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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Der Uainpf gegen die Korruption der Polizei in Newyork

weil sich die Polizei nicht die geringste Mühe gegeben hatte, Beweise für ihre
Schuld zu sammeln. Natürlich war die Erregung der Öffentlichkeit groß, und
der allgemeine Zorn richtete sich nicht etwa gegen den Inspektor, sondern natürlich
gegen den Commissioner Bingham.

Ein andrer Fall. Es kommt häufig vor, daß ein Politiker wünscht, daß
einige uniformierte Polizisten, denen er einen Gefallen erweisen will, zu Kriminal¬
kommissaren gemacht werden. Er wendet sich dann an den Captain seines Be¬
zirks, und der Captain tragt diesen Wunsch, der ihm Befehl ist, dem Commissioner
vor -- natürlich ohne zu erwähnen, daß sein Antrag ans den Wunsch des
Politikers zurückzuführen ist. Wenn der Commissioner eine feine Nase hat,
merkt er selbstverständlich, daß hier politische Schiebungen vorgenommen werden
sollen, und lehnt -- vorausgesetzt, daß er ein anständiger Mensch ist -- den
Antrag des Captains ab. Wenn er dann später etwa erfährt, daß in dem Be¬
zirk des Captains fürchterlich gespielt wird, und wenn er den Captain darüber
zur Rede stellt, so kann es ihm leicht passieren, daß dieser den Vorwurf mit
der Begründung zurückweist, daß er ja vor einigen Wochen darum gebeten habe,
ihm einige Kriminalkommissare mehr zuzuweisen. Das sei ihm damals abgelehnt
worden, und er könne nun mit der geringen Anzahl von Kommissären, die ihm
zur Verfügung stünden, dem Unwesen nicht mehr steuern.

Will der Commissioner aber den Wunsch des Captains, mehr Kriminal¬
kommissare zu erhalten, erfüllen, ohne ihm doch den Gefallen zu tun, gerade
die von ihm vorgeschlagnen uniformierte!? Polizisten zu Kriminalkommissaren
zu ernennen, so kommandiert er vielleicht drei oder vier Kriminalkommissare aus
einem andern Bezirk, die er als zuverlässig und ehrlich kennt, in den Bezirk
des Captains ab. Es dauert dann nicht lange, bis diese ehrlichen Beamten
gegen Bordelle und Poolrooms Anzeige erstatten, die in dem Bezirk des
Captains ganz offen ihr Wesen treiben können, weil sie den Captain bestochen
haben. Darauf sucht sich der Captain die unbequemer Eindringlinge dadurch
wieder vom Halse zu schaffen, daß er den Commissioner vertraulich warnt: er
habe die Empfindung, die neuen Kommissare steckten mit deu Besitzern von
Bordellen und Spielzimmern unter einer Decke, und er halte es darum für besser,
daß sie versetzt würden. Kommt der Commissioner diesem Wunsche nicht nach,
so geben die neuen Kommissare die Sündenböcke für alles ab, was in dem be¬
treffenden Polizeibezirke schief geht.

Doch genug der Beispiele für die Korruption der Newyorker Polizei. Daß
noch viel schlimmere Dinge vorkommen, dafür gibt zum Beispiel Baumgarten
in seinem Buch über die Newyorker Kadetten eine ganze Reihe von Beweisen.
So führt er Seite 126 bis 136 Meineide, Morde, ja direkte Kuppelei auf, die
die Polizei auf dem Gewissen hat. Und wie in Newyork, so geht es auch sonst
vielfach in den Vereinigten Staaten. Man kennt drüben eine ganze Anzahl
von Großstädten, in denen die Polizei, wie man mit Bestimmtheit weiß, mit
Bordellen, Poolrooms und direkten Verbrechern unter einer Decke steckt. So


Der Uainpf gegen die Korruption der Polizei in Newyork

weil sich die Polizei nicht die geringste Mühe gegeben hatte, Beweise für ihre
Schuld zu sammeln. Natürlich war die Erregung der Öffentlichkeit groß, und
der allgemeine Zorn richtete sich nicht etwa gegen den Inspektor, sondern natürlich
gegen den Commissioner Bingham.

Ein andrer Fall. Es kommt häufig vor, daß ein Politiker wünscht, daß
einige uniformierte Polizisten, denen er einen Gefallen erweisen will, zu Kriminal¬
kommissaren gemacht werden. Er wendet sich dann an den Captain seines Be¬
zirks, und der Captain tragt diesen Wunsch, der ihm Befehl ist, dem Commissioner
vor — natürlich ohne zu erwähnen, daß sein Antrag ans den Wunsch des
Politikers zurückzuführen ist. Wenn der Commissioner eine feine Nase hat,
merkt er selbstverständlich, daß hier politische Schiebungen vorgenommen werden
sollen, und lehnt — vorausgesetzt, daß er ein anständiger Mensch ist — den
Antrag des Captains ab. Wenn er dann später etwa erfährt, daß in dem Be¬
zirk des Captains fürchterlich gespielt wird, und wenn er den Captain darüber
zur Rede stellt, so kann es ihm leicht passieren, daß dieser den Vorwurf mit
der Begründung zurückweist, daß er ja vor einigen Wochen darum gebeten habe,
ihm einige Kriminalkommissare mehr zuzuweisen. Das sei ihm damals abgelehnt
worden, und er könne nun mit der geringen Anzahl von Kommissären, die ihm
zur Verfügung stünden, dem Unwesen nicht mehr steuern.

Will der Commissioner aber den Wunsch des Captains, mehr Kriminal¬
kommissare zu erhalten, erfüllen, ohne ihm doch den Gefallen zu tun, gerade
die von ihm vorgeschlagnen uniformierte!? Polizisten zu Kriminalkommissaren
zu ernennen, so kommandiert er vielleicht drei oder vier Kriminalkommissare aus
einem andern Bezirk, die er als zuverlässig und ehrlich kennt, in den Bezirk
des Captains ab. Es dauert dann nicht lange, bis diese ehrlichen Beamten
gegen Bordelle und Poolrooms Anzeige erstatten, die in dem Bezirk des
Captains ganz offen ihr Wesen treiben können, weil sie den Captain bestochen
haben. Darauf sucht sich der Captain die unbequemer Eindringlinge dadurch
wieder vom Halse zu schaffen, daß er den Commissioner vertraulich warnt: er
habe die Empfindung, die neuen Kommissare steckten mit deu Besitzern von
Bordellen und Spielzimmern unter einer Decke, und er halte es darum für besser,
daß sie versetzt würden. Kommt der Commissioner diesem Wunsche nicht nach,
so geben die neuen Kommissare die Sündenböcke für alles ab, was in dem be¬
treffenden Polizeibezirke schief geht.

Doch genug der Beispiele für die Korruption der Newyorker Polizei. Daß
noch viel schlimmere Dinge vorkommen, dafür gibt zum Beispiel Baumgarten
in seinem Buch über die Newyorker Kadetten eine ganze Reihe von Beweisen.
So führt er Seite 126 bis 136 Meineide, Morde, ja direkte Kuppelei auf, die
die Polizei auf dem Gewissen hat. Und wie in Newyork, so geht es auch sonst
vielfach in den Vereinigten Staaten. Man kennt drüben eine ganze Anzahl
von Großstädten, in denen die Polizei, wie man mit Bestimmtheit weiß, mit
Bordellen, Poolrooms und direkten Verbrechern unter einer Decke steckt. So


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[0422] Der Uainpf gegen die Korruption der Polizei in Newyork weil sich die Polizei nicht die geringste Mühe gegeben hatte, Beweise für ihre Schuld zu sammeln. Natürlich war die Erregung der Öffentlichkeit groß, und der allgemeine Zorn richtete sich nicht etwa gegen den Inspektor, sondern natürlich gegen den Commissioner Bingham. Ein andrer Fall. Es kommt häufig vor, daß ein Politiker wünscht, daß einige uniformierte Polizisten, denen er einen Gefallen erweisen will, zu Kriminal¬ kommissaren gemacht werden. Er wendet sich dann an den Captain seines Be¬ zirks, und der Captain tragt diesen Wunsch, der ihm Befehl ist, dem Commissioner vor — natürlich ohne zu erwähnen, daß sein Antrag ans den Wunsch des Politikers zurückzuführen ist. Wenn der Commissioner eine feine Nase hat, merkt er selbstverständlich, daß hier politische Schiebungen vorgenommen werden sollen, und lehnt — vorausgesetzt, daß er ein anständiger Mensch ist — den Antrag des Captains ab. Wenn er dann später etwa erfährt, daß in dem Be¬ zirk des Captains fürchterlich gespielt wird, und wenn er den Captain darüber zur Rede stellt, so kann es ihm leicht passieren, daß dieser den Vorwurf mit der Begründung zurückweist, daß er ja vor einigen Wochen darum gebeten habe, ihm einige Kriminalkommissare mehr zuzuweisen. Das sei ihm damals abgelehnt worden, und er könne nun mit der geringen Anzahl von Kommissären, die ihm zur Verfügung stünden, dem Unwesen nicht mehr steuern. Will der Commissioner aber den Wunsch des Captains, mehr Kriminal¬ kommissare zu erhalten, erfüllen, ohne ihm doch den Gefallen zu tun, gerade die von ihm vorgeschlagnen uniformierte!? Polizisten zu Kriminalkommissaren zu ernennen, so kommandiert er vielleicht drei oder vier Kriminalkommissare aus einem andern Bezirk, die er als zuverlässig und ehrlich kennt, in den Bezirk des Captains ab. Es dauert dann nicht lange, bis diese ehrlichen Beamten gegen Bordelle und Poolrooms Anzeige erstatten, die in dem Bezirk des Captains ganz offen ihr Wesen treiben können, weil sie den Captain bestochen haben. Darauf sucht sich der Captain die unbequemer Eindringlinge dadurch wieder vom Halse zu schaffen, daß er den Commissioner vertraulich warnt: er habe die Empfindung, die neuen Kommissare steckten mit deu Besitzern von Bordellen und Spielzimmern unter einer Decke, und er halte es darum für besser, daß sie versetzt würden. Kommt der Commissioner diesem Wunsche nicht nach, so geben die neuen Kommissare die Sündenböcke für alles ab, was in dem be¬ treffenden Polizeibezirke schief geht. Doch genug der Beispiele für die Korruption der Newyorker Polizei. Daß noch viel schlimmere Dinge vorkommen, dafür gibt zum Beispiel Baumgarten in seinem Buch über die Newyorker Kadetten eine ganze Reihe von Beweisen. So führt er Seite 126 bis 136 Meineide, Morde, ja direkte Kuppelei auf, die die Polizei auf dem Gewissen hat. Und wie in Newyork, so geht es auch sonst vielfach in den Vereinigten Staaten. Man kennt drüben eine ganze Anzahl von Großstädten, in denen die Polizei, wie man mit Bestimmtheit weiß, mit Bordellen, Poolrooms und direkten Verbrechern unter einer Decke steckt. So

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/422>, abgerufen am 22.07.2024.