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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Dazu haben sich die Freisinnigen gegen die abtrünnigen Freunde zu wehren,
die "Sozialliberalen", die ihnen jetzt nnter Führung von Dr. Theodor Barth das
Leben sauer machen. Die Versuche dieser Richtung, mit den Sozialdemokraten zu¬
sammen für die Freiheit, die sie meinen, zu arbeiten, sind daran gescheitert, daß
die Sozialdemokraten selbst von diesen aufdringlichen Freunden nichts wissen wollen.
Die Sozialdemokratie will in dem Kampf gegen den Liberalismus überhaupt un¬
behindert sein; denn für sie fäugt die "Reaktion" bereits bei Theodor Barth an.
Wenn sie sich aber schon entschließen könnte, mit irgendeiner Gruppe der bürger¬
lichen Demokratie gemeinsame Sache zu machen, dann würde sie es am aller¬
wenigsten mit den Sozialliberalen tun, die bisher noch jede Sache, an der sie ge¬
arbeitet haben, bis in den Grund und Boden ruiniert haben. Da sich die Sozial¬
liberalen von den Genossen auf der äußerste" Linken zurückgewiesen sehen, so bleibt
ihnen nur das angenehme Geschäft, gegen ihre bisherigen Parteigenossen und be¬
sonders gegen die freisinnige Volkspartei zu Hetzen und ihnen mit abfälligen Kri¬
tiken und Sonderkandtdaturen in den Rücken zu fallen. Wir wollen zu ihrer Ehre
annehmen, daß sie es ungern tun, aber sie müssen es tun, weil sonst ihr ganzes
politisches Dasein keinen Sinn und Zweck hätte. Da die organisierten Freisinnigen
nach der Meinung dieser politischen Separatisten mit Leib und Seele der Reaktion
verfallen sind, und der Liberalismus allein im Lager Barths zu finden ist, wie
einst Österreich im Lager Radetzkhs, so stehn die Sozialliberalen nun hinter ihren
ehemaligen Freunden wie der böse Geist hinter Gretchen in der Kirche: Wie anders
wars auch, als ihr noch voll Unschuld zum Altar der Volksfreiheit tratet und aus
dem Parteikatechismus Phrasen taillee! Aber die Leute von der Freisinnigen Volks¬
partei sind verstockter als das arme Gretchen; es macht auf sie gar keinen Ein¬
druck, daß ihnen ihre Sünden vorgehalten werden, denn sie wissen, daß sie damit
ihrer Sache dienen, während die unzeitigen Mahner immer das Gegenteil erreichen.
Immerhin ist es eine große Erschwerung für eine Partei, beständig mit der Disziplin¬
losigkeit im eignen Lager kämpfen zu müssen.

Unterdessen nutzt das Zentrum auch bei dem Landtagswahlkampf nach Mög¬
lichkeit die Idee der Blockpolitik aus, obwohl diese eigentlich bei den Wahlen,
wie wir gesehen haben, gar keine Rolle spielt. Aber es ist beqnem für die Partei,
auch hier an der Idee festzuhalten, daß das Zentrum von den Konservativen und
den Liberalen gemeinsam angefeindet werde. Die Stimmung, die der Stellung des
Zentrums in der Reichspolitik entspricht, soll allgemein unter den Wählern fest¬
gehalten werden. Das Zentrum hat dazu das alte bewährte Rezept, daß es den
Gegnern kulturkämpferische Neigungen unterschiebt und die katholische Religion in
Gefahr erklärt. Indem die Begriffe Zentruni und Katholizismus einfach als gleich¬
bedeutend angenommen werden, wie das ja auch sonst bei jeder nur möglichen
Gelegenheit trotz der Versicherung, das Zentrum sei eine politische Partei, geschieht,
wird mit beispiellosem Zynismus das Interesse der Partei über das vaterländische
Interesse gestellt. Darum hat sich das Zentrum auch auf der ganzen Linie mit den
Polen verständigt. Die rücksichtslosen Vorstöße des polnischen Radikalismus gegen
die deutscheu Zentrumswähler, namentlich in Oberschlesien, hatten die Verständigung
zeitweilig in Frage gestellt. Aber übermäßige nationale Empfindlichkeit, wo sie nicht
durch besondre Parteizwecke gefordert wird, ist niemals die schwache Seite des
Zentrums gewesen. Was erwartet werden mußte, ist denn auch schnell genug ein¬
getreten. Den Polen wurde alles vergeben und vergessen. Hatte doch das Zentrum
schon durch seiue Haltung bei der Beratung des Enteignungsgesetzes und des
Vereinsgcsetzes den Boden für die Versöhnung bereitet. Unter dem Vorwande, daß
die Bekämpfung des Polentums nur die geplante Protestantisiernng der Ostmarken
verschleiern solle, unterstützt das Zentrum jetzt bei den Wahlen offen die Polen
gegen die deutschen Landsleute. Leider ist das freilich nichts neues, weil auch bei


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Dazu haben sich die Freisinnigen gegen die abtrünnigen Freunde zu wehren,
die „Sozialliberalen", die ihnen jetzt nnter Führung von Dr. Theodor Barth das
Leben sauer machen. Die Versuche dieser Richtung, mit den Sozialdemokraten zu¬
sammen für die Freiheit, die sie meinen, zu arbeiten, sind daran gescheitert, daß
die Sozialdemokraten selbst von diesen aufdringlichen Freunden nichts wissen wollen.
Die Sozialdemokratie will in dem Kampf gegen den Liberalismus überhaupt un¬
behindert sein; denn für sie fäugt die „Reaktion" bereits bei Theodor Barth an.
Wenn sie sich aber schon entschließen könnte, mit irgendeiner Gruppe der bürger¬
lichen Demokratie gemeinsame Sache zu machen, dann würde sie es am aller¬
wenigsten mit den Sozialliberalen tun, die bisher noch jede Sache, an der sie ge¬
arbeitet haben, bis in den Grund und Boden ruiniert haben. Da sich die Sozial¬
liberalen von den Genossen auf der äußerste» Linken zurückgewiesen sehen, so bleibt
ihnen nur das angenehme Geschäft, gegen ihre bisherigen Parteigenossen und be¬
sonders gegen die freisinnige Volkspartei zu Hetzen und ihnen mit abfälligen Kri¬
tiken und Sonderkandtdaturen in den Rücken zu fallen. Wir wollen zu ihrer Ehre
annehmen, daß sie es ungern tun, aber sie müssen es tun, weil sonst ihr ganzes
politisches Dasein keinen Sinn und Zweck hätte. Da die organisierten Freisinnigen
nach der Meinung dieser politischen Separatisten mit Leib und Seele der Reaktion
verfallen sind, und der Liberalismus allein im Lager Barths zu finden ist, wie
einst Österreich im Lager Radetzkhs, so stehn die Sozialliberalen nun hinter ihren
ehemaligen Freunden wie der böse Geist hinter Gretchen in der Kirche: Wie anders
wars auch, als ihr noch voll Unschuld zum Altar der Volksfreiheit tratet und aus
dem Parteikatechismus Phrasen taillee! Aber die Leute von der Freisinnigen Volks¬
partei sind verstockter als das arme Gretchen; es macht auf sie gar keinen Ein¬
druck, daß ihnen ihre Sünden vorgehalten werden, denn sie wissen, daß sie damit
ihrer Sache dienen, während die unzeitigen Mahner immer das Gegenteil erreichen.
Immerhin ist es eine große Erschwerung für eine Partei, beständig mit der Disziplin¬
losigkeit im eignen Lager kämpfen zu müssen.

Unterdessen nutzt das Zentrum auch bei dem Landtagswahlkampf nach Mög¬
lichkeit die Idee der Blockpolitik aus, obwohl diese eigentlich bei den Wahlen,
wie wir gesehen haben, gar keine Rolle spielt. Aber es ist beqnem für die Partei,
auch hier an der Idee festzuhalten, daß das Zentrum von den Konservativen und
den Liberalen gemeinsam angefeindet werde. Die Stimmung, die der Stellung des
Zentrums in der Reichspolitik entspricht, soll allgemein unter den Wählern fest¬
gehalten werden. Das Zentrum hat dazu das alte bewährte Rezept, daß es den
Gegnern kulturkämpferische Neigungen unterschiebt und die katholische Religion in
Gefahr erklärt. Indem die Begriffe Zentruni und Katholizismus einfach als gleich¬
bedeutend angenommen werden, wie das ja auch sonst bei jeder nur möglichen
Gelegenheit trotz der Versicherung, das Zentrum sei eine politische Partei, geschieht,
wird mit beispiellosem Zynismus das Interesse der Partei über das vaterländische
Interesse gestellt. Darum hat sich das Zentrum auch auf der ganzen Linie mit den
Polen verständigt. Die rücksichtslosen Vorstöße des polnischen Radikalismus gegen
die deutscheu Zentrumswähler, namentlich in Oberschlesien, hatten die Verständigung
zeitweilig in Frage gestellt. Aber übermäßige nationale Empfindlichkeit, wo sie nicht
durch besondre Parteizwecke gefordert wird, ist niemals die schwache Seite des
Zentrums gewesen. Was erwartet werden mußte, ist denn auch schnell genug ein¬
getreten. Den Polen wurde alles vergeben und vergessen. Hatte doch das Zentrum
schon durch seiue Haltung bei der Beratung des Enteignungsgesetzes und des
Vereinsgcsetzes den Boden für die Versöhnung bereitet. Unter dem Vorwande, daß
die Bekämpfung des Polentums nur die geplante Protestantisiernng der Ostmarken
verschleiern solle, unterstützt das Zentrum jetzt bei den Wahlen offen die Polen
gegen die deutschen Landsleute. Leider ist das freilich nichts neues, weil auch bei


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[0500] Maßgebliches und Unmaßgebliches Dazu haben sich die Freisinnigen gegen die abtrünnigen Freunde zu wehren, die „Sozialliberalen", die ihnen jetzt nnter Führung von Dr. Theodor Barth das Leben sauer machen. Die Versuche dieser Richtung, mit den Sozialdemokraten zu¬ sammen für die Freiheit, die sie meinen, zu arbeiten, sind daran gescheitert, daß die Sozialdemokraten selbst von diesen aufdringlichen Freunden nichts wissen wollen. Die Sozialdemokratie will in dem Kampf gegen den Liberalismus überhaupt un¬ behindert sein; denn für sie fäugt die „Reaktion" bereits bei Theodor Barth an. Wenn sie sich aber schon entschließen könnte, mit irgendeiner Gruppe der bürger¬ lichen Demokratie gemeinsame Sache zu machen, dann würde sie es am aller¬ wenigsten mit den Sozialliberalen tun, die bisher noch jede Sache, an der sie ge¬ arbeitet haben, bis in den Grund und Boden ruiniert haben. Da sich die Sozial¬ liberalen von den Genossen auf der äußerste» Linken zurückgewiesen sehen, so bleibt ihnen nur das angenehme Geschäft, gegen ihre bisherigen Parteigenossen und be¬ sonders gegen die freisinnige Volkspartei zu Hetzen und ihnen mit abfälligen Kri¬ tiken und Sonderkandtdaturen in den Rücken zu fallen. Wir wollen zu ihrer Ehre annehmen, daß sie es ungern tun, aber sie müssen es tun, weil sonst ihr ganzes politisches Dasein keinen Sinn und Zweck hätte. Da die organisierten Freisinnigen nach der Meinung dieser politischen Separatisten mit Leib und Seele der Reaktion verfallen sind, und der Liberalismus allein im Lager Barths zu finden ist, wie einst Österreich im Lager Radetzkhs, so stehn die Sozialliberalen nun hinter ihren ehemaligen Freunden wie der böse Geist hinter Gretchen in der Kirche: Wie anders wars auch, als ihr noch voll Unschuld zum Altar der Volksfreiheit tratet und aus dem Parteikatechismus Phrasen taillee! Aber die Leute von der Freisinnigen Volks¬ partei sind verstockter als das arme Gretchen; es macht auf sie gar keinen Ein¬ druck, daß ihnen ihre Sünden vorgehalten werden, denn sie wissen, daß sie damit ihrer Sache dienen, während die unzeitigen Mahner immer das Gegenteil erreichen. Immerhin ist es eine große Erschwerung für eine Partei, beständig mit der Disziplin¬ losigkeit im eignen Lager kämpfen zu müssen. Unterdessen nutzt das Zentrum auch bei dem Landtagswahlkampf nach Mög¬ lichkeit die Idee der Blockpolitik aus, obwohl diese eigentlich bei den Wahlen, wie wir gesehen haben, gar keine Rolle spielt. Aber es ist beqnem für die Partei, auch hier an der Idee festzuhalten, daß das Zentrum von den Konservativen und den Liberalen gemeinsam angefeindet werde. Die Stimmung, die der Stellung des Zentrums in der Reichspolitik entspricht, soll allgemein unter den Wählern fest¬ gehalten werden. Das Zentrum hat dazu das alte bewährte Rezept, daß es den Gegnern kulturkämpferische Neigungen unterschiebt und die katholische Religion in Gefahr erklärt. Indem die Begriffe Zentruni und Katholizismus einfach als gleich¬ bedeutend angenommen werden, wie das ja auch sonst bei jeder nur möglichen Gelegenheit trotz der Versicherung, das Zentrum sei eine politische Partei, geschieht, wird mit beispiellosem Zynismus das Interesse der Partei über das vaterländische Interesse gestellt. Darum hat sich das Zentrum auch auf der ganzen Linie mit den Polen verständigt. Die rücksichtslosen Vorstöße des polnischen Radikalismus gegen die deutscheu Zentrumswähler, namentlich in Oberschlesien, hatten die Verständigung zeitweilig in Frage gestellt. Aber übermäßige nationale Empfindlichkeit, wo sie nicht durch besondre Parteizwecke gefordert wird, ist niemals die schwache Seite des Zentrums gewesen. Was erwartet werden mußte, ist denn auch schnell genug ein¬ getreten. Den Polen wurde alles vergeben und vergessen. Hatte doch das Zentrum schon durch seiue Haltung bei der Beratung des Enteignungsgesetzes und des Vereinsgcsetzes den Boden für die Versöhnung bereitet. Unter dem Vorwande, daß die Bekämpfung des Polentums nur die geplante Protestantisiernng der Ostmarken verschleiern solle, unterstützt das Zentrum jetzt bei den Wahlen offen die Polen gegen die deutschen Landsleute. Leider ist das freilich nichts neues, weil auch bei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/500>, abgerufen am 20.06.2024.