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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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An den Wegen des Weltverkehrs

Company, die ebenso eifrig tätig ist wie früher die Tanjong Pagar Company in
Singapore. Diese Gesellschaft hat drei getrennte Dockanlagen, eine in Hongkong
selbst, eine in Aberdeen an der Südseite der Insel und eine dritte auf der Festland¬
seite des Hafens bei Hungham. Diese letzte Anlage verfügt über drei aus Granit
erbaute Docks, deren größtes eine Länge von 175 Metern und eine Breite von
26 Metern bei einer Tiefe von 9 Metern zur Zeit der Flut aufweist. Ein Besuch
der Werftanlagen von Hungham wird als äußerst lohnend bezeichnet.

Das "New Territory" genannte Gebiet wurde von der Regierung von
Hongkong nach und nach erschlossen. Politische Reibungen verschiedner Art
und auch der Boxeraufstand des Jahres 1900 führten zu mehrfachen Ver¬
zögerungen. Namentlich hatte unter diesen der Bau einer Eisenbahnlinie
durch das "Neue Territorium" von Kaulung nach Kanton zu leiden. Erst
neuerdings wurde ein endgiltiges Abkommen dahin getroffen, daß die Regie¬
rung von Hongkong den Teil der Linie von Kaulung bis zur Grenze des
Neuen Territoriums zu bauen habe, während die Strecke von da bis Kanton
der chinesischen Regierung überlassen bleibt. Eine fünfprozentige, von der
chinesischen Regierung garantierte Anleihe von 30 Millionen Mark ist zur Be¬
schaffung der Mittel für den Bau aufgenommen worden.

Die ganze Kolonie hatte im Jahre 1903 eine Einwohnerzahl von
20 831 Europäern, die Angehörigen des britischen Heeres und der Marine ein¬
gerechnet. Die Gesamtbevölkerung belief sich auf annähernd 412000 Seelen,
darunter rund 390000 Chinesen. Die Hauptstadt Viktoria zählt allein über
180000 Einwohner.

Einen besondern Eindruck auf die Besucher macht die politische Gleich¬
stellung mit den Europäern, wie sie hier der ungeheuern chinesischen Be¬
völkerung gewährt wird. Ein Gesetz herrscht hier über Weiße und Gelbe.
Ob Handelsmann oder Arbeiter ist der Chinese der Kolonie Hongkong ein
fleißiger, haushälterischer, die Gesetze achtender Mann. Als Händler ist er
gleichermaßen geschäftstüchtig und anständig, weniger aus Grundsatz, als weil
es ihm am meisten einbringt. Der chinesische Arbeiter ist der beste von allen
Arbeitern unter den Tropen und in mancher Beziehung der beste Arbeiter der
ganzen Welt. Während der Kaffer, der Singhalese und der Malaie nur unter un¬
ablässigem Zwang und Druck arbeiten, arbeitet der Chinese jederzeit und in allen
Lagen um seinen Lohn und liefert stets das Beste für das, was er erhält.

Alles in allem betrachtet bedeutet die Kolonie Hongkong mit ihren un¬
einnehmbaren Festungswerken, ihrer vorzüglichen Regierung und ihren günstigen
Handelsbedingungen eine stolze und furchtbare Unterstützung der Seemacht¬
stellung Großbritanniens in den Wassern des fernen Ostens. Ihre Zukunft
ist so aussichtsvoll, wie ihre Vergangenheit glücklich war.

Der Kernpunkt dieser günstigen Verhältnisse aber ist das unwandelbare
Festhalten an der Politik der offnen Tür, diesem besten Grundsatz britischer
Handelsweisheit. Die Ablehnung dieses Grundsatzes hat Frankreich in Jndo-
china, Deutschland in Schankung pekuniären Schaden gebracht. Die Regierungs-


An den Wegen des Weltverkehrs

Company, die ebenso eifrig tätig ist wie früher die Tanjong Pagar Company in
Singapore. Diese Gesellschaft hat drei getrennte Dockanlagen, eine in Hongkong
selbst, eine in Aberdeen an der Südseite der Insel und eine dritte auf der Festland¬
seite des Hafens bei Hungham. Diese letzte Anlage verfügt über drei aus Granit
erbaute Docks, deren größtes eine Länge von 175 Metern und eine Breite von
26 Metern bei einer Tiefe von 9 Metern zur Zeit der Flut aufweist. Ein Besuch
der Werftanlagen von Hungham wird als äußerst lohnend bezeichnet.

Das „New Territory" genannte Gebiet wurde von der Regierung von
Hongkong nach und nach erschlossen. Politische Reibungen verschiedner Art
und auch der Boxeraufstand des Jahres 1900 führten zu mehrfachen Ver¬
zögerungen. Namentlich hatte unter diesen der Bau einer Eisenbahnlinie
durch das „Neue Territorium" von Kaulung nach Kanton zu leiden. Erst
neuerdings wurde ein endgiltiges Abkommen dahin getroffen, daß die Regie¬
rung von Hongkong den Teil der Linie von Kaulung bis zur Grenze des
Neuen Territoriums zu bauen habe, während die Strecke von da bis Kanton
der chinesischen Regierung überlassen bleibt. Eine fünfprozentige, von der
chinesischen Regierung garantierte Anleihe von 30 Millionen Mark ist zur Be¬
schaffung der Mittel für den Bau aufgenommen worden.

Die ganze Kolonie hatte im Jahre 1903 eine Einwohnerzahl von
20 831 Europäern, die Angehörigen des britischen Heeres und der Marine ein¬
gerechnet. Die Gesamtbevölkerung belief sich auf annähernd 412000 Seelen,
darunter rund 390000 Chinesen. Die Hauptstadt Viktoria zählt allein über
180000 Einwohner.

Einen besondern Eindruck auf die Besucher macht die politische Gleich¬
stellung mit den Europäern, wie sie hier der ungeheuern chinesischen Be¬
völkerung gewährt wird. Ein Gesetz herrscht hier über Weiße und Gelbe.
Ob Handelsmann oder Arbeiter ist der Chinese der Kolonie Hongkong ein
fleißiger, haushälterischer, die Gesetze achtender Mann. Als Händler ist er
gleichermaßen geschäftstüchtig und anständig, weniger aus Grundsatz, als weil
es ihm am meisten einbringt. Der chinesische Arbeiter ist der beste von allen
Arbeitern unter den Tropen und in mancher Beziehung der beste Arbeiter der
ganzen Welt. Während der Kaffer, der Singhalese und der Malaie nur unter un¬
ablässigem Zwang und Druck arbeiten, arbeitet der Chinese jederzeit und in allen
Lagen um seinen Lohn und liefert stets das Beste für das, was er erhält.

Alles in allem betrachtet bedeutet die Kolonie Hongkong mit ihren un¬
einnehmbaren Festungswerken, ihrer vorzüglichen Regierung und ihren günstigen
Handelsbedingungen eine stolze und furchtbare Unterstützung der Seemacht¬
stellung Großbritanniens in den Wassern des fernen Ostens. Ihre Zukunft
ist so aussichtsvoll, wie ihre Vergangenheit glücklich war.

Der Kernpunkt dieser günstigen Verhältnisse aber ist das unwandelbare
Festhalten an der Politik der offnen Tür, diesem besten Grundsatz britischer
Handelsweisheit. Die Ablehnung dieses Grundsatzes hat Frankreich in Jndo-
china, Deutschland in Schankung pekuniären Schaden gebracht. Die Regierungs-


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[0246] An den Wegen des Weltverkehrs Company, die ebenso eifrig tätig ist wie früher die Tanjong Pagar Company in Singapore. Diese Gesellschaft hat drei getrennte Dockanlagen, eine in Hongkong selbst, eine in Aberdeen an der Südseite der Insel und eine dritte auf der Festland¬ seite des Hafens bei Hungham. Diese letzte Anlage verfügt über drei aus Granit erbaute Docks, deren größtes eine Länge von 175 Metern und eine Breite von 26 Metern bei einer Tiefe von 9 Metern zur Zeit der Flut aufweist. Ein Besuch der Werftanlagen von Hungham wird als äußerst lohnend bezeichnet. Das „New Territory" genannte Gebiet wurde von der Regierung von Hongkong nach und nach erschlossen. Politische Reibungen verschiedner Art und auch der Boxeraufstand des Jahres 1900 führten zu mehrfachen Ver¬ zögerungen. Namentlich hatte unter diesen der Bau einer Eisenbahnlinie durch das „Neue Territorium" von Kaulung nach Kanton zu leiden. Erst neuerdings wurde ein endgiltiges Abkommen dahin getroffen, daß die Regie¬ rung von Hongkong den Teil der Linie von Kaulung bis zur Grenze des Neuen Territoriums zu bauen habe, während die Strecke von da bis Kanton der chinesischen Regierung überlassen bleibt. Eine fünfprozentige, von der chinesischen Regierung garantierte Anleihe von 30 Millionen Mark ist zur Be¬ schaffung der Mittel für den Bau aufgenommen worden. Die ganze Kolonie hatte im Jahre 1903 eine Einwohnerzahl von 20 831 Europäern, die Angehörigen des britischen Heeres und der Marine ein¬ gerechnet. Die Gesamtbevölkerung belief sich auf annähernd 412000 Seelen, darunter rund 390000 Chinesen. Die Hauptstadt Viktoria zählt allein über 180000 Einwohner. Einen besondern Eindruck auf die Besucher macht die politische Gleich¬ stellung mit den Europäern, wie sie hier der ungeheuern chinesischen Be¬ völkerung gewährt wird. Ein Gesetz herrscht hier über Weiße und Gelbe. Ob Handelsmann oder Arbeiter ist der Chinese der Kolonie Hongkong ein fleißiger, haushälterischer, die Gesetze achtender Mann. Als Händler ist er gleichermaßen geschäftstüchtig und anständig, weniger aus Grundsatz, als weil es ihm am meisten einbringt. Der chinesische Arbeiter ist der beste von allen Arbeitern unter den Tropen und in mancher Beziehung der beste Arbeiter der ganzen Welt. Während der Kaffer, der Singhalese und der Malaie nur unter un¬ ablässigem Zwang und Druck arbeiten, arbeitet der Chinese jederzeit und in allen Lagen um seinen Lohn und liefert stets das Beste für das, was er erhält. Alles in allem betrachtet bedeutet die Kolonie Hongkong mit ihren un¬ einnehmbaren Festungswerken, ihrer vorzüglichen Regierung und ihren günstigen Handelsbedingungen eine stolze und furchtbare Unterstützung der Seemacht¬ stellung Großbritanniens in den Wassern des fernen Ostens. Ihre Zukunft ist so aussichtsvoll, wie ihre Vergangenheit glücklich war. Der Kernpunkt dieser günstigen Verhältnisse aber ist das unwandelbare Festhalten an der Politik der offnen Tür, diesem besten Grundsatz britischer Handelsweisheit. Die Ablehnung dieses Grundsatzes hat Frankreich in Jndo- china, Deutschland in Schankung pekuniären Schaden gebracht. Die Regierungs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/246>, abgerufen am 23.07.2024.