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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

theoretisch über das Dreiklassenwahlrecht denken, wie man will -- daß auch unter
diesem Wahlsystem eine liberale Mehrheit im Abgeordnetenhause möglich ist, unter¬
liegt keinem Zweifel. Beweis: Es hat einmal unter der Herrschaft desselben Wahl¬
rechts eine liberale Mehrheit gegeben. Fragen wir nun, woher es kommt, daß
jetzt dieses nämliche Ergebnis beinahe als eine Unmöglichkeit erscheint, so kann die
Antwort nur in der Feststellung liegen, daß die liberalen Kreise die großen Wähler¬
massen nicht mehr hinter sich haben, und daß zugleich der steigende nationale Wohl¬
stand die besitzenden Kreise, wenn auch nicht gerade konservativ, so doch im allgemeinen
realpolitischer gestimmt und mindestens jedem politischen und sozialen Radikalismus
abhold gemacht hat. Das bedeutet bei dem Dreiklassenwahlrecht allerdings, daß die
Liberalen in der Regel nur eine Minderheit von Wahlmännern aufbringen können
und die meisten Abgeordnetenmandate ihnen somit entgehn. Es fragt sich nur, ob
diese Erscheinung unabänderlich ist, oder ob sich schon ein Umschlag vorbereitet.
Darüber etwas Bestimmtes festzustellen, ist natürlich kaum möglich. Aber so viel
läßt sich doch vielleicht sagen, daß der Zug der Zeit entschiedner als früher dahin
geht, das starre Autoritätsprinzip des alten preußischen Beamtenstaats zu mildern,
und daß zugleich das stärker erwachende Interesse für religiöse Fragen in bürger¬
lichen Kreisen überwiegend die den preußischen Konservativen eigne Verquickung von
Politik und kirchlicher Orthodoxie ablehnt. Deshalb darf man Wohl sagen, daß im
preußischen Bürgertum aller Schichten das Bedürfnis nach einem liberalen Re¬
giment im Steigen begriffen ist. Aber es muß ein aufbauender, nicht in Kritik
und Verneinung steckenbleibender Liberalismus sein, der für die nationalen, wirt¬
schaftlichen und sozialen Bedürfnisse der Gegenwart Verständnis hat. Denn über
die Zeiten, wo man sich an der freiheitlichen Phrase berauschte und von politischen
Doktrinen satt wurde, sind die weitesten Kreise unsers Bürgertums hinaus. Der alte
greisenhafte, in Engherzigkeit, Kurzsichtigkeit und Phrase erstickende Liberalismus hat
sie entweder politisch gleichgiltig und faul gemacht, oder sie zu Anschauungen geführt,
die sich in politischen Fragen kaum noch von konservativen unterscheiden, oder sie,
wo die durch Gewöhnung an die Opposition erregte Verbissenheit und Unzufriedenheit
nach stärkerer Betätigung verlangte, der Sozialdemokratie -- mindestens als Mit¬
läufer bei deu Wahlen -- in die Arme getrieben. Was übrigens diesen letzten
Punkt betrifft, so darf Wohl mit einigem Nachdruck darauf hingewiesen werden,
daß sich auch die oppositionell gestimmten bürgerlichen Kreise mehr als früher dessen
bewußt geworden sind, was sie von der Sozialdemokratie trennt, und auch dessen,
was ihnen von der Sozialdemokratie droht. Wenn es den Vertretern des ent-
schiednen Liberalismus im Reichstage ermöglicht worden wäre, unter Benutzung
dieser Stimmung und der charakteristischen Erscheinungen bei den letzten Reichs¬
tagswahlen eine Weile positive nationale Arbeit in Gemeinschaft mit den Mittel¬
parteien und der Rechten zu leisten und den Gegensatz eines gesunden Liberalismus
zu Ultramontanismus und Sozialdemokratie dem Bürgertum praktisch und recht
deutlich zum Bewußtsein zu bringen, so würde sich trotz der geübten Zurückhaltung
und der Selbstbescheidung in der Geltendmachung liberaler Forderungen als Frucht
dieser Arbeit eine außerordentliche Stärkung des Vertrauens zum Liberalismus er¬
geben haben. Ist aber das Bürgertum in allen Abstufungen erst wieder aktiv für
diesen verjüngten Liberalismus gewonnen, so ist gar nicht einzusehen, warum es
nicht auch im preußischen Abgeordnetenhause wieder einmal eine liberale Mehrheit
geben soll -- trotz Dreiklassenwahlrecht. Dann aber läßt sich über Reformen im
Wahlsystem ganz anders reden als jetzt. Wir sind überzeugt, daß die weitsichtigern
Führer des Freisinns das auch sehr Wohl erkennen und deshalb die Blockpolitik
trotz allen Quertreibereien im Schoße ihrer eignen Parteien nicht leichten Herzens
preisgeben werden.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

theoretisch über das Dreiklassenwahlrecht denken, wie man will — daß auch unter
diesem Wahlsystem eine liberale Mehrheit im Abgeordnetenhause möglich ist, unter¬
liegt keinem Zweifel. Beweis: Es hat einmal unter der Herrschaft desselben Wahl¬
rechts eine liberale Mehrheit gegeben. Fragen wir nun, woher es kommt, daß
jetzt dieses nämliche Ergebnis beinahe als eine Unmöglichkeit erscheint, so kann die
Antwort nur in der Feststellung liegen, daß die liberalen Kreise die großen Wähler¬
massen nicht mehr hinter sich haben, und daß zugleich der steigende nationale Wohl¬
stand die besitzenden Kreise, wenn auch nicht gerade konservativ, so doch im allgemeinen
realpolitischer gestimmt und mindestens jedem politischen und sozialen Radikalismus
abhold gemacht hat. Das bedeutet bei dem Dreiklassenwahlrecht allerdings, daß die
Liberalen in der Regel nur eine Minderheit von Wahlmännern aufbringen können
und die meisten Abgeordnetenmandate ihnen somit entgehn. Es fragt sich nur, ob
diese Erscheinung unabänderlich ist, oder ob sich schon ein Umschlag vorbereitet.
Darüber etwas Bestimmtes festzustellen, ist natürlich kaum möglich. Aber so viel
läßt sich doch vielleicht sagen, daß der Zug der Zeit entschiedner als früher dahin
geht, das starre Autoritätsprinzip des alten preußischen Beamtenstaats zu mildern,
und daß zugleich das stärker erwachende Interesse für religiöse Fragen in bürger¬
lichen Kreisen überwiegend die den preußischen Konservativen eigne Verquickung von
Politik und kirchlicher Orthodoxie ablehnt. Deshalb darf man Wohl sagen, daß im
preußischen Bürgertum aller Schichten das Bedürfnis nach einem liberalen Re¬
giment im Steigen begriffen ist. Aber es muß ein aufbauender, nicht in Kritik
und Verneinung steckenbleibender Liberalismus sein, der für die nationalen, wirt¬
schaftlichen und sozialen Bedürfnisse der Gegenwart Verständnis hat. Denn über
die Zeiten, wo man sich an der freiheitlichen Phrase berauschte und von politischen
Doktrinen satt wurde, sind die weitesten Kreise unsers Bürgertums hinaus. Der alte
greisenhafte, in Engherzigkeit, Kurzsichtigkeit und Phrase erstickende Liberalismus hat
sie entweder politisch gleichgiltig und faul gemacht, oder sie zu Anschauungen geführt,
die sich in politischen Fragen kaum noch von konservativen unterscheiden, oder sie,
wo die durch Gewöhnung an die Opposition erregte Verbissenheit und Unzufriedenheit
nach stärkerer Betätigung verlangte, der Sozialdemokratie — mindestens als Mit¬
läufer bei deu Wahlen — in die Arme getrieben. Was übrigens diesen letzten
Punkt betrifft, so darf Wohl mit einigem Nachdruck darauf hingewiesen werden,
daß sich auch die oppositionell gestimmten bürgerlichen Kreise mehr als früher dessen
bewußt geworden sind, was sie von der Sozialdemokratie trennt, und auch dessen,
was ihnen von der Sozialdemokratie droht. Wenn es den Vertretern des ent-
schiednen Liberalismus im Reichstage ermöglicht worden wäre, unter Benutzung
dieser Stimmung und der charakteristischen Erscheinungen bei den letzten Reichs¬
tagswahlen eine Weile positive nationale Arbeit in Gemeinschaft mit den Mittel¬
parteien und der Rechten zu leisten und den Gegensatz eines gesunden Liberalismus
zu Ultramontanismus und Sozialdemokratie dem Bürgertum praktisch und recht
deutlich zum Bewußtsein zu bringen, so würde sich trotz der geübten Zurückhaltung
und der Selbstbescheidung in der Geltendmachung liberaler Forderungen als Frucht
dieser Arbeit eine außerordentliche Stärkung des Vertrauens zum Liberalismus er¬
geben haben. Ist aber das Bürgertum in allen Abstufungen erst wieder aktiv für
diesen verjüngten Liberalismus gewonnen, so ist gar nicht einzusehen, warum es
nicht auch im preußischen Abgeordnetenhause wieder einmal eine liberale Mehrheit
geben soll — trotz Dreiklassenwahlrecht. Dann aber läßt sich über Reformen im
Wahlsystem ganz anders reden als jetzt. Wir sind überzeugt, daß die weitsichtigern
Führer des Freisinns das auch sehr Wohl erkennen und deshalb die Blockpolitik
trotz allen Quertreibereien im Schoße ihrer eignen Parteien nicht leichten Herzens
preisgeben werden.


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[0448] Maßgebliches und Unmaßgebliches theoretisch über das Dreiklassenwahlrecht denken, wie man will — daß auch unter diesem Wahlsystem eine liberale Mehrheit im Abgeordnetenhause möglich ist, unter¬ liegt keinem Zweifel. Beweis: Es hat einmal unter der Herrschaft desselben Wahl¬ rechts eine liberale Mehrheit gegeben. Fragen wir nun, woher es kommt, daß jetzt dieses nämliche Ergebnis beinahe als eine Unmöglichkeit erscheint, so kann die Antwort nur in der Feststellung liegen, daß die liberalen Kreise die großen Wähler¬ massen nicht mehr hinter sich haben, und daß zugleich der steigende nationale Wohl¬ stand die besitzenden Kreise, wenn auch nicht gerade konservativ, so doch im allgemeinen realpolitischer gestimmt und mindestens jedem politischen und sozialen Radikalismus abhold gemacht hat. Das bedeutet bei dem Dreiklassenwahlrecht allerdings, daß die Liberalen in der Regel nur eine Minderheit von Wahlmännern aufbringen können und die meisten Abgeordnetenmandate ihnen somit entgehn. Es fragt sich nur, ob diese Erscheinung unabänderlich ist, oder ob sich schon ein Umschlag vorbereitet. Darüber etwas Bestimmtes festzustellen, ist natürlich kaum möglich. Aber so viel läßt sich doch vielleicht sagen, daß der Zug der Zeit entschiedner als früher dahin geht, das starre Autoritätsprinzip des alten preußischen Beamtenstaats zu mildern, und daß zugleich das stärker erwachende Interesse für religiöse Fragen in bürger¬ lichen Kreisen überwiegend die den preußischen Konservativen eigne Verquickung von Politik und kirchlicher Orthodoxie ablehnt. Deshalb darf man Wohl sagen, daß im preußischen Bürgertum aller Schichten das Bedürfnis nach einem liberalen Re¬ giment im Steigen begriffen ist. Aber es muß ein aufbauender, nicht in Kritik und Verneinung steckenbleibender Liberalismus sein, der für die nationalen, wirt¬ schaftlichen und sozialen Bedürfnisse der Gegenwart Verständnis hat. Denn über die Zeiten, wo man sich an der freiheitlichen Phrase berauschte und von politischen Doktrinen satt wurde, sind die weitesten Kreise unsers Bürgertums hinaus. Der alte greisenhafte, in Engherzigkeit, Kurzsichtigkeit und Phrase erstickende Liberalismus hat sie entweder politisch gleichgiltig und faul gemacht, oder sie zu Anschauungen geführt, die sich in politischen Fragen kaum noch von konservativen unterscheiden, oder sie, wo die durch Gewöhnung an die Opposition erregte Verbissenheit und Unzufriedenheit nach stärkerer Betätigung verlangte, der Sozialdemokratie — mindestens als Mit¬ läufer bei deu Wahlen — in die Arme getrieben. Was übrigens diesen letzten Punkt betrifft, so darf Wohl mit einigem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß sich auch die oppositionell gestimmten bürgerlichen Kreise mehr als früher dessen bewußt geworden sind, was sie von der Sozialdemokratie trennt, und auch dessen, was ihnen von der Sozialdemokratie droht. Wenn es den Vertretern des ent- schiednen Liberalismus im Reichstage ermöglicht worden wäre, unter Benutzung dieser Stimmung und der charakteristischen Erscheinungen bei den letzten Reichs¬ tagswahlen eine Weile positive nationale Arbeit in Gemeinschaft mit den Mittel¬ parteien und der Rechten zu leisten und den Gegensatz eines gesunden Liberalismus zu Ultramontanismus und Sozialdemokratie dem Bürgertum praktisch und recht deutlich zum Bewußtsein zu bringen, so würde sich trotz der geübten Zurückhaltung und der Selbstbescheidung in der Geltendmachung liberaler Forderungen als Frucht dieser Arbeit eine außerordentliche Stärkung des Vertrauens zum Liberalismus er¬ geben haben. Ist aber das Bürgertum in allen Abstufungen erst wieder aktiv für diesen verjüngten Liberalismus gewonnen, so ist gar nicht einzusehen, warum es nicht auch im preußischen Abgeordnetenhause wieder einmal eine liberale Mehrheit geben soll — trotz Dreiklassenwahlrecht. Dann aber läßt sich über Reformen im Wahlsystem ganz anders reden als jetzt. Wir sind überzeugt, daß die weitsichtigern Führer des Freisinns das auch sehr Wohl erkennen und deshalb die Blockpolitik trotz allen Quertreibereien im Schoße ihrer eignen Parteien nicht leichten Herzens preisgeben werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/448>, abgerufen am 29.06.2024.