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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Neuordnung der Beamtenbesolduiigen -- ein sozialpolitisches Problem

die Erziehungszulage ihr Gegenstück und ihre Ergänzung in der Ausgestaltung
des an sich schon wohltätigen Altersstufensystems finden. Dieses ist nicht etwa
darin begründet, daß der Staatsdiener in höherm Alter mehr leiste, sondern
darin, daß seine Bedürfnisse mit dem Alter wachsen, und zwar gilt dies für
alle Beamten, auch die unverheirateten und kinderlosen. Mit Einführung
weiterer Altersstufen würde auch für die große Mehrzahl der Fälle der einzige
wesentliche Mißstand, der der Erziehungszulage anhaftet, nämlich der Ein¬
nahmerückgang bei Wegfall der Zulage, beseitigt. Dieser Ausfall würde sich
mit der Erreichung weiterer Altersstufen ausgleichen. Jedenfalls haben die
Altersstufen den großen Vorteil, daß sie einer gleichmäßigen Erhöhung der
Lebenshaltung des ganzen Standes entgegenwirken und, wie die Erziehungs¬
zulage, dem wirklichen Bedürfnisse gerecht werden.

Man hat gegen unsern Vorschlag das häßliche Schlagwort "Kinder¬
prämie" auszuspielen gesucht. Nun habe ich aber absichtlich von einer Berück¬
sichtigung der Kinderzahl abgesehen, entsprechend dem oben aufgestellten Grundsatz,
daß eine Gehaltsregelung ein Pauschale darstellen muß und nicht allen Einzel¬
heiten des Bedürfnisses gerecht werden kann. Nach unserm Vorschlag wird die
Kinderzahl nur insoweit in Berücksichtigung gezogen, als sich je nach der Zahl
der Kinder das Recht auf den Bezug der Erziehungszulage verlängert. Sie soll
in gleicher Höhe, die Abstufungen nach der Größe des Gehalts selbstverständlich
vorausgesetzt, bezogen werden, bis das jüngste Kind das einundzwanzigste Lebens¬
jahr vollendet hat. Sogar bei der Regelung der Zulage mit Abstufung nach der
Kinderzahl wäre der in jenem Schlagwort versteckte Angriff nicht gerechtfertigt,
denn die Zulage würde in diesem Fall für das einzelne Kind schon aus
Gründen der staatlichen Finanzlage so niedrig bemessen werden, daß bei den
einer starken Kindererzeugung unter unsern Kulturverhältnissen ohnehin ent¬
gegenstrebenden Umständen eine irgendwie bedenkliche Wirkung auf das Be¬
völkerungsproblem nicht zu erwarten wäre. Die Folgen einer solchen auf
sozialpolitischen Erwägungen beruhenden Regelung der Gehaltsverhältnisse
könnten vielmehr nur günstige sein. Die wirtschaftliche Lage der Beamten¬
familien würde verbessert; die Sorgen der Familienväter würden erleichtert
und damit das Familienleben wieder gesunder und mehr erstrebenswert werden.
Ein großer Vorteil wäre schon erreicht, wenn die in Beamtenkreisen bestehende
Abneigung gegen Familiengründung und die beklagenswerte Angst vor Kinder¬
segen wenigstens nicht weitere Ausbreitung erfahren würden. Bei dem beispiel¬
gebenden Einfluß des Beamtentums auf andre Volks kreise könnte aber mit
Stärkung des Familiensinns in seinen eignen Reihen auch eine sehr erfreuliche
Förderung der idealen Kräfte in unserm Volkstum überhaupt erreicht werden.


Theobaldvogt


Die Neuordnung der Beamtenbesolduiigen — ein sozialpolitisches Problem

die Erziehungszulage ihr Gegenstück und ihre Ergänzung in der Ausgestaltung
des an sich schon wohltätigen Altersstufensystems finden. Dieses ist nicht etwa
darin begründet, daß der Staatsdiener in höherm Alter mehr leiste, sondern
darin, daß seine Bedürfnisse mit dem Alter wachsen, und zwar gilt dies für
alle Beamten, auch die unverheirateten und kinderlosen. Mit Einführung
weiterer Altersstufen würde auch für die große Mehrzahl der Fälle der einzige
wesentliche Mißstand, der der Erziehungszulage anhaftet, nämlich der Ein¬
nahmerückgang bei Wegfall der Zulage, beseitigt. Dieser Ausfall würde sich
mit der Erreichung weiterer Altersstufen ausgleichen. Jedenfalls haben die
Altersstufen den großen Vorteil, daß sie einer gleichmäßigen Erhöhung der
Lebenshaltung des ganzen Standes entgegenwirken und, wie die Erziehungs¬
zulage, dem wirklichen Bedürfnisse gerecht werden.

Man hat gegen unsern Vorschlag das häßliche Schlagwort „Kinder¬
prämie" auszuspielen gesucht. Nun habe ich aber absichtlich von einer Berück¬
sichtigung der Kinderzahl abgesehen, entsprechend dem oben aufgestellten Grundsatz,
daß eine Gehaltsregelung ein Pauschale darstellen muß und nicht allen Einzel¬
heiten des Bedürfnisses gerecht werden kann. Nach unserm Vorschlag wird die
Kinderzahl nur insoweit in Berücksichtigung gezogen, als sich je nach der Zahl
der Kinder das Recht auf den Bezug der Erziehungszulage verlängert. Sie soll
in gleicher Höhe, die Abstufungen nach der Größe des Gehalts selbstverständlich
vorausgesetzt, bezogen werden, bis das jüngste Kind das einundzwanzigste Lebens¬
jahr vollendet hat. Sogar bei der Regelung der Zulage mit Abstufung nach der
Kinderzahl wäre der in jenem Schlagwort versteckte Angriff nicht gerechtfertigt,
denn die Zulage würde in diesem Fall für das einzelne Kind schon aus
Gründen der staatlichen Finanzlage so niedrig bemessen werden, daß bei den
einer starken Kindererzeugung unter unsern Kulturverhältnissen ohnehin ent¬
gegenstrebenden Umständen eine irgendwie bedenkliche Wirkung auf das Be¬
völkerungsproblem nicht zu erwarten wäre. Die Folgen einer solchen auf
sozialpolitischen Erwägungen beruhenden Regelung der Gehaltsverhältnisse
könnten vielmehr nur günstige sein. Die wirtschaftliche Lage der Beamten¬
familien würde verbessert; die Sorgen der Familienväter würden erleichtert
und damit das Familienleben wieder gesunder und mehr erstrebenswert werden.
Ein großer Vorteil wäre schon erreicht, wenn die in Beamtenkreisen bestehende
Abneigung gegen Familiengründung und die beklagenswerte Angst vor Kinder¬
segen wenigstens nicht weitere Ausbreitung erfahren würden. Bei dem beispiel¬
gebenden Einfluß des Beamtentums auf andre Volks kreise könnte aber mit
Stärkung des Familiensinns in seinen eignen Reihen auch eine sehr erfreuliche
Förderung der idealen Kräfte in unserm Volkstum überhaupt erreicht werden.


Theobaldvogt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/89>, abgerufen am 24.08.2024.