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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Das Thema ist bekanntlich dadurch angeregt worden, daß der preußische Landtag
die Verwirklichung der bekannten Kanalbaupläne seinerzeit davon abhängig gemacht
hat, daß die Kosten für die Instandhaltung der künstlichen und die Regulierung
der natürlichen Wasserstraßen durch besondre Abgaben aufgebracht werden. Die
preußische Staatsregierung hat diesen Standpunkt als berechtigt anerkannt^ und sich
zu eigen gemacht. Dagegen regt sich nun eine sehr scharfe Opposition in andern,
vornehmlich außerpreußischen Interessenkreisen, die sich darauf stützen, daß solche
Schiffahrtsabgaben nach Artikel 54 der Reichsverfassung unzulässig seien. Wenn man
die Sache so ansahe, würde sich unter Umständen daraus ein Konflikt zwischen Preußen
und dem Reich ergeben. Es war deshalb durchaus gerechtfertigt, daß man die Sache
gern im Reichstage klarstellen und die Stellung der Parteien dazu zu erfahren suchte.
Das war die Veranlassung der Jnterpellation, die am l. April besprochen wurde.
Der Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg gab dabei die Erklärung ab, daß die
Frage der Auslegung des Artikels 54 der Reichsverfassung im Bundesrat noch nicht
ganz abgeschlossen sei; man verhandle noch darüber. Doch ist die preußische Re¬
gierung so sehr von der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Forderung über¬
zeugt, daß sie, falls die Bedenken nicht auf dem Wege der Verständigung mit den
Bundesstaaten beseitigt werden, nötigenfalls auch Verhandlungen wegen Änderung
des Verfassungsartikels 54 ausnehmen würde. Es ist nun sehr bemerkenswert, daß
sich die Mehrheit des Reichstags in dieser Frage auf die Seite der preußischen
Regierung gestellt hat. Die Parteien sind dabei nicht alle einheitlich gestimmt.
In der nationalliberalen Partei finden sich gerade hier die Vertretungen sehr ver-
schiedner, zum Teil konkurrierender Interessen. Aber die Mehrheit der Partei
neigt doch der Ansicht zu, daß es sich bei der Erhebung von Schiffahrtsabgaben
in der Form, wie sie von der preußischen Regierung in Aussicht genommen ist, um
eine notwendige Einrichtung handelt, die dem Geist und der Absicht des Artikels 54
keinesfalls widerspricht, auch wenn nach dem Wortlaut der Verfassungsbestimmung
eine entgegengesetzte Deutung möglich sein sollte. Der erwähnte Artikel ist unter
dem Einfluß der Erinnerung zustande gekommen, daß in frühern Zeiten die Binnen¬
schiffahrt auf deutschen Wasserstraßen von den einzelnen Staaten als bequeme Ein¬
nahmequelle ausgenutzt wurde durch Erhebung von Finanzzöllen. Demgegenüber
galt es ausdrücklich zu betonen, daß das Deutsche Reich ein einheitliches Handels¬
gebiet darstellen sollte, worin die Erhebung einzelstaatlicher Binnenschiffahrtszölle
verboten wurde. Die Fassung des Artikels 54 aber, wenn sie auch nicht sehr
glücklich ausgefallen ist, zeigt doch, daß man sachlich gerechtfertigte Abgaben, die
dem Zweck der Schiffahrt selbst dienen sollen und dieser wieder zugute kommen,
nicht ohne weiteres mit dem Verbot treffen wollte. Die Zweifel, die darüber
möglich sind, welche Abgaben als zulässig angesehen werden können oder nicht, geben
natürlich den verschiednen Interessenkreisen Gelegenheit, sich bei Geltendmachung
ihrer Sonderwünsche auf die Reichsverfassung zu berufen. In Preußen würdigt
man das so weit, daß beabsichtigt wird, nicht ohne weiteres von Staats wegen die
Sache in die Hand zu nehmen, sondern Zweckverbände zu organisieren, die die
Frage in den verschiednen Wirtschaftsgebieten regeln. So wird es hoffentlich ge¬
lingen, zu einer zweckmäßigen Verständigung zu gelangen.

In der letzten Zeit hatte die Welt auch wieder einmal ihre große Sensation.
Wir meinen die Erörterungen, die sich an den sogenannten "Fall Tower-Hill"
knüpften. Der amerikanische Botschafter in Berlin, Herr Charlemagne Tower, sollte
abberufen werden, und an seine Stelle sollte Herr David Jayme Hill treten. Alle
Formalitäten waren erfüllt, als vor kurzem plötzlich behauptet wurde, die Ernennung
des Herrn Hill sei von Berlin aus beanstandet worden. Alle amtlich informierten
Stellen beeilten sich, dieser Behauptung zu widersprechen, wie sie es mit gutem
Gewissen auch tuu konnten. Aber überall, wo die Sensation einen guten Boden
fand, und wo man gern Deutschland etwas am Zeuge flickt, wurde die Behauptung


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Das Thema ist bekanntlich dadurch angeregt worden, daß der preußische Landtag
die Verwirklichung der bekannten Kanalbaupläne seinerzeit davon abhängig gemacht
hat, daß die Kosten für die Instandhaltung der künstlichen und die Regulierung
der natürlichen Wasserstraßen durch besondre Abgaben aufgebracht werden. Die
preußische Staatsregierung hat diesen Standpunkt als berechtigt anerkannt^ und sich
zu eigen gemacht. Dagegen regt sich nun eine sehr scharfe Opposition in andern,
vornehmlich außerpreußischen Interessenkreisen, die sich darauf stützen, daß solche
Schiffahrtsabgaben nach Artikel 54 der Reichsverfassung unzulässig seien. Wenn man
die Sache so ansahe, würde sich unter Umständen daraus ein Konflikt zwischen Preußen
und dem Reich ergeben. Es war deshalb durchaus gerechtfertigt, daß man die Sache
gern im Reichstage klarstellen und die Stellung der Parteien dazu zu erfahren suchte.
Das war die Veranlassung der Jnterpellation, die am l. April besprochen wurde.
Der Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg gab dabei die Erklärung ab, daß die
Frage der Auslegung des Artikels 54 der Reichsverfassung im Bundesrat noch nicht
ganz abgeschlossen sei; man verhandle noch darüber. Doch ist die preußische Re¬
gierung so sehr von der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Forderung über¬
zeugt, daß sie, falls die Bedenken nicht auf dem Wege der Verständigung mit den
Bundesstaaten beseitigt werden, nötigenfalls auch Verhandlungen wegen Änderung
des Verfassungsartikels 54 ausnehmen würde. Es ist nun sehr bemerkenswert, daß
sich die Mehrheit des Reichstags in dieser Frage auf die Seite der preußischen
Regierung gestellt hat. Die Parteien sind dabei nicht alle einheitlich gestimmt.
In der nationalliberalen Partei finden sich gerade hier die Vertretungen sehr ver-
schiedner, zum Teil konkurrierender Interessen. Aber die Mehrheit der Partei
neigt doch der Ansicht zu, daß es sich bei der Erhebung von Schiffahrtsabgaben
in der Form, wie sie von der preußischen Regierung in Aussicht genommen ist, um
eine notwendige Einrichtung handelt, die dem Geist und der Absicht des Artikels 54
keinesfalls widerspricht, auch wenn nach dem Wortlaut der Verfassungsbestimmung
eine entgegengesetzte Deutung möglich sein sollte. Der erwähnte Artikel ist unter
dem Einfluß der Erinnerung zustande gekommen, daß in frühern Zeiten die Binnen¬
schiffahrt auf deutschen Wasserstraßen von den einzelnen Staaten als bequeme Ein¬
nahmequelle ausgenutzt wurde durch Erhebung von Finanzzöllen. Demgegenüber
galt es ausdrücklich zu betonen, daß das Deutsche Reich ein einheitliches Handels¬
gebiet darstellen sollte, worin die Erhebung einzelstaatlicher Binnenschiffahrtszölle
verboten wurde. Die Fassung des Artikels 54 aber, wenn sie auch nicht sehr
glücklich ausgefallen ist, zeigt doch, daß man sachlich gerechtfertigte Abgaben, die
dem Zweck der Schiffahrt selbst dienen sollen und dieser wieder zugute kommen,
nicht ohne weiteres mit dem Verbot treffen wollte. Die Zweifel, die darüber
möglich sind, welche Abgaben als zulässig angesehen werden können oder nicht, geben
natürlich den verschiednen Interessenkreisen Gelegenheit, sich bei Geltendmachung
ihrer Sonderwünsche auf die Reichsverfassung zu berufen. In Preußen würdigt
man das so weit, daß beabsichtigt wird, nicht ohne weiteres von Staats wegen die
Sache in die Hand zu nehmen, sondern Zweckverbände zu organisieren, die die
Frage in den verschiednen Wirtschaftsgebieten regeln. So wird es hoffentlich ge¬
lingen, zu einer zweckmäßigen Verständigung zu gelangen.

In der letzten Zeit hatte die Welt auch wieder einmal ihre große Sensation.
Wir meinen die Erörterungen, die sich an den sogenannten „Fall Tower-Hill"
knüpften. Der amerikanische Botschafter in Berlin, Herr Charlemagne Tower, sollte
abberufen werden, und an seine Stelle sollte Herr David Jayme Hill treten. Alle
Formalitäten waren erfüllt, als vor kurzem plötzlich behauptet wurde, die Ernennung
des Herrn Hill sei von Berlin aus beanstandet worden. Alle amtlich informierten
Stellen beeilten sich, dieser Behauptung zu widersprechen, wie sie es mit gutem
Gewissen auch tuu konnten. Aber überall, wo die Sensation einen guten Boden
fand, und wo man gern Deutschland etwas am Zeuge flickt, wurde die Behauptung


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[0114] Maßgebliches und Unmaßgebliches Das Thema ist bekanntlich dadurch angeregt worden, daß der preußische Landtag die Verwirklichung der bekannten Kanalbaupläne seinerzeit davon abhängig gemacht hat, daß die Kosten für die Instandhaltung der künstlichen und die Regulierung der natürlichen Wasserstraßen durch besondre Abgaben aufgebracht werden. Die preußische Staatsregierung hat diesen Standpunkt als berechtigt anerkannt^ und sich zu eigen gemacht. Dagegen regt sich nun eine sehr scharfe Opposition in andern, vornehmlich außerpreußischen Interessenkreisen, die sich darauf stützen, daß solche Schiffahrtsabgaben nach Artikel 54 der Reichsverfassung unzulässig seien. Wenn man die Sache so ansahe, würde sich unter Umständen daraus ein Konflikt zwischen Preußen und dem Reich ergeben. Es war deshalb durchaus gerechtfertigt, daß man die Sache gern im Reichstage klarstellen und die Stellung der Parteien dazu zu erfahren suchte. Das war die Veranlassung der Jnterpellation, die am l. April besprochen wurde. Der Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg gab dabei die Erklärung ab, daß die Frage der Auslegung des Artikels 54 der Reichsverfassung im Bundesrat noch nicht ganz abgeschlossen sei; man verhandle noch darüber. Doch ist die preußische Re¬ gierung so sehr von der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Forderung über¬ zeugt, daß sie, falls die Bedenken nicht auf dem Wege der Verständigung mit den Bundesstaaten beseitigt werden, nötigenfalls auch Verhandlungen wegen Änderung des Verfassungsartikels 54 ausnehmen würde. Es ist nun sehr bemerkenswert, daß sich die Mehrheit des Reichstags in dieser Frage auf die Seite der preußischen Regierung gestellt hat. Die Parteien sind dabei nicht alle einheitlich gestimmt. In der nationalliberalen Partei finden sich gerade hier die Vertretungen sehr ver- schiedner, zum Teil konkurrierender Interessen. Aber die Mehrheit der Partei neigt doch der Ansicht zu, daß es sich bei der Erhebung von Schiffahrtsabgaben in der Form, wie sie von der preußischen Regierung in Aussicht genommen ist, um eine notwendige Einrichtung handelt, die dem Geist und der Absicht des Artikels 54 keinesfalls widerspricht, auch wenn nach dem Wortlaut der Verfassungsbestimmung eine entgegengesetzte Deutung möglich sein sollte. Der erwähnte Artikel ist unter dem Einfluß der Erinnerung zustande gekommen, daß in frühern Zeiten die Binnen¬ schiffahrt auf deutschen Wasserstraßen von den einzelnen Staaten als bequeme Ein¬ nahmequelle ausgenutzt wurde durch Erhebung von Finanzzöllen. Demgegenüber galt es ausdrücklich zu betonen, daß das Deutsche Reich ein einheitliches Handels¬ gebiet darstellen sollte, worin die Erhebung einzelstaatlicher Binnenschiffahrtszölle verboten wurde. Die Fassung des Artikels 54 aber, wenn sie auch nicht sehr glücklich ausgefallen ist, zeigt doch, daß man sachlich gerechtfertigte Abgaben, die dem Zweck der Schiffahrt selbst dienen sollen und dieser wieder zugute kommen, nicht ohne weiteres mit dem Verbot treffen wollte. Die Zweifel, die darüber möglich sind, welche Abgaben als zulässig angesehen werden können oder nicht, geben natürlich den verschiednen Interessenkreisen Gelegenheit, sich bei Geltendmachung ihrer Sonderwünsche auf die Reichsverfassung zu berufen. In Preußen würdigt man das so weit, daß beabsichtigt wird, nicht ohne weiteres von Staats wegen die Sache in die Hand zu nehmen, sondern Zweckverbände zu organisieren, die die Frage in den verschiednen Wirtschaftsgebieten regeln. So wird es hoffentlich ge¬ lingen, zu einer zweckmäßigen Verständigung zu gelangen. In der letzten Zeit hatte die Welt auch wieder einmal ihre große Sensation. Wir meinen die Erörterungen, die sich an den sogenannten „Fall Tower-Hill" knüpften. Der amerikanische Botschafter in Berlin, Herr Charlemagne Tower, sollte abberufen werden, und an seine Stelle sollte Herr David Jayme Hill treten. Alle Formalitäten waren erfüllt, als vor kurzem plötzlich behauptet wurde, die Ernennung des Herrn Hill sei von Berlin aus beanstandet worden. Alle amtlich informierten Stellen beeilten sich, dieser Behauptung zu widersprechen, wie sie es mit gutem Gewissen auch tuu konnten. Aber überall, wo die Sensation einen guten Boden fand, und wo man gern Deutschland etwas am Zeuge flickt, wurde die Behauptung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/114>, abgerufen am 25.07.2024.