Wenzel Holm ein streitbarer und wortgewandter Mann war, und da er wußte, daß der Angriff die beste Verteidigung sei, legte er seine Stirn in finstere Falten, brach in sittliche Entrüstung aus und rief: Wie? Was höre ich? Du hast mich beobachtet? Du hast Spione an meine Ferse geheftet? Du hältst es für recht, hinter meinem Rücken gegen mich zu konspirieren? Nein, Wenzel, nein, rief Frau Luzie, die Hände ringend, aber die ganze Stadt weiß, was du treibst, und auf mich und deine Kinder weisen sie mit Fingern. Die Stadt! erwiderte Wenzel Holm mit verächtlichen! Tone. Glaubst dn denn alles, was man in der Stadt redet? Kannst du es denn leugnen? rief Frau Luzie. Wenzel, sieh mir in die Augen und sage, daß es nicht wahr ist, was man über dich und diese Mucki Buttervogel sagt, und ich will dir glauben und will dir auf den Knien danken. Der Dichter geriet in Verlegenheit. Am liebsten wäre er davongegangen, aber das wäre gegen die Mannesehre gewesen. Er konnte unmöglich hier das Feld räumen, wenigstens nicht ohne die Diskussion rin einem kräftigen Trumpfe zu schließen, und den hatte er leider nicht zur Hand. Luzie, sagte er, du mußt doch einsehen, ein Dichter — hin! — ein Dichter kann sich nicht an die enge Moral kleinbürgerlicher Anschauung binden. Ein Dichter muß die Höhen und Tiefen des Menschenlebens studieren. Die Menschenseele ist der Ton des Dichters. Daß er diesen Ton forme, darf die Frau des Dichters ihrem Manne ebensowenig wehren, als es die Frau des Bildhauers übelnehmen darf, wenn in der Werkstatt ihres Mannes Modelle aus- und eingehn. Wenn in dem Herzen des Dichters ein neues Frühlingsleben aufleimt, aus dem eine goldne Frucht für die Kunst der Gewini,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/271>, abgerufen am 23.07.2024.