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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettuilgsweseiis

übernommen. Noch vor seiner Anstellung reichte er bei dem Kriegsministerium
eine Denkschrift ein, worin er riet, die preußische Küste durch Kriegsschoner
zu verteidigen. Nachdem er als Hauptmann übernommen war, wurde nach
seinen Ideen und nach seinem Anschlag der Kriegsschouer Stralsund erbaut,
der als erstes preußisches Kriegsschiff die Orlogsflagge mit dem Eisernen Kreuze
führte, die nach dem Vorschlage des Kommandanten von Stralsund, des
Generals von Engelbrechten, festgestellt worden war. Seitdem kämpfte Longe,
von dem General von Engelbrechten und andern unterstützt, mit der Kraft des
Genies für die Gründung einer preußischen Marine, und er war zu diesem
Werke als Konstrukteur und als Organisator gleich berufen. Als auf Rügen eine
Rettungsstation errichtet werden sollte, griff der geniale Offizier, dessen "prak¬
tische und theoretische Kenntnisse auf der Höhe damaliger Zeit standen", auch
diese kleine Aufgabe mit dem sichern Scharfblick und mit der unvergleichlichen
Gewissenhaftigkeit an, die er im Dienste seines Adoptivvaterlandes immer be¬
wahrte. Er hatte zwei Jahrzehnte lang unermüdlich immer wieder neue
Flottengründungspläne gemacht und sich gewöhnt, immer noch geringere Mittel
zu fordern. Er kannte die damaligen knappen Finanzverhältnisse Preußens
gut. So war sein Anschlag zur Vervollständigung des Apparats mäßig genug.
Er forderte nur eine Bettung für den Mörser, ein Boot, das in seinem Bau
den Strandverhältnissen auf Jasmund angepaßt werden sollte, einen Wagen
zum Transport des Bootes, Leinen zur Herstellung und Blocke zum Befahren
des Taugeleises zwischen dem Wrack und dem Strande, Signalgeräte und andre
Gegenstünde, die ihm zur Anwendung und zur Instandhaltung des Apparats
unentbehrlich erschienen. Die Mörserbettung kostete nach seinem Kostenanschlag
nur 4 Taler 28 Silbergroschen, das Boot mit allem Zubehör 106 Taler
22 Silbergroschen, der Wagen 100 Taler, die Blöcke 12 Taler 6 Silber¬
groschen, durch die Forderung von vier Trossen mit Zubehör stieg jedoch der
Gesamtbetrag auf 532 Taler 3 Silbergroschen. Das Geschützzubehör, das in
Danzig hergestellt worden war, hatte 151 Taler 23 Silbergroschen gekostet.
Die Einrichtung der Station Glowe forderte demnach rund 1100 Taler. Und
nun teilte Longes bescheidne Forderung das Schicksal seiner Flottengründungs¬
pläne. Der Staat war zu arm für solche Unternehmungen.

General von Rauch, der im Jahre 1825 Beratungen "über das Er¬
fordern^ und die Ausführbarkeit der Bildung einer Seewehr für Preußen"
geleitet hatte und ein begeisterter Mitarbeiter Longes gewesen war, kannte
diese Schwäche seines Vaterlandes wohl und lehnte darum im Jahre 1834
den Vorsitz in einer neuen Kommission zur Gründung einer Flotte mit
folgenden Worten ab: "Mir hat sich die Überzeugung aufgedrängt, daß ich
den dadurch an mich gemachten Forderungen nicht gehörig gewachsen bin,
meine Kenntniß der Sache dazu nicht ausreicht und meine überhäuften Dienst¬
geschäfte, sowie der Zustand meiner Gesundheit es mir nicht gestatten, mich mit
einer so verwickelten Angelegenheit, als die in Rede stehende solches ist, mit


Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettuilgsweseiis

übernommen. Noch vor seiner Anstellung reichte er bei dem Kriegsministerium
eine Denkschrift ein, worin er riet, die preußische Küste durch Kriegsschoner
zu verteidigen. Nachdem er als Hauptmann übernommen war, wurde nach
seinen Ideen und nach seinem Anschlag der Kriegsschouer Stralsund erbaut,
der als erstes preußisches Kriegsschiff die Orlogsflagge mit dem Eisernen Kreuze
führte, die nach dem Vorschlage des Kommandanten von Stralsund, des
Generals von Engelbrechten, festgestellt worden war. Seitdem kämpfte Longe,
von dem General von Engelbrechten und andern unterstützt, mit der Kraft des
Genies für die Gründung einer preußischen Marine, und er war zu diesem
Werke als Konstrukteur und als Organisator gleich berufen. Als auf Rügen eine
Rettungsstation errichtet werden sollte, griff der geniale Offizier, dessen „prak¬
tische und theoretische Kenntnisse auf der Höhe damaliger Zeit standen", auch
diese kleine Aufgabe mit dem sichern Scharfblick und mit der unvergleichlichen
Gewissenhaftigkeit an, die er im Dienste seines Adoptivvaterlandes immer be¬
wahrte. Er hatte zwei Jahrzehnte lang unermüdlich immer wieder neue
Flottengründungspläne gemacht und sich gewöhnt, immer noch geringere Mittel
zu fordern. Er kannte die damaligen knappen Finanzverhältnisse Preußens
gut. So war sein Anschlag zur Vervollständigung des Apparats mäßig genug.
Er forderte nur eine Bettung für den Mörser, ein Boot, das in seinem Bau
den Strandverhältnissen auf Jasmund angepaßt werden sollte, einen Wagen
zum Transport des Bootes, Leinen zur Herstellung und Blocke zum Befahren
des Taugeleises zwischen dem Wrack und dem Strande, Signalgeräte und andre
Gegenstünde, die ihm zur Anwendung und zur Instandhaltung des Apparats
unentbehrlich erschienen. Die Mörserbettung kostete nach seinem Kostenanschlag
nur 4 Taler 28 Silbergroschen, das Boot mit allem Zubehör 106 Taler
22 Silbergroschen, der Wagen 100 Taler, die Blöcke 12 Taler 6 Silber¬
groschen, durch die Forderung von vier Trossen mit Zubehör stieg jedoch der
Gesamtbetrag auf 532 Taler 3 Silbergroschen. Das Geschützzubehör, das in
Danzig hergestellt worden war, hatte 151 Taler 23 Silbergroschen gekostet.
Die Einrichtung der Station Glowe forderte demnach rund 1100 Taler. Und
nun teilte Longes bescheidne Forderung das Schicksal seiner Flottengründungs¬
pläne. Der Staat war zu arm für solche Unternehmungen.

General von Rauch, der im Jahre 1825 Beratungen „über das Er¬
fordern^ und die Ausführbarkeit der Bildung einer Seewehr für Preußen"
geleitet hatte und ein begeisterter Mitarbeiter Longes gewesen war, kannte
diese Schwäche seines Vaterlandes wohl und lehnte darum im Jahre 1834
den Vorsitz in einer neuen Kommission zur Gründung einer Flotte mit
folgenden Worten ab: „Mir hat sich die Überzeugung aufgedrängt, daß ich
den dadurch an mich gemachten Forderungen nicht gehörig gewachsen bin,
meine Kenntniß der Sache dazu nicht ausreicht und meine überhäuften Dienst¬
geschäfte, sowie der Zustand meiner Gesundheit es mir nicht gestatten, mich mit
einer so verwickelten Angelegenheit, als die in Rede stehende solches ist, mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/412>, abgerufen am 24.07.2024.