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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die asiatische Einwandrung

verloren-- Sie hofft zuversichtlich auf die Unterstützung der Regierung des
Mutterlandes in ihrem Bestreben, zu verhindern, daß ihr Land von einer fremden
Rasse überlaufen wird, die sie sich nicht assimilieren kann. Einer Rasse, die
unsrer Zivilisation fremd ist, weder Verständnis noch Sympathie für unsre
Bestrebungen hat, ungeeignet für unsre freien Institutionen ist; für diese wäre
ihre Anwesenheit in größerer Zahl vielmehr eine ständige Bedrohung."

Es mag sein, daß der Entschluß Australiens, keine billigen asiatischen
Arbeitskräfte einzuführen, die Entwicklung des Landes verzögert hat. Wahr¬
scheinlich ist heute weniger Land unter Kultur, als wenn man dem Beispiel
Natals gefolgt wäre, vielleicht auch wären die Industrien weiter entwickelt.
Vielleicht wären die tropischen Teile Queenslands vor allem rascher gediehen,
obwohl behauptet wird, daß auch hier der Weiße wohl imstande sei, die Arbeit
selbst zu verrichten.

Eins bleibt aber zu bedenken: Australien hat sich nicht nur der asiatischen
Einwandrung gegenüber sehr ablehnend Verhalten, es hat auch der europäischen
Einwandrung -- auch der britischen -- bis vor kurzem recht bedeutende
Schwierigkeiten bereitet; unter dem Druck der Arbeiterpartei verfolgte man eine
sehr selbstsüchtige Politik. Heute ist hierin eine Änderung eingetreten. Australien
hat in den letzten Jahren erkannt, daß nur eine starke weiße Bevölkerung das
Land davor bewahren kann, eine Beute der asiatischen Mächte zu werden,
deren Völker an seine Tore pochen. Den Männern aber, die das Land nach
Möglichkeit bisher von Asiaten freigehalten haben, gebührt der Dank der
kommenden weißen Generationen. Australien beginnt heute eine mehr aktive
Politik als Macht im Stillen Ozean; wenn es sich auch bewußt ist, daß es des
Schutzes des britischen Mutterlandes für die nächsten Jahrzehnte nicht entbehren
kann, so will es doch seine Zukunft nicht in Gefahr bringen. In diesem Sinne
ist die Einladung des amerikanischen Geschwaders von großer Bedeutung. Der
australische Premierminister hat bei diesem Schritt die Zustimmung der Be¬
völkerung hinter sich. Die Nationen am Stillen Ozean haben gemeinsame
Interessen, deren sie sich immer mehr bewußt werden.

Während sich Australien verhältnismäßig von Asiaten frei gehalten hat
und Kanada die ihm drohende Gefahr ebenfalls rechtzeitig erkannt hat, liegt die
Einwandrungsfrage in Südafrika doppelt verwickelt. Von einer befriedigenden
Lösung kann hier schon gar nicht mehr die Rede sein, denn Teile Südafrikas
sind im weitesten Maße von der Versorgung mit billigen asiatischen Arbeits¬
kräften abhängig (zum Beispiel die Gartenkultur in Natal). Sir Arthur Lawley,
der ehemalige Gouverneur der Transvaalkolonie, sagt in einem Bericht: "So
vorherrschend ist das indische Element, daß in dem Augenblick, wo man die
Grenzen der Transvaalkolonie verläßt, das Gefühl, in einem europäischen
Lande zu reisen, verloren geht."

Südafrika hat außer den Asiaten eine große eingeborne Bevölkerung, die
an Zahl die Weißen weit übertrifft und sich dauernd vermehrt. Die Ein-


Die asiatische Einwandrung

verloren— Sie hofft zuversichtlich auf die Unterstützung der Regierung des
Mutterlandes in ihrem Bestreben, zu verhindern, daß ihr Land von einer fremden
Rasse überlaufen wird, die sie sich nicht assimilieren kann. Einer Rasse, die
unsrer Zivilisation fremd ist, weder Verständnis noch Sympathie für unsre
Bestrebungen hat, ungeeignet für unsre freien Institutionen ist; für diese wäre
ihre Anwesenheit in größerer Zahl vielmehr eine ständige Bedrohung."

Es mag sein, daß der Entschluß Australiens, keine billigen asiatischen
Arbeitskräfte einzuführen, die Entwicklung des Landes verzögert hat. Wahr¬
scheinlich ist heute weniger Land unter Kultur, als wenn man dem Beispiel
Natals gefolgt wäre, vielleicht auch wären die Industrien weiter entwickelt.
Vielleicht wären die tropischen Teile Queenslands vor allem rascher gediehen,
obwohl behauptet wird, daß auch hier der Weiße wohl imstande sei, die Arbeit
selbst zu verrichten.

Eins bleibt aber zu bedenken: Australien hat sich nicht nur der asiatischen
Einwandrung gegenüber sehr ablehnend Verhalten, es hat auch der europäischen
Einwandrung — auch der britischen — bis vor kurzem recht bedeutende
Schwierigkeiten bereitet; unter dem Druck der Arbeiterpartei verfolgte man eine
sehr selbstsüchtige Politik. Heute ist hierin eine Änderung eingetreten. Australien
hat in den letzten Jahren erkannt, daß nur eine starke weiße Bevölkerung das
Land davor bewahren kann, eine Beute der asiatischen Mächte zu werden,
deren Völker an seine Tore pochen. Den Männern aber, die das Land nach
Möglichkeit bisher von Asiaten freigehalten haben, gebührt der Dank der
kommenden weißen Generationen. Australien beginnt heute eine mehr aktive
Politik als Macht im Stillen Ozean; wenn es sich auch bewußt ist, daß es des
Schutzes des britischen Mutterlandes für die nächsten Jahrzehnte nicht entbehren
kann, so will es doch seine Zukunft nicht in Gefahr bringen. In diesem Sinne
ist die Einladung des amerikanischen Geschwaders von großer Bedeutung. Der
australische Premierminister hat bei diesem Schritt die Zustimmung der Be¬
völkerung hinter sich. Die Nationen am Stillen Ozean haben gemeinsame
Interessen, deren sie sich immer mehr bewußt werden.

Während sich Australien verhältnismäßig von Asiaten frei gehalten hat
und Kanada die ihm drohende Gefahr ebenfalls rechtzeitig erkannt hat, liegt die
Einwandrungsfrage in Südafrika doppelt verwickelt. Von einer befriedigenden
Lösung kann hier schon gar nicht mehr die Rede sein, denn Teile Südafrikas
sind im weitesten Maße von der Versorgung mit billigen asiatischen Arbeits¬
kräften abhängig (zum Beispiel die Gartenkultur in Natal). Sir Arthur Lawley,
der ehemalige Gouverneur der Transvaalkolonie, sagt in einem Bericht: „So
vorherrschend ist das indische Element, daß in dem Augenblick, wo man die
Grenzen der Transvaalkolonie verläßt, das Gefühl, in einem europäischen
Lande zu reisen, verloren geht."

Südafrika hat außer den Asiaten eine große eingeborne Bevölkerung, die
an Zahl die Weißen weit übertrifft und sich dauernd vermehrt. Die Ein-


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[0174] Die asiatische Einwandrung verloren— Sie hofft zuversichtlich auf die Unterstützung der Regierung des Mutterlandes in ihrem Bestreben, zu verhindern, daß ihr Land von einer fremden Rasse überlaufen wird, die sie sich nicht assimilieren kann. Einer Rasse, die unsrer Zivilisation fremd ist, weder Verständnis noch Sympathie für unsre Bestrebungen hat, ungeeignet für unsre freien Institutionen ist; für diese wäre ihre Anwesenheit in größerer Zahl vielmehr eine ständige Bedrohung." Es mag sein, daß der Entschluß Australiens, keine billigen asiatischen Arbeitskräfte einzuführen, die Entwicklung des Landes verzögert hat. Wahr¬ scheinlich ist heute weniger Land unter Kultur, als wenn man dem Beispiel Natals gefolgt wäre, vielleicht auch wären die Industrien weiter entwickelt. Vielleicht wären die tropischen Teile Queenslands vor allem rascher gediehen, obwohl behauptet wird, daß auch hier der Weiße wohl imstande sei, die Arbeit selbst zu verrichten. Eins bleibt aber zu bedenken: Australien hat sich nicht nur der asiatischen Einwandrung gegenüber sehr ablehnend Verhalten, es hat auch der europäischen Einwandrung — auch der britischen — bis vor kurzem recht bedeutende Schwierigkeiten bereitet; unter dem Druck der Arbeiterpartei verfolgte man eine sehr selbstsüchtige Politik. Heute ist hierin eine Änderung eingetreten. Australien hat in den letzten Jahren erkannt, daß nur eine starke weiße Bevölkerung das Land davor bewahren kann, eine Beute der asiatischen Mächte zu werden, deren Völker an seine Tore pochen. Den Männern aber, die das Land nach Möglichkeit bisher von Asiaten freigehalten haben, gebührt der Dank der kommenden weißen Generationen. Australien beginnt heute eine mehr aktive Politik als Macht im Stillen Ozean; wenn es sich auch bewußt ist, daß es des Schutzes des britischen Mutterlandes für die nächsten Jahrzehnte nicht entbehren kann, so will es doch seine Zukunft nicht in Gefahr bringen. In diesem Sinne ist die Einladung des amerikanischen Geschwaders von großer Bedeutung. Der australische Premierminister hat bei diesem Schritt die Zustimmung der Be¬ völkerung hinter sich. Die Nationen am Stillen Ozean haben gemeinsame Interessen, deren sie sich immer mehr bewußt werden. Während sich Australien verhältnismäßig von Asiaten frei gehalten hat und Kanada die ihm drohende Gefahr ebenfalls rechtzeitig erkannt hat, liegt die Einwandrungsfrage in Südafrika doppelt verwickelt. Von einer befriedigenden Lösung kann hier schon gar nicht mehr die Rede sein, denn Teile Südafrikas sind im weitesten Maße von der Versorgung mit billigen asiatischen Arbeits¬ kräften abhängig (zum Beispiel die Gartenkultur in Natal). Sir Arthur Lawley, der ehemalige Gouverneur der Transvaalkolonie, sagt in einem Bericht: „So vorherrschend ist das indische Element, daß in dem Augenblick, wo man die Grenzen der Transvaalkolonie verläßt, das Gefühl, in einem europäischen Lande zu reisen, verloren geht." Südafrika hat außer den Asiaten eine große eingeborne Bevölkerung, die an Zahl die Weißen weit übertrifft und sich dauernd vermehrt. Die Ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/174>, abgerufen am 24.07.2024.