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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Neuordnung der Beamtenbesoldungen -- ein sozialpolitisches Problem

Dienern den notdürftigen Lebensunterhalt zu gewähren, sondern er erfüllt seine
Verpflichtung nur mit Darbietung des standesgemäßen Unterhalts. Der
Beamte muß in der Lage sein, die Ausgaben zu bestreiten, die in der Gesellschafts¬
klasse, zu der er sich rechnen darf, als unumgänglich angesehen werden. Demnach
ist das wirkliche Bedürfnis der Staatsdiener der richtige Gradmesser für die Ge¬
haltsregelung; daraus ergibt sich aber, daß Verschiedenheit des Bedürfnisses auch
eine besondre Abstufung der Gehälter rechtfertigt. Hierbei wäre es nun aller¬
dings durchaus unrichtig und eine Übertreibung jenes an sich richtigen Grund¬
satzes, wenn bei der Erforschung des Bedürfnisses bis in Einzelheiten gegangen
würde. Die Beamtenbesoldung muß immer ein Pauschale darstellen, das für
die Durchschnittsansprüche großer Kategorien zutreffen soll. Unbegründet ist
demnach die vielfach hervorgetretne Behauptung, bei der Gehaltsbemessung müsse
auch eine Alimentationspflicht gegen Eltern, Geschwister u. tgi. berücksichtigt
werden. Für solche und andre Fälle, die nicht als Regelfälle gelten können,
zum Beispiel Verschuldung infolge von Krankheit und andre Umstünde -- auch
besonders großer Kindersegen kann hierher gerechnet werden --, mögen besondre
Fonds dienen; der Normalgehalt kann auf solche Ausnahmen nicht eingestellt
werden. Von diesem Standpunkt aus, daß nicht die Bedürfnisse im einzelnen,
sondern nur große Unterschiede in den Bedürfnissen zu berücksichtigen sind, wäre
auch die vielfach geforderte Verkürzung der unverheirateten Beamten in bezug auf
das Wohnungsgeld nicht zu rechtfertigen. Es soll nicht bestritten werden, daß der
Bedarf des Junggesellen im Durchschnitt auch den des verheirateten aber kinderlosen
Kollegen nicht erreicht; aber der Unterschied ist viel zu gering, als daß sich darauf¬
hin eine Verkürzung im Gehaltsbezug rechtfertigen ließe. Die Besoldung muß so
bemessen sein, daß sie nicht nur dem unverheirateten Beamten, sondern auch dem
verheirateten ohne Kinder oder mit Kindern in den ersten Lebensjahren ein
ausreichendes Auskommen sichert. Diesen Anforderungen mögen die gegen¬
wärtigen Gehälter im Reichsdienst und in Preußen im allgemeinen vielleicht
noch entsprechen; unzureichend sind sie aber sicher für die beträchtliche
Steigerung der Ausgaben, die durch die Erziehungs- und Unter¬
haltungskosten für heranwachsende Kinder verursacht werden. Und
diese große, für das Staatswohl wichtige Kategorie der Familienväter mit
heranwachsenden Kindern ist es, die bei einer Besoldungsänderung besonders
berücksichtigt werden müßte. Solche Beamtenfamilien sind in sehr schlechter
Lage, wenn sie vermögenslos sind; die Spannung zwischen Bedarf und Gehalt
ist aber meist so groß, daß sich sogar Vermögen besitzende Beamtenfamilien in
wirtschaftlich gedrückter Lage befinden. Große Vermögen sind im deutschen
Beamtentum nur sehr spärlich vorhanden; dagegen hat der wirtschaftliche Auf¬
schwung dem Beamtenstand viele mittlere und kleine Vermögen zugeführt. Nur
dem Umstände, daß solche Vermögen in die Lücke getreten und zur Bestreitung
des standesgemäßen Unterhalts zahlreicher Beamtenfamilien ganz oder teilweise
aufgezehrt worden sind, ist es zu verdanken, daß die vorhandnen Mißstände


Die Neuordnung der Beamtenbesoldungen — ein sozialpolitisches Problem

Dienern den notdürftigen Lebensunterhalt zu gewähren, sondern er erfüllt seine
Verpflichtung nur mit Darbietung des standesgemäßen Unterhalts. Der
Beamte muß in der Lage sein, die Ausgaben zu bestreiten, die in der Gesellschafts¬
klasse, zu der er sich rechnen darf, als unumgänglich angesehen werden. Demnach
ist das wirkliche Bedürfnis der Staatsdiener der richtige Gradmesser für die Ge¬
haltsregelung; daraus ergibt sich aber, daß Verschiedenheit des Bedürfnisses auch
eine besondre Abstufung der Gehälter rechtfertigt. Hierbei wäre es nun aller¬
dings durchaus unrichtig und eine Übertreibung jenes an sich richtigen Grund¬
satzes, wenn bei der Erforschung des Bedürfnisses bis in Einzelheiten gegangen
würde. Die Beamtenbesoldung muß immer ein Pauschale darstellen, das für
die Durchschnittsansprüche großer Kategorien zutreffen soll. Unbegründet ist
demnach die vielfach hervorgetretne Behauptung, bei der Gehaltsbemessung müsse
auch eine Alimentationspflicht gegen Eltern, Geschwister u. tgi. berücksichtigt
werden. Für solche und andre Fälle, die nicht als Regelfälle gelten können,
zum Beispiel Verschuldung infolge von Krankheit und andre Umstünde — auch
besonders großer Kindersegen kann hierher gerechnet werden —, mögen besondre
Fonds dienen; der Normalgehalt kann auf solche Ausnahmen nicht eingestellt
werden. Von diesem Standpunkt aus, daß nicht die Bedürfnisse im einzelnen,
sondern nur große Unterschiede in den Bedürfnissen zu berücksichtigen sind, wäre
auch die vielfach geforderte Verkürzung der unverheirateten Beamten in bezug auf
das Wohnungsgeld nicht zu rechtfertigen. Es soll nicht bestritten werden, daß der
Bedarf des Junggesellen im Durchschnitt auch den des verheirateten aber kinderlosen
Kollegen nicht erreicht; aber der Unterschied ist viel zu gering, als daß sich darauf¬
hin eine Verkürzung im Gehaltsbezug rechtfertigen ließe. Die Besoldung muß so
bemessen sein, daß sie nicht nur dem unverheirateten Beamten, sondern auch dem
verheirateten ohne Kinder oder mit Kindern in den ersten Lebensjahren ein
ausreichendes Auskommen sichert. Diesen Anforderungen mögen die gegen¬
wärtigen Gehälter im Reichsdienst und in Preußen im allgemeinen vielleicht
noch entsprechen; unzureichend sind sie aber sicher für die beträchtliche
Steigerung der Ausgaben, die durch die Erziehungs- und Unter¬
haltungskosten für heranwachsende Kinder verursacht werden. Und
diese große, für das Staatswohl wichtige Kategorie der Familienväter mit
heranwachsenden Kindern ist es, die bei einer Besoldungsänderung besonders
berücksichtigt werden müßte. Solche Beamtenfamilien sind in sehr schlechter
Lage, wenn sie vermögenslos sind; die Spannung zwischen Bedarf und Gehalt
ist aber meist so groß, daß sich sogar Vermögen besitzende Beamtenfamilien in
wirtschaftlich gedrückter Lage befinden. Große Vermögen sind im deutschen
Beamtentum nur sehr spärlich vorhanden; dagegen hat der wirtschaftliche Auf¬
schwung dem Beamtenstand viele mittlere und kleine Vermögen zugeführt. Nur
dem Umstände, daß solche Vermögen in die Lücke getreten und zur Bestreitung
des standesgemäßen Unterhalts zahlreicher Beamtenfamilien ganz oder teilweise
aufgezehrt worden sind, ist es zu verdanken, daß die vorhandnen Mißstände


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[0087] Die Neuordnung der Beamtenbesoldungen — ein sozialpolitisches Problem Dienern den notdürftigen Lebensunterhalt zu gewähren, sondern er erfüllt seine Verpflichtung nur mit Darbietung des standesgemäßen Unterhalts. Der Beamte muß in der Lage sein, die Ausgaben zu bestreiten, die in der Gesellschafts¬ klasse, zu der er sich rechnen darf, als unumgänglich angesehen werden. Demnach ist das wirkliche Bedürfnis der Staatsdiener der richtige Gradmesser für die Ge¬ haltsregelung; daraus ergibt sich aber, daß Verschiedenheit des Bedürfnisses auch eine besondre Abstufung der Gehälter rechtfertigt. Hierbei wäre es nun aller¬ dings durchaus unrichtig und eine Übertreibung jenes an sich richtigen Grund¬ satzes, wenn bei der Erforschung des Bedürfnisses bis in Einzelheiten gegangen würde. Die Beamtenbesoldung muß immer ein Pauschale darstellen, das für die Durchschnittsansprüche großer Kategorien zutreffen soll. Unbegründet ist demnach die vielfach hervorgetretne Behauptung, bei der Gehaltsbemessung müsse auch eine Alimentationspflicht gegen Eltern, Geschwister u. tgi. berücksichtigt werden. Für solche und andre Fälle, die nicht als Regelfälle gelten können, zum Beispiel Verschuldung infolge von Krankheit und andre Umstünde — auch besonders großer Kindersegen kann hierher gerechnet werden —, mögen besondre Fonds dienen; der Normalgehalt kann auf solche Ausnahmen nicht eingestellt werden. Von diesem Standpunkt aus, daß nicht die Bedürfnisse im einzelnen, sondern nur große Unterschiede in den Bedürfnissen zu berücksichtigen sind, wäre auch die vielfach geforderte Verkürzung der unverheirateten Beamten in bezug auf das Wohnungsgeld nicht zu rechtfertigen. Es soll nicht bestritten werden, daß der Bedarf des Junggesellen im Durchschnitt auch den des verheirateten aber kinderlosen Kollegen nicht erreicht; aber der Unterschied ist viel zu gering, als daß sich darauf¬ hin eine Verkürzung im Gehaltsbezug rechtfertigen ließe. Die Besoldung muß so bemessen sein, daß sie nicht nur dem unverheirateten Beamten, sondern auch dem verheirateten ohne Kinder oder mit Kindern in den ersten Lebensjahren ein ausreichendes Auskommen sichert. Diesen Anforderungen mögen die gegen¬ wärtigen Gehälter im Reichsdienst und in Preußen im allgemeinen vielleicht noch entsprechen; unzureichend sind sie aber sicher für die beträchtliche Steigerung der Ausgaben, die durch die Erziehungs- und Unter¬ haltungskosten für heranwachsende Kinder verursacht werden. Und diese große, für das Staatswohl wichtige Kategorie der Familienväter mit heranwachsenden Kindern ist es, die bei einer Besoldungsänderung besonders berücksichtigt werden müßte. Solche Beamtenfamilien sind in sehr schlechter Lage, wenn sie vermögenslos sind; die Spannung zwischen Bedarf und Gehalt ist aber meist so groß, daß sich sogar Vermögen besitzende Beamtenfamilien in wirtschaftlich gedrückter Lage befinden. Große Vermögen sind im deutschen Beamtentum nur sehr spärlich vorhanden; dagegen hat der wirtschaftliche Auf¬ schwung dem Beamtenstand viele mittlere und kleine Vermögen zugeführt. Nur dem Umstände, daß solche Vermögen in die Lücke getreten und zur Bestreitung des standesgemäßen Unterhalts zahlreicher Beamtenfamilien ganz oder teilweise aufgezehrt worden sind, ist es zu verdanken, daß die vorhandnen Mißstände

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/87>, abgerufen am 22.07.2024.