Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

schwachen Argumenten zu maskieren. Im dritten Vortrage hat Reinke ausdrücklich
die Art und Weise, wie in "liberalen" Kreisen sein Austreten charakterisiert worden
ist, als Verleumdung bezeichnet. Die Vossische schreibt nun: "Freilich, die Polizei
hat er nicht gerufen. Aber ist es nicht bezeichnend, daß der geübte Journalist auf
der Parlamentstribüne, der gewohnt ist, den Inhalt langer Reden in kurzen Sätzen
Wiederzugeben, den Eindruck, den auf ihn die Worte Neinkes machten, in den Ruf
nach Polizei zusammenfaßte?... Was die Journalisten am meisten dazu veranlaßt
haben mag, das ist die Tatsache, daß Reinke im Herrenhause, in der doch wohl
unbestritten reaktionärsten öffentlichen Körperschaft Preußens, das Einschreiten des
Staates gegen eine Kulturbewegung forderte, daß er das Herrenhaus zum Tribunal
machte über die Wissenschaftlichkeit der Schriften von Gelehrten." Der Hörfehler der
Herren Journalisten ist eben daher gekommen, daß die Journalisten vom Schlage der
Vossischen Zeitung voller Vorurteile stecken. Sie sind a xriori überzeugt, daß Haeckel
der Inbegriff aller Wahrheit und Weisheit, daß jedes Mitglied des preußischen
Herrenhauses und jeder Mensch, der an Gott glaubt, ein Reaktionär und ein un¬
wissenschaftlicher Dummkopf ist, und daß alles, was an einem solchen Orte gesprochen
wird, schlecht und dumm sein müsse. Und so hören sie denn "Polizei", wenn Reinke
im Herrenhause "Biologie" fordert; Biologie kann er doch gar nicht gefordert haben,
denn die ist ja etwas Gutes, sogar, wie jeder Berliner Backfisch weiß, das allerbeste,
mit Liebesleben in der Natur und ähnlichen schönen Sachen garniert; wenigstens
muß er tendenziöse Biologie gefordert haben. Er hat aber in Wirklichkeit tendenziöse
gefordert. Nicht "Einschreiten des Staates gegen eine Kulturbewegung" hat er ge¬
fordert, sondern wissenschaftliche Belehrung der Jugend, damit diese zu erkennen ver¬
möge, daß Haeckel und seine Anhänger den Schein der Wissenschaft zu einer durchaus
unwissenschaftlichen Agitation gegen den christlichen Glauben mißbrauchen. Und nicht
zum Tribunal über die Wissenschaftlichkeit der Schriften von Gelehrten hat Reinke
das Herrenhaus gemacht, sondern er hat bloß in der Begründung der Forderung
einer Erweiterung des Schulunterrichts die zur Sache gehörende Tatsache konstatiert,
daß als wissenschaftliche Schriften Bücher und Broschüren verbreitet werden, die nach
dem Urteile der Fachgelehrten keinen oder vielmehr einen negativen wissenschaftlichen
Wert haben, da sie den Grundsätzen der Wissenschaft ins Gesicht schlagen. Nachdem
übrigens ein Jahr lang über die Herrenhausrede Reinkes debattiert worden war,
mußte die Vossische Zeitung über jenen Jouralistenirrtum längst aufgeklärt sein; es
gibt darum keine Entschuldigung für die Unverschämtheit, mit der sie im Bericht
über den ersten Reinkevortrag die Verleumdung wiederholt hat. Reinkes Polemik
gegen den Materialismus, behauptet ferner das Blatt, passe nur auf den Materialismus
von vor hundert Jahren. "Ist denn der Monismus religionsfeindlich? Ist der
Monismus nicht selber Religion? Man erinnere sich des Vortrags, den Pastor
Steudel vor einem Jahre gehalten hat." Reinke hat es nicht mit Steudel sondern
mit Haeckel zu tun, und wie dessen Religion aussieht, das weiß die Welt: sie besteht
in Lächerlich- und Verächtlichmachung nicht bloß des Christentums sondern schon des
Glaubens an Gott, also jeder Religion. Im zweiten Vortrage hatte Reinke gefordert,
daß Vermutungen nicht für Tatsachen ausgegeben, daß Tatsachen und Hypothesen
auseinander gehalten würden. Dazu bemerkt die Vossische: "Hypothesen soll man
nicht für Tatsachen ausgeben! Zugestanden! Darf man aber Hypothesen als Hypothesen
dem Volke vorsetzen? Die Frage wirft Reinke nicht auf, aber er bejaht sie durch
die Tat, denn der Theismus, den er so stramm vertritt, ist doch auch eine Hypothese."
Warum soll man dem Volke nicht Hypothesen als Hypothesen vorsetzen dürfen? Wird
doch die atomistische Hypothese in jedem Physikunterricht vorgetragen. Wenn man
nur nicht, wie Haeckel tut, Hypothesen und Phantasien, die nicht einmal den Namen
von wissenschaftlichen Hypothesen verdienen, für Tatsachen ausgibt. -- Bei einem


Maßgebliches und Unmaßgebliches

schwachen Argumenten zu maskieren. Im dritten Vortrage hat Reinke ausdrücklich
die Art und Weise, wie in „liberalen" Kreisen sein Austreten charakterisiert worden
ist, als Verleumdung bezeichnet. Die Vossische schreibt nun: „Freilich, die Polizei
hat er nicht gerufen. Aber ist es nicht bezeichnend, daß der geübte Journalist auf
der Parlamentstribüne, der gewohnt ist, den Inhalt langer Reden in kurzen Sätzen
Wiederzugeben, den Eindruck, den auf ihn die Worte Neinkes machten, in den Ruf
nach Polizei zusammenfaßte?... Was die Journalisten am meisten dazu veranlaßt
haben mag, das ist die Tatsache, daß Reinke im Herrenhause, in der doch wohl
unbestritten reaktionärsten öffentlichen Körperschaft Preußens, das Einschreiten des
Staates gegen eine Kulturbewegung forderte, daß er das Herrenhaus zum Tribunal
machte über die Wissenschaftlichkeit der Schriften von Gelehrten." Der Hörfehler der
Herren Journalisten ist eben daher gekommen, daß die Journalisten vom Schlage der
Vossischen Zeitung voller Vorurteile stecken. Sie sind a xriori überzeugt, daß Haeckel
der Inbegriff aller Wahrheit und Weisheit, daß jedes Mitglied des preußischen
Herrenhauses und jeder Mensch, der an Gott glaubt, ein Reaktionär und ein un¬
wissenschaftlicher Dummkopf ist, und daß alles, was an einem solchen Orte gesprochen
wird, schlecht und dumm sein müsse. Und so hören sie denn „Polizei", wenn Reinke
im Herrenhause „Biologie" fordert; Biologie kann er doch gar nicht gefordert haben,
denn die ist ja etwas Gutes, sogar, wie jeder Berliner Backfisch weiß, das allerbeste,
mit Liebesleben in der Natur und ähnlichen schönen Sachen garniert; wenigstens
muß er tendenziöse Biologie gefordert haben. Er hat aber in Wirklichkeit tendenziöse
gefordert. Nicht „Einschreiten des Staates gegen eine Kulturbewegung" hat er ge¬
fordert, sondern wissenschaftliche Belehrung der Jugend, damit diese zu erkennen ver¬
möge, daß Haeckel und seine Anhänger den Schein der Wissenschaft zu einer durchaus
unwissenschaftlichen Agitation gegen den christlichen Glauben mißbrauchen. Und nicht
zum Tribunal über die Wissenschaftlichkeit der Schriften von Gelehrten hat Reinke
das Herrenhaus gemacht, sondern er hat bloß in der Begründung der Forderung
einer Erweiterung des Schulunterrichts die zur Sache gehörende Tatsache konstatiert,
daß als wissenschaftliche Schriften Bücher und Broschüren verbreitet werden, die nach
dem Urteile der Fachgelehrten keinen oder vielmehr einen negativen wissenschaftlichen
Wert haben, da sie den Grundsätzen der Wissenschaft ins Gesicht schlagen. Nachdem
übrigens ein Jahr lang über die Herrenhausrede Reinkes debattiert worden war,
mußte die Vossische Zeitung über jenen Jouralistenirrtum längst aufgeklärt sein; es
gibt darum keine Entschuldigung für die Unverschämtheit, mit der sie im Bericht
über den ersten Reinkevortrag die Verleumdung wiederholt hat. Reinkes Polemik
gegen den Materialismus, behauptet ferner das Blatt, passe nur auf den Materialismus
von vor hundert Jahren. „Ist denn der Monismus religionsfeindlich? Ist der
Monismus nicht selber Religion? Man erinnere sich des Vortrags, den Pastor
Steudel vor einem Jahre gehalten hat." Reinke hat es nicht mit Steudel sondern
mit Haeckel zu tun, und wie dessen Religion aussieht, das weiß die Welt: sie besteht
in Lächerlich- und Verächtlichmachung nicht bloß des Christentums sondern schon des
Glaubens an Gott, also jeder Religion. Im zweiten Vortrage hatte Reinke gefordert,
daß Vermutungen nicht für Tatsachen ausgegeben, daß Tatsachen und Hypothesen
auseinander gehalten würden. Dazu bemerkt die Vossische: „Hypothesen soll man
nicht für Tatsachen ausgeben! Zugestanden! Darf man aber Hypothesen als Hypothesen
dem Volke vorsetzen? Die Frage wirft Reinke nicht auf, aber er bejaht sie durch
die Tat, denn der Theismus, den er so stramm vertritt, ist doch auch eine Hypothese."
Warum soll man dem Volke nicht Hypothesen als Hypothesen vorsetzen dürfen? Wird
doch die atomistische Hypothese in jedem Physikunterricht vorgetragen. Wenn man
nur nicht, wie Haeckel tut, Hypothesen und Phantasien, die nicht einmal den Namen
von wissenschaftlichen Hypothesen verdienen, für Tatsachen ausgibt. — Bei einem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0347" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312041"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1393" prev="#ID_1392" next="#ID_1394"> schwachen Argumenten zu maskieren. Im dritten Vortrage hat Reinke ausdrücklich<lb/>
die Art und Weise, wie in &#x201E;liberalen" Kreisen sein Austreten charakterisiert worden<lb/>
ist, als Verleumdung bezeichnet. Die Vossische schreibt nun: &#x201E;Freilich, die Polizei<lb/>
hat er nicht gerufen. Aber ist es nicht bezeichnend, daß der geübte Journalist auf<lb/>
der Parlamentstribüne, der gewohnt ist, den Inhalt langer Reden in kurzen Sätzen<lb/>
Wiederzugeben, den Eindruck, den auf ihn die Worte Neinkes machten, in den Ruf<lb/>
nach Polizei zusammenfaßte?... Was die Journalisten am meisten dazu veranlaßt<lb/>
haben mag, das ist die Tatsache, daß Reinke im Herrenhause, in der doch wohl<lb/>
unbestritten reaktionärsten öffentlichen Körperschaft Preußens, das Einschreiten des<lb/>
Staates gegen eine Kulturbewegung forderte, daß er das Herrenhaus zum Tribunal<lb/>
machte über die Wissenschaftlichkeit der Schriften von Gelehrten." Der Hörfehler der<lb/>
Herren Journalisten ist eben daher gekommen, daß die Journalisten vom Schlage der<lb/>
Vossischen Zeitung voller Vorurteile stecken. Sie sind a xriori überzeugt, daß Haeckel<lb/>
der Inbegriff aller Wahrheit und Weisheit, daß jedes Mitglied des preußischen<lb/>
Herrenhauses und jeder Mensch, der an Gott glaubt, ein Reaktionär und ein un¬<lb/>
wissenschaftlicher Dummkopf ist, und daß alles, was an einem solchen Orte gesprochen<lb/>
wird, schlecht und dumm sein müsse. Und so hören sie denn &#x201E;Polizei", wenn Reinke<lb/>
im Herrenhause &#x201E;Biologie" fordert; Biologie kann er doch gar nicht gefordert haben,<lb/>
denn die ist ja etwas Gutes, sogar, wie jeder Berliner Backfisch weiß, das allerbeste,<lb/>
mit Liebesleben in der Natur und ähnlichen schönen Sachen garniert; wenigstens<lb/>
muß er tendenziöse Biologie gefordert haben. Er hat aber in Wirklichkeit tendenziöse<lb/>
gefordert. Nicht &#x201E;Einschreiten des Staates gegen eine Kulturbewegung" hat er ge¬<lb/>
fordert, sondern wissenschaftliche Belehrung der Jugend, damit diese zu erkennen ver¬<lb/>
möge, daß Haeckel und seine Anhänger den Schein der Wissenschaft zu einer durchaus<lb/>
unwissenschaftlichen Agitation gegen den christlichen Glauben mißbrauchen. Und nicht<lb/>
zum Tribunal über die Wissenschaftlichkeit der Schriften von Gelehrten hat Reinke<lb/>
das Herrenhaus gemacht, sondern er hat bloß in der Begründung der Forderung<lb/>
einer Erweiterung des Schulunterrichts die zur Sache gehörende Tatsache konstatiert,<lb/>
daß als wissenschaftliche Schriften Bücher und Broschüren verbreitet werden, die nach<lb/>
dem Urteile der Fachgelehrten keinen oder vielmehr einen negativen wissenschaftlichen<lb/>
Wert haben, da sie den Grundsätzen der Wissenschaft ins Gesicht schlagen. Nachdem<lb/>
übrigens ein Jahr lang über die Herrenhausrede Reinkes debattiert worden war,<lb/>
mußte die Vossische Zeitung über jenen Jouralistenirrtum längst aufgeklärt sein; es<lb/>
gibt darum keine Entschuldigung für die Unverschämtheit, mit der sie im Bericht<lb/>
über den ersten Reinkevortrag die Verleumdung wiederholt hat. Reinkes Polemik<lb/>
gegen den Materialismus, behauptet ferner das Blatt, passe nur auf den Materialismus<lb/>
von vor hundert Jahren. &#x201E;Ist denn der Monismus religionsfeindlich? Ist der<lb/>
Monismus nicht selber Religion? Man erinnere sich des Vortrags, den Pastor<lb/>
Steudel vor einem Jahre gehalten hat." Reinke hat es nicht mit Steudel sondern<lb/>
mit Haeckel zu tun, und wie dessen Religion aussieht, das weiß die Welt: sie besteht<lb/>
in Lächerlich- und Verächtlichmachung nicht bloß des Christentums sondern schon des<lb/>
Glaubens an Gott, also jeder Religion. Im zweiten Vortrage hatte Reinke gefordert,<lb/>
daß Vermutungen nicht für Tatsachen ausgegeben, daß Tatsachen und Hypothesen<lb/>
auseinander gehalten würden. Dazu bemerkt die Vossische: &#x201E;Hypothesen soll man<lb/>
nicht für Tatsachen ausgeben! Zugestanden! Darf man aber Hypothesen als Hypothesen<lb/>
dem Volke vorsetzen? Die Frage wirft Reinke nicht auf, aber er bejaht sie durch<lb/>
die Tat, denn der Theismus, den er so stramm vertritt, ist doch auch eine Hypothese."<lb/>
Warum soll man dem Volke nicht Hypothesen als Hypothesen vorsetzen dürfen? Wird<lb/>
doch die atomistische Hypothese in jedem Physikunterricht vorgetragen. Wenn man<lb/>
nur nicht, wie Haeckel tut, Hypothesen und Phantasien, die nicht einmal den Namen<lb/>
von wissenschaftlichen Hypothesen verdienen, für Tatsachen ausgibt. &#x2014; Bei einem</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0347] Maßgebliches und Unmaßgebliches schwachen Argumenten zu maskieren. Im dritten Vortrage hat Reinke ausdrücklich die Art und Weise, wie in „liberalen" Kreisen sein Austreten charakterisiert worden ist, als Verleumdung bezeichnet. Die Vossische schreibt nun: „Freilich, die Polizei hat er nicht gerufen. Aber ist es nicht bezeichnend, daß der geübte Journalist auf der Parlamentstribüne, der gewohnt ist, den Inhalt langer Reden in kurzen Sätzen Wiederzugeben, den Eindruck, den auf ihn die Worte Neinkes machten, in den Ruf nach Polizei zusammenfaßte?... Was die Journalisten am meisten dazu veranlaßt haben mag, das ist die Tatsache, daß Reinke im Herrenhause, in der doch wohl unbestritten reaktionärsten öffentlichen Körperschaft Preußens, das Einschreiten des Staates gegen eine Kulturbewegung forderte, daß er das Herrenhaus zum Tribunal machte über die Wissenschaftlichkeit der Schriften von Gelehrten." Der Hörfehler der Herren Journalisten ist eben daher gekommen, daß die Journalisten vom Schlage der Vossischen Zeitung voller Vorurteile stecken. Sie sind a xriori überzeugt, daß Haeckel der Inbegriff aller Wahrheit und Weisheit, daß jedes Mitglied des preußischen Herrenhauses und jeder Mensch, der an Gott glaubt, ein Reaktionär und ein un¬ wissenschaftlicher Dummkopf ist, und daß alles, was an einem solchen Orte gesprochen wird, schlecht und dumm sein müsse. Und so hören sie denn „Polizei", wenn Reinke im Herrenhause „Biologie" fordert; Biologie kann er doch gar nicht gefordert haben, denn die ist ja etwas Gutes, sogar, wie jeder Berliner Backfisch weiß, das allerbeste, mit Liebesleben in der Natur und ähnlichen schönen Sachen garniert; wenigstens muß er tendenziöse Biologie gefordert haben. Er hat aber in Wirklichkeit tendenziöse gefordert. Nicht „Einschreiten des Staates gegen eine Kulturbewegung" hat er ge¬ fordert, sondern wissenschaftliche Belehrung der Jugend, damit diese zu erkennen ver¬ möge, daß Haeckel und seine Anhänger den Schein der Wissenschaft zu einer durchaus unwissenschaftlichen Agitation gegen den christlichen Glauben mißbrauchen. Und nicht zum Tribunal über die Wissenschaftlichkeit der Schriften von Gelehrten hat Reinke das Herrenhaus gemacht, sondern er hat bloß in der Begründung der Forderung einer Erweiterung des Schulunterrichts die zur Sache gehörende Tatsache konstatiert, daß als wissenschaftliche Schriften Bücher und Broschüren verbreitet werden, die nach dem Urteile der Fachgelehrten keinen oder vielmehr einen negativen wissenschaftlichen Wert haben, da sie den Grundsätzen der Wissenschaft ins Gesicht schlagen. Nachdem übrigens ein Jahr lang über die Herrenhausrede Reinkes debattiert worden war, mußte die Vossische Zeitung über jenen Jouralistenirrtum längst aufgeklärt sein; es gibt darum keine Entschuldigung für die Unverschämtheit, mit der sie im Bericht über den ersten Reinkevortrag die Verleumdung wiederholt hat. Reinkes Polemik gegen den Materialismus, behauptet ferner das Blatt, passe nur auf den Materialismus von vor hundert Jahren. „Ist denn der Monismus religionsfeindlich? Ist der Monismus nicht selber Religion? Man erinnere sich des Vortrags, den Pastor Steudel vor einem Jahre gehalten hat." Reinke hat es nicht mit Steudel sondern mit Haeckel zu tun, und wie dessen Religion aussieht, das weiß die Welt: sie besteht in Lächerlich- und Verächtlichmachung nicht bloß des Christentums sondern schon des Glaubens an Gott, also jeder Religion. Im zweiten Vortrage hatte Reinke gefordert, daß Vermutungen nicht für Tatsachen ausgegeben, daß Tatsachen und Hypothesen auseinander gehalten würden. Dazu bemerkt die Vossische: „Hypothesen soll man nicht für Tatsachen ausgeben! Zugestanden! Darf man aber Hypothesen als Hypothesen dem Volke vorsetzen? Die Frage wirft Reinke nicht auf, aber er bejaht sie durch die Tat, denn der Theismus, den er so stramm vertritt, ist doch auch eine Hypothese." Warum soll man dem Volke nicht Hypothesen als Hypothesen vorsetzen dürfen? Wird doch die atomistische Hypothese in jedem Physikunterricht vorgetragen. Wenn man nur nicht, wie Haeckel tut, Hypothesen und Phantasien, die nicht einmal den Namen von wissenschaftlichen Hypothesen verdienen, für Tatsachen ausgibt. — Bei einem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/347
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/347>, abgerufen am 05.07.2024.