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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Der Ranipf gegen die Korruption der Polizei in Uemyork

genehmigt wurde und als Nummer 160 in der Gesetzsammlung des Jahres 1907
erschienen ist.

Welchen Umfang die Polizeikorruption angenommen hat, die dadurch be¬
kämpft werden soll, läßt sich am besten aus dem Haß ersehen, der sich gegen
die Polizei angesammelt hat. Ein angesehener Bürger Newyorks äußerte offen,
daß der erste Schritt zur Reform der Polizei sein müßte, daß man die neun¬
tausend Polizeibeamten in den Ncwyorker Hafen bringe und dort ersäufe.
Und wenn man auch eine solche sich mit aller Roheit äußernde Ansicht selten
aussprechen Hort, so werden doch die Polizisten von den ehrlichen Bewohnern
der Stadt für kaum etwas besseres als für Diebe und beständige Gesctzesübcr-
treter gehalten.

Allerdings hat die Polizei anch ihre Bewundrer. Zweifellos leistet sie,
wenn sie will, in der Aufdeckung von Morden oder andern Verbrechen hervor¬
ragendes. Philipp Berges hat in einer Erzählung seiner bekannten "Amerikana"
(in Neckars Universalbibliothek) sehr nett die ausgezeichneten Vorkehrungen der
Polizei dafür geschildert. Es ist auch über jeden Zweifel erhaben, daß der
einzelne Polizist ein tapfrer Kerl ist, der mit vollkommner Todesverachtung
seine Pflicht gegenüber Mordbuben erfüllt und diese, auch wenn er unbewaffnet
ist und der andre von Waffen strotzt, ohne Besinnung angreift. Es kommt
hinzu, daß wenigstens die berittne Polizei in Newyork ein prächtiges Bild
gewährt. Ich habe selten schönere Pferde gesehen als die dieser berittnen
Polizisten, und da man zu diesen meist junge und geschmeidige Männer auswählt,
ist es kein Wunder, daß der Amerikaner und namentlich die Amerikanerin, die
sich für die Einrichtungen ihres Landes natürlich sehr leicht begeistern, den
berittenen Polizisten voller Bewundrung nachschauen und ihnen in ihrem
Herzen einen Tempel der Verehrung errichtet haben. Auch ist nicht zu ver¬
gessen, daß sich der Enthusiasmus für disziplinierte Truppen, der sich bei uns
in Deutschland und in den meisten andern europäischen Staaten der Armee
zuwendet, in einer Großstadt wie Newyork, in der man Armeetruppen fast nie
zu Gesicht bekommt, leicht auf die Polizei wirft.

Aber so tapfer der Newyorker Polizist ist, so unehrlich ist er auch. Er
weiß, daß die große Mehrheit seiner Kollegen aus ihrem Amte unerlaubte
Nebeneinnahmen von bedeutender Hohe zieht, er weiß, daß dies allgemein be¬
kannt ist, und daß in der Regel so gut wie nichts dagegen geschieht. Die
Versuchung, dieselben Wege zu beschreiten, ist also für ihn außerordentlich
groß. Auch wenn er aber dieser Versuchung zunächst nicht unterliegt, so belehrt
ihn häufig die längere Erfahrung, daß der ehrliche Polizist, der sich mir streng
an die Vorschriften seines Dienstes und an das Gebot seines Gewissens hält, nicht
nur ein armer Mann bleibt, sondern auch von seinen Kameraden und noch mehr
von seinen Vorgesetzten schikaniert wird, bis er es ihnen gleich zu tun sucht.

Tritt ein neuer Polizist in die Newhorker Polizeitruppe ein, so sieht er
bald, daß eine Art Brüderlichkeit -- nur eben vorwiegend nach der schlechten Seite
hin -- unter seinen Kollegen herrscht. Wenn ein Polizist Zeugen dafür braucht,


Der Ranipf gegen die Korruption der Polizei in Uemyork

genehmigt wurde und als Nummer 160 in der Gesetzsammlung des Jahres 1907
erschienen ist.

Welchen Umfang die Polizeikorruption angenommen hat, die dadurch be¬
kämpft werden soll, läßt sich am besten aus dem Haß ersehen, der sich gegen
die Polizei angesammelt hat. Ein angesehener Bürger Newyorks äußerte offen,
daß der erste Schritt zur Reform der Polizei sein müßte, daß man die neun¬
tausend Polizeibeamten in den Ncwyorker Hafen bringe und dort ersäufe.
Und wenn man auch eine solche sich mit aller Roheit äußernde Ansicht selten
aussprechen Hort, so werden doch die Polizisten von den ehrlichen Bewohnern
der Stadt für kaum etwas besseres als für Diebe und beständige Gesctzesübcr-
treter gehalten.

Allerdings hat die Polizei anch ihre Bewundrer. Zweifellos leistet sie,
wenn sie will, in der Aufdeckung von Morden oder andern Verbrechen hervor¬
ragendes. Philipp Berges hat in einer Erzählung seiner bekannten „Amerikana"
(in Neckars Universalbibliothek) sehr nett die ausgezeichneten Vorkehrungen der
Polizei dafür geschildert. Es ist auch über jeden Zweifel erhaben, daß der
einzelne Polizist ein tapfrer Kerl ist, der mit vollkommner Todesverachtung
seine Pflicht gegenüber Mordbuben erfüllt und diese, auch wenn er unbewaffnet
ist und der andre von Waffen strotzt, ohne Besinnung angreift. Es kommt
hinzu, daß wenigstens die berittne Polizei in Newyork ein prächtiges Bild
gewährt. Ich habe selten schönere Pferde gesehen als die dieser berittnen
Polizisten, und da man zu diesen meist junge und geschmeidige Männer auswählt,
ist es kein Wunder, daß der Amerikaner und namentlich die Amerikanerin, die
sich für die Einrichtungen ihres Landes natürlich sehr leicht begeistern, den
berittenen Polizisten voller Bewundrung nachschauen und ihnen in ihrem
Herzen einen Tempel der Verehrung errichtet haben. Auch ist nicht zu ver¬
gessen, daß sich der Enthusiasmus für disziplinierte Truppen, der sich bei uns
in Deutschland und in den meisten andern europäischen Staaten der Armee
zuwendet, in einer Großstadt wie Newyork, in der man Armeetruppen fast nie
zu Gesicht bekommt, leicht auf die Polizei wirft.

Aber so tapfer der Newyorker Polizist ist, so unehrlich ist er auch. Er
weiß, daß die große Mehrheit seiner Kollegen aus ihrem Amte unerlaubte
Nebeneinnahmen von bedeutender Hohe zieht, er weiß, daß dies allgemein be¬
kannt ist, und daß in der Regel so gut wie nichts dagegen geschieht. Die
Versuchung, dieselben Wege zu beschreiten, ist also für ihn außerordentlich
groß. Auch wenn er aber dieser Versuchung zunächst nicht unterliegt, so belehrt
ihn häufig die längere Erfahrung, daß der ehrliche Polizist, der sich mir streng
an die Vorschriften seines Dienstes und an das Gebot seines Gewissens hält, nicht
nur ein armer Mann bleibt, sondern auch von seinen Kameraden und noch mehr
von seinen Vorgesetzten schikaniert wird, bis er es ihnen gleich zu tun sucht.

Tritt ein neuer Polizist in die Newhorker Polizeitruppe ein, so sieht er
bald, daß eine Art Brüderlichkeit — nur eben vorwiegend nach der schlechten Seite
hin — unter seinen Kollegen herrscht. Wenn ein Polizist Zeugen dafür braucht,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/321>, abgerufen am 24.08.2024.