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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Bertha von Suttner

nur den alten Kriegsruf unsrer Väter wiederholen: Gott schütze das Recht! Ver¬
zeihen Sie einer alten englischen Frau, daß sie sich erlaubt, sich an Sie zu
wenden. Es geschieht aus großer Sympathie mit Ihrem edeln Streben, un¬
gerechte Kriege zu verhüten. Auch England liebt den Frieden, und unsre Millionen,
die in diesem Kriege ein Herz und eine Seele sind (sogar die Bauern geben ihren
Kindern die Namen unsrer Generale), würden niemals eine Kriegserklärung gegen
einen unsrer europäischen Nachbarn gestatten. Nicht der leiseste Wunsch nach einem
solchen Kriege regt sich in unsern Herzen. Ausländische Zeitungen, die das Gegen¬
teil behaupten und dadurch die Flamme der Kriegslust anfachen, machen sich eines
europäischen Verbrechens schuldig.

Der chinesische Gesandte in Se. Petersburg, Aang In, den die Baronin
im Haag kennen gelernt hatte, schrieb ihr anläßlich der Chinawirren. Er
habe ganz Amerika und Europa bereist und den Kulturfortschritt der Staaten
dieser Erdteile bewundert, leider aber gefunden, daß die Eifersucht der Völker
und ihr Konkurrenzkampf den Wert ihrer hohen Kultur beeinträchtigten. Was
die in seiner Heimat ausgebrochnen Unruhen betreffe, so seien vorzugsweise
die christlichen Missionare daran schuld. Diese möchten ja von den edelsten
Absichten beseelt sein, aber die Chinesen hingen nun einmal an der Religion
ihrer Väter, wollten von einem Religionswechsel nichts wissen und haßten
darum die Personen, die sie zu einem solchen drängten. Der Haß werde
durch den Umstand verstärkt, daß es nur die schlechtesten Elemente seien, die
das Christentum annähmen, um unter dem Schutze der von den europäischen
Mächten gestützten Missionare ungestraft Unrecht verüben zu können. Bei
Tolstoi findet die Friedensliga wenig Anklang. Er hält auch ihr seine be¬
kannte These entgegen: die wahre Religion lehren, natürlich schon in der
Schule, das ist das einzige und das hinreichende Mittel gegen den Krieg,
gegen den alle Kongresse nichts vermögen; Männer, die der wahren Religion
huldigen, verweigern einfach den Kriegsdienst. In Monaco hatte Fürst Albert
einen Saal seines noch im Bau befindlichen ozeanographischen Museums für
den Kongreß eingerichtet. Er sprach zur Suttner: "Es liegt mir daran,
Ihnen eines zu sagen: Sehen Sie hier dieses erstehende Werk ^eben das
Museums es zeigt, wohin mein Trachten und Wirken geht; es soll Ihier
deutete er auf den Felsen von Monte Carlos ein Korrektiv jenes Erbstücks
sein, das mir so verhaßt ist." Er bekennt sich zu den Grundsätzen der Liga.
Die Widmung seiner "Seemannslaufbahn" lautet: ^s avais ig. vsrsion g.11s-
ingnäs <Zs es livrs g. La N^ssis 1'lZmxsrsur 6uiI1g.ums II Hui xrotsZs 1s
travail se ig, Seismos, xrsxg.rg.ut ginsi ig rsg.Iisg.lion ein xlus nobis as^ir as
ig. oonLoisnLS nunigiiis: I'rmion as doues Iss toross oivilisgtrioss xour gmsiisr
Is rvAns et'uns xgix inviolabls. Die Suttner hat später (sie war vier Winter
hintereinander auf einige Wochen Gast des Fürsten) die eigenhändige Antwort
des Kaisers gesehen, "worin er in anderthalb Quartseiten seinem onsr vousin
für die Widmung dankt und die darin enthaltne Anspielung auf die Friedens¬
bewegung zustimmend wiederholt".


Bertha von Suttner

nur den alten Kriegsruf unsrer Väter wiederholen: Gott schütze das Recht! Ver¬
zeihen Sie einer alten englischen Frau, daß sie sich erlaubt, sich an Sie zu
wenden. Es geschieht aus großer Sympathie mit Ihrem edeln Streben, un¬
gerechte Kriege zu verhüten. Auch England liebt den Frieden, und unsre Millionen,
die in diesem Kriege ein Herz und eine Seele sind (sogar die Bauern geben ihren
Kindern die Namen unsrer Generale), würden niemals eine Kriegserklärung gegen
einen unsrer europäischen Nachbarn gestatten. Nicht der leiseste Wunsch nach einem
solchen Kriege regt sich in unsern Herzen. Ausländische Zeitungen, die das Gegen¬
teil behaupten und dadurch die Flamme der Kriegslust anfachen, machen sich eines
europäischen Verbrechens schuldig.

Der chinesische Gesandte in Se. Petersburg, Aang In, den die Baronin
im Haag kennen gelernt hatte, schrieb ihr anläßlich der Chinawirren. Er
habe ganz Amerika und Europa bereist und den Kulturfortschritt der Staaten
dieser Erdteile bewundert, leider aber gefunden, daß die Eifersucht der Völker
und ihr Konkurrenzkampf den Wert ihrer hohen Kultur beeinträchtigten. Was
die in seiner Heimat ausgebrochnen Unruhen betreffe, so seien vorzugsweise
die christlichen Missionare daran schuld. Diese möchten ja von den edelsten
Absichten beseelt sein, aber die Chinesen hingen nun einmal an der Religion
ihrer Väter, wollten von einem Religionswechsel nichts wissen und haßten
darum die Personen, die sie zu einem solchen drängten. Der Haß werde
durch den Umstand verstärkt, daß es nur die schlechtesten Elemente seien, die
das Christentum annähmen, um unter dem Schutze der von den europäischen
Mächten gestützten Missionare ungestraft Unrecht verüben zu können. Bei
Tolstoi findet die Friedensliga wenig Anklang. Er hält auch ihr seine be¬
kannte These entgegen: die wahre Religion lehren, natürlich schon in der
Schule, das ist das einzige und das hinreichende Mittel gegen den Krieg,
gegen den alle Kongresse nichts vermögen; Männer, die der wahren Religion
huldigen, verweigern einfach den Kriegsdienst. In Monaco hatte Fürst Albert
einen Saal seines noch im Bau befindlichen ozeanographischen Museums für
den Kongreß eingerichtet. Er sprach zur Suttner: „Es liegt mir daran,
Ihnen eines zu sagen: Sehen Sie hier dieses erstehende Werk ^eben das
Museums es zeigt, wohin mein Trachten und Wirken geht; es soll Ihier
deutete er auf den Felsen von Monte Carlos ein Korrektiv jenes Erbstücks
sein, das mir so verhaßt ist." Er bekennt sich zu den Grundsätzen der Liga.
Die Widmung seiner „Seemannslaufbahn" lautet: ^s avais ig. vsrsion g.11s-
ingnäs <Zs es livrs g. La N^ssis 1'lZmxsrsur 6uiI1g.ums II Hui xrotsZs 1s
travail se ig, Seismos, xrsxg.rg.ut ginsi ig rsg.Iisg.lion ein xlus nobis as^ir as
ig. oonLoisnLS nunigiiis: I'rmion as doues Iss toross oivilisgtrioss xour gmsiisr
Is rvAns et'uns xgix inviolabls. Die Suttner hat später (sie war vier Winter
hintereinander auf einige Wochen Gast des Fürsten) die eigenhändige Antwort
des Kaisers gesehen, „worin er in anderthalb Quartseiten seinem onsr vousin
für die Widmung dankt und die darin enthaltne Anspielung auf die Friedens¬
bewegung zustimmend wiederholt".


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[0154] Bertha von Suttner nur den alten Kriegsruf unsrer Väter wiederholen: Gott schütze das Recht! Ver¬ zeihen Sie einer alten englischen Frau, daß sie sich erlaubt, sich an Sie zu wenden. Es geschieht aus großer Sympathie mit Ihrem edeln Streben, un¬ gerechte Kriege zu verhüten. Auch England liebt den Frieden, und unsre Millionen, die in diesem Kriege ein Herz und eine Seele sind (sogar die Bauern geben ihren Kindern die Namen unsrer Generale), würden niemals eine Kriegserklärung gegen einen unsrer europäischen Nachbarn gestatten. Nicht der leiseste Wunsch nach einem solchen Kriege regt sich in unsern Herzen. Ausländische Zeitungen, die das Gegen¬ teil behaupten und dadurch die Flamme der Kriegslust anfachen, machen sich eines europäischen Verbrechens schuldig. Der chinesische Gesandte in Se. Petersburg, Aang In, den die Baronin im Haag kennen gelernt hatte, schrieb ihr anläßlich der Chinawirren. Er habe ganz Amerika und Europa bereist und den Kulturfortschritt der Staaten dieser Erdteile bewundert, leider aber gefunden, daß die Eifersucht der Völker und ihr Konkurrenzkampf den Wert ihrer hohen Kultur beeinträchtigten. Was die in seiner Heimat ausgebrochnen Unruhen betreffe, so seien vorzugsweise die christlichen Missionare daran schuld. Diese möchten ja von den edelsten Absichten beseelt sein, aber die Chinesen hingen nun einmal an der Religion ihrer Väter, wollten von einem Religionswechsel nichts wissen und haßten darum die Personen, die sie zu einem solchen drängten. Der Haß werde durch den Umstand verstärkt, daß es nur die schlechtesten Elemente seien, die das Christentum annähmen, um unter dem Schutze der von den europäischen Mächten gestützten Missionare ungestraft Unrecht verüben zu können. Bei Tolstoi findet die Friedensliga wenig Anklang. Er hält auch ihr seine be¬ kannte These entgegen: die wahre Religion lehren, natürlich schon in der Schule, das ist das einzige und das hinreichende Mittel gegen den Krieg, gegen den alle Kongresse nichts vermögen; Männer, die der wahren Religion huldigen, verweigern einfach den Kriegsdienst. In Monaco hatte Fürst Albert einen Saal seines noch im Bau befindlichen ozeanographischen Museums für den Kongreß eingerichtet. Er sprach zur Suttner: „Es liegt mir daran, Ihnen eines zu sagen: Sehen Sie hier dieses erstehende Werk ^eben das Museums es zeigt, wohin mein Trachten und Wirken geht; es soll Ihier deutete er auf den Felsen von Monte Carlos ein Korrektiv jenes Erbstücks sein, das mir so verhaßt ist." Er bekennt sich zu den Grundsätzen der Liga. Die Widmung seiner „Seemannslaufbahn" lautet: ^s avais ig. vsrsion g.11s- ingnäs <Zs es livrs g. La N^ssis 1'lZmxsrsur 6uiI1g.ums II Hui xrotsZs 1s travail se ig, Seismos, xrsxg.rg.ut ginsi ig rsg.Iisg.lion ein xlus nobis as^ir as ig. oonLoisnLS nunigiiis: I'rmion as doues Iss toross oivilisgtrioss xour gmsiisr Is rvAns et'uns xgix inviolabls. Die Suttner hat später (sie war vier Winter hintereinander auf einige Wochen Gast des Fürsten) die eigenhändige Antwort des Kaisers gesehen, „worin er in anderthalb Quartseiten seinem onsr vousin für die Widmung dankt und die darin enthaltne Anspielung auf die Friedens¬ bewegung zustimmend wiederholt".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/154>, abgerufen am 23.07.2024.