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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Gin englisches Urteil über die Kaisermanöver von

DKM!icht um ein billiges Lob aus englischem Munde über unsre Armee
einzuheimsen, sondern um zu zeigen, wie in England das Ver¬
ständnis und die gerechte Würdigung deutscher Verhältnisse zu¬
nimmt, und um nebenbei auch denen unter uns die Augen zu
I öffnen, die, geblendet von einigen unleugbaren Vorzügen und
glänzenden Tatsachen, vor dem Auslande bewundernd in die Knie sinken und
deshalb des Vortrefflichen in der Heimat gar nicht gewahr werden, möchte ich
das Wesentlichste eines Artikels mitteilen, den der Berichterstatter des Standard
über die letzten Kaisermanöver geschrieben hat, und der in der Nummer dieser
Zeitung vom 14. September erschienen ist. Der ungenannte Verfasser geht,
nachdem er ausführlich die Anordnung und den Verlauf der Manöver besprochen
hat, zu den folgenden Schilderungen und Betrachtungen über.

"In meiner Gesellschaft befand sich ein junger Landsmann, der als Leutnant
in der Ieomcmry den Burenkrieg mitgemacht hatte, und der sich auf Grund
seiner Erfahrungen für berechtigt hielt, allerlei an dem deutschen Militärweseu
zu tadeln; ich glaube, es juckte ihn förmlich, dem General von Moltke einige
sehr wichtige Winke zu gebe", zum Beispiel, daß die deutsche Angriffstaktik zu
schwerfällig und zu massig, die Mannschaft zu sehr belastet, die Uniform zu
steif, die Lanzen zu unhandlich seien und dergleichen mehr. Der junge Mann
kann ja in manchem recht haben. Soviel ich aber beobachten konnte, muß man
vor den Leistungen der deutschen Armee allen Respekt haben. Ihre Kavallerie
versteht vortrefflich zu reiten, und ihre Infanterie, die kann marschieren wie
kaum eine andre. Über 64 Kilometer legte zum Beispiel eine Brigade*) an
einem Tage zurück, obwohl sie erst nachts 1 Uhr ausparkiert worden war. Ich
hörte davon und konnte es nicht glauben; allein ein Stabsoffizier bestätigte
mir das außerordentliche Faktum. Ich selbst sah übrigens mit eignen Augen
Regimenter, die früh am Morgen aufgebrochen waren und noch in der Mittags¬
hitze frisch und munter dahinmarschierten, und zwar in so raschem Tempo, daß
ein Fußgänger in leichtem Jagdkvstüm sich hätte etwas darauf einbilden können.
Was die schwere Bepackung betrifft, so muß man bedenken, daß die Deutschen
überhaupt daran gewöhnt sind; machen sie Fußtouren, so schleppen sie alles
mögliche mit, weit mehr als wir Engländer, die wir höchstens einen Beutel
Tabak in die Tasche stecken. Die Leute in Zivil, die ich während des Manövers



*) Es war eine ganze Division, nämlich die neunzehnte.


Gin englisches Urteil über die Kaisermanöver von

DKM!icht um ein billiges Lob aus englischem Munde über unsre Armee
einzuheimsen, sondern um zu zeigen, wie in England das Ver¬
ständnis und die gerechte Würdigung deutscher Verhältnisse zu¬
nimmt, und um nebenbei auch denen unter uns die Augen zu
I öffnen, die, geblendet von einigen unleugbaren Vorzügen und
glänzenden Tatsachen, vor dem Auslande bewundernd in die Knie sinken und
deshalb des Vortrefflichen in der Heimat gar nicht gewahr werden, möchte ich
das Wesentlichste eines Artikels mitteilen, den der Berichterstatter des Standard
über die letzten Kaisermanöver geschrieben hat, und der in der Nummer dieser
Zeitung vom 14. September erschienen ist. Der ungenannte Verfasser geht,
nachdem er ausführlich die Anordnung und den Verlauf der Manöver besprochen
hat, zu den folgenden Schilderungen und Betrachtungen über.

„In meiner Gesellschaft befand sich ein junger Landsmann, der als Leutnant
in der Ieomcmry den Burenkrieg mitgemacht hatte, und der sich auf Grund
seiner Erfahrungen für berechtigt hielt, allerlei an dem deutschen Militärweseu
zu tadeln; ich glaube, es juckte ihn förmlich, dem General von Moltke einige
sehr wichtige Winke zu gebe», zum Beispiel, daß die deutsche Angriffstaktik zu
schwerfällig und zu massig, die Mannschaft zu sehr belastet, die Uniform zu
steif, die Lanzen zu unhandlich seien und dergleichen mehr. Der junge Mann
kann ja in manchem recht haben. Soviel ich aber beobachten konnte, muß man
vor den Leistungen der deutschen Armee allen Respekt haben. Ihre Kavallerie
versteht vortrefflich zu reiten, und ihre Infanterie, die kann marschieren wie
kaum eine andre. Über 64 Kilometer legte zum Beispiel eine Brigade*) an
einem Tage zurück, obwohl sie erst nachts 1 Uhr ausparkiert worden war. Ich
hörte davon und konnte es nicht glauben; allein ein Stabsoffizier bestätigte
mir das außerordentliche Faktum. Ich selbst sah übrigens mit eignen Augen
Regimenter, die früh am Morgen aufgebrochen waren und noch in der Mittags¬
hitze frisch und munter dahinmarschierten, und zwar in so raschem Tempo, daß
ein Fußgänger in leichtem Jagdkvstüm sich hätte etwas darauf einbilden können.
Was die schwere Bepackung betrifft, so muß man bedenken, daß die Deutschen
überhaupt daran gewöhnt sind; machen sie Fußtouren, so schleppen sie alles
mögliche mit, weit mehr als wir Engländer, die wir höchstens einen Beutel
Tabak in die Tasche stecken. Die Leute in Zivil, die ich während des Manövers



*) Es war eine ganze Division, nämlich die neunzehnte.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/560>, abgerufen am 22.07.2024.