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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Der Abschluß der großen englischen Heeresreformen

zugegangen, worin die zu stellenden Territorialtrnppen teils nach Ma߬
gabe der Bevölkerungsziffer, teils nach den bisher bestehenden Truppenteilen
(Volunteers, Ieomanry) aufgeführt sind. Die Vorsitzenden der Verbände sind
aufgefordert worden, diese Übersichten zu prüfen und sich bei Bedenken oder
Fragen an die kommandierender Generale des Kommandos zu wenden, zu
dem der Bezirk gehört. Die Kosten für die Territorialarmee trägt natürlich
der Staat. Sie werden von der corne^ Association aufgestellt, alsdann von
den militärischen Vorgesetzten geprüft und schließlich vom Kriegsamt bewilligt.
Kriegsamt und Armeerat überwachen auch die Ausbildung der Territorialen,
die nur in der Hand von aktiven Offizieren und Unteroffizieren liegt und nicht
etwa den Grafschaften überlassen ist, wie fälschlich in der Presse berichtet wurde.
Der Eintritt in die Territorialarmee wird auch in Zukunft freiwillig sein und
erfolgt nur durch Anwerbung. Die vom 1. April d. I. an sich meldenden
Leute, die im Lebensalter von 17 bis 35 (anstatt bisher 49) Jahren stehn müssen,
werden auf 4 Jahre angeworben. Mit Zustimmung des Kommandeurs ist eine
erneute Anwerbung auf 1 bis 4 Jahre zulässig. Die Altersgrenze für das
Verbleiben der Mannschaften im Territorialheer ist das 40., mit besondrer
Erlaubnis das 45. Lebensjahr, und für Sergeanten, die nicht zum permanenten
Stäbe gehören, das 50. oder 55.

Was die Ausbildung der Territorialen anlangt, so tritt auch hierbei wieder
die enge Verbindung von Heer und Land hervor, die diesen Teil der Haldaneschen
Heeresreformen infolge der Mitarbeit der Grafschaftsverbände besonders aus¬
zeichnet. Denn diese sind es, die zwischen der Militärbehörde und den Arbeit¬
gebern die einzelnen Perioden für Ableistung der Übungen ihrer Angestellten
vereinbaren. Die Übungszeit ist sehr kurz bemessen und beschränkt sich im
wesentlichen auf acht bis fünfzehn jährliche Übungstage im Lager. Außerdem
wird durch die zahlreichen Schießvereine einiger Unterricht im Schießen erteilt
und durch Jugendwehren eine angemeßne Vorbereitung auf den militärischen
Dienst eingeleitet. Ernster soll der Dienstbetrieb bei der Territorialarmee erst
im Falle einer Mobilmachung gehandhabt werden. Dann werden alle Hebel
angesetzt, um in sechs Monaten eine feldmüßige tüchtige Truppe zu schaffen,
mit der einem feindlichen Angriff entgegengetreten werden kann. Der Gesetz¬
geber ist dabei von der Ansicht ausgegangen, daß die Heimatarmee vor sechs
Monaten nicht verwendungsbereit zu sein brauche, weil so lange, selbst im
ungünstigsten Fall, die Flotte die Seeherrschaft behaupten würde und dadurch
feindliche Landungen verhindern könne.

Alles in allem genommen, kann die neue englische Armeereform als ein
wesentlicher Fortschritt gegen früher angesehn werden. Aber nach unsern Be¬
griffen ist es kein abgeschloßnes Werk, das mit Sicherheit Erfolg verspricht.
Wie bei allen bisherigen Projekten, die am englischen Heere versucht worden sind,
hängt das Gelingen der neuen Organisation zunächst von der Frage ab, ob das
Werbesystem ausreicht, der Armee Ersatz zu verschaffen. Ist das nicht der Fall,


Der Abschluß der großen englischen Heeresreformen

zugegangen, worin die zu stellenden Territorialtrnppen teils nach Ma߬
gabe der Bevölkerungsziffer, teils nach den bisher bestehenden Truppenteilen
(Volunteers, Ieomanry) aufgeführt sind. Die Vorsitzenden der Verbände sind
aufgefordert worden, diese Übersichten zu prüfen und sich bei Bedenken oder
Fragen an die kommandierender Generale des Kommandos zu wenden, zu
dem der Bezirk gehört. Die Kosten für die Territorialarmee trägt natürlich
der Staat. Sie werden von der corne^ Association aufgestellt, alsdann von
den militärischen Vorgesetzten geprüft und schließlich vom Kriegsamt bewilligt.
Kriegsamt und Armeerat überwachen auch die Ausbildung der Territorialen,
die nur in der Hand von aktiven Offizieren und Unteroffizieren liegt und nicht
etwa den Grafschaften überlassen ist, wie fälschlich in der Presse berichtet wurde.
Der Eintritt in die Territorialarmee wird auch in Zukunft freiwillig sein und
erfolgt nur durch Anwerbung. Die vom 1. April d. I. an sich meldenden
Leute, die im Lebensalter von 17 bis 35 (anstatt bisher 49) Jahren stehn müssen,
werden auf 4 Jahre angeworben. Mit Zustimmung des Kommandeurs ist eine
erneute Anwerbung auf 1 bis 4 Jahre zulässig. Die Altersgrenze für das
Verbleiben der Mannschaften im Territorialheer ist das 40., mit besondrer
Erlaubnis das 45. Lebensjahr, und für Sergeanten, die nicht zum permanenten
Stäbe gehören, das 50. oder 55.

Was die Ausbildung der Territorialen anlangt, so tritt auch hierbei wieder
die enge Verbindung von Heer und Land hervor, die diesen Teil der Haldaneschen
Heeresreformen infolge der Mitarbeit der Grafschaftsverbände besonders aus¬
zeichnet. Denn diese sind es, die zwischen der Militärbehörde und den Arbeit¬
gebern die einzelnen Perioden für Ableistung der Übungen ihrer Angestellten
vereinbaren. Die Übungszeit ist sehr kurz bemessen und beschränkt sich im
wesentlichen auf acht bis fünfzehn jährliche Übungstage im Lager. Außerdem
wird durch die zahlreichen Schießvereine einiger Unterricht im Schießen erteilt
und durch Jugendwehren eine angemeßne Vorbereitung auf den militärischen
Dienst eingeleitet. Ernster soll der Dienstbetrieb bei der Territorialarmee erst
im Falle einer Mobilmachung gehandhabt werden. Dann werden alle Hebel
angesetzt, um in sechs Monaten eine feldmüßige tüchtige Truppe zu schaffen,
mit der einem feindlichen Angriff entgegengetreten werden kann. Der Gesetz¬
geber ist dabei von der Ansicht ausgegangen, daß die Heimatarmee vor sechs
Monaten nicht verwendungsbereit zu sein brauche, weil so lange, selbst im
ungünstigsten Fall, die Flotte die Seeherrschaft behaupten würde und dadurch
feindliche Landungen verhindern könne.

Alles in allem genommen, kann die neue englische Armeereform als ein
wesentlicher Fortschritt gegen früher angesehn werden. Aber nach unsern Be¬
griffen ist es kein abgeschloßnes Werk, das mit Sicherheit Erfolg verspricht.
Wie bei allen bisherigen Projekten, die am englischen Heere versucht worden sind,
hängt das Gelingen der neuen Organisation zunächst von der Frage ab, ob das
Werbesystem ausreicht, der Armee Ersatz zu verschaffen. Ist das nicht der Fall,


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[0312] Der Abschluß der großen englischen Heeresreformen zugegangen, worin die zu stellenden Territorialtrnppen teils nach Ma߬ gabe der Bevölkerungsziffer, teils nach den bisher bestehenden Truppenteilen (Volunteers, Ieomanry) aufgeführt sind. Die Vorsitzenden der Verbände sind aufgefordert worden, diese Übersichten zu prüfen und sich bei Bedenken oder Fragen an die kommandierender Generale des Kommandos zu wenden, zu dem der Bezirk gehört. Die Kosten für die Territorialarmee trägt natürlich der Staat. Sie werden von der corne^ Association aufgestellt, alsdann von den militärischen Vorgesetzten geprüft und schließlich vom Kriegsamt bewilligt. Kriegsamt und Armeerat überwachen auch die Ausbildung der Territorialen, die nur in der Hand von aktiven Offizieren und Unteroffizieren liegt und nicht etwa den Grafschaften überlassen ist, wie fälschlich in der Presse berichtet wurde. Der Eintritt in die Territorialarmee wird auch in Zukunft freiwillig sein und erfolgt nur durch Anwerbung. Die vom 1. April d. I. an sich meldenden Leute, die im Lebensalter von 17 bis 35 (anstatt bisher 49) Jahren stehn müssen, werden auf 4 Jahre angeworben. Mit Zustimmung des Kommandeurs ist eine erneute Anwerbung auf 1 bis 4 Jahre zulässig. Die Altersgrenze für das Verbleiben der Mannschaften im Territorialheer ist das 40., mit besondrer Erlaubnis das 45. Lebensjahr, und für Sergeanten, die nicht zum permanenten Stäbe gehören, das 50. oder 55. Was die Ausbildung der Territorialen anlangt, so tritt auch hierbei wieder die enge Verbindung von Heer und Land hervor, die diesen Teil der Haldaneschen Heeresreformen infolge der Mitarbeit der Grafschaftsverbände besonders aus¬ zeichnet. Denn diese sind es, die zwischen der Militärbehörde und den Arbeit¬ gebern die einzelnen Perioden für Ableistung der Übungen ihrer Angestellten vereinbaren. Die Übungszeit ist sehr kurz bemessen und beschränkt sich im wesentlichen auf acht bis fünfzehn jährliche Übungstage im Lager. Außerdem wird durch die zahlreichen Schießvereine einiger Unterricht im Schießen erteilt und durch Jugendwehren eine angemeßne Vorbereitung auf den militärischen Dienst eingeleitet. Ernster soll der Dienstbetrieb bei der Territorialarmee erst im Falle einer Mobilmachung gehandhabt werden. Dann werden alle Hebel angesetzt, um in sechs Monaten eine feldmüßige tüchtige Truppe zu schaffen, mit der einem feindlichen Angriff entgegengetreten werden kann. Der Gesetz¬ geber ist dabei von der Ansicht ausgegangen, daß die Heimatarmee vor sechs Monaten nicht verwendungsbereit zu sein brauche, weil so lange, selbst im ungünstigsten Fall, die Flotte die Seeherrschaft behaupten würde und dadurch feindliche Landungen verhindern könne. Alles in allem genommen, kann die neue englische Armeereform als ein wesentlicher Fortschritt gegen früher angesehn werden. Aber nach unsern Be¬ griffen ist es kein abgeschloßnes Werk, das mit Sicherheit Erfolg verspricht. Wie bei allen bisherigen Projekten, die am englischen Heere versucht worden sind, hängt das Gelingen der neuen Organisation zunächst von der Frage ab, ob das Werbesystem ausreicht, der Armee Ersatz zu verschaffen. Ist das nicht der Fall,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/312>, abgerufen am 24.07.2024.