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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Bedeutung der Befestigungen !Vest>ußlands

Osowiec; die Befestigung besteht aus einem doppelten Brückenkopf mit fünf
starken, teilweise bombensichern Werken und mehreren Anschlußbatterieu; der
Ausbau eines sechsten Werkes ist im Gange. Lomza ist der Hauptstützpunkt der
Narewverteidigung und ein Flügelabschluß der Stellung am Czerwany Bor.
Der Hügelzug des Czerwany Bör zieht von Lomza, ziemlich steil nach Osten
und Westen abfallend, südwärts und bietet gegen Westen günstige Verteidigungs-
bedingnngen, ist jedoch von Süden leicht unfaßbar; er soll, wie aus den
Manövern der letzten Jahre hervorgeht, als Stellung für vier bis fünf Korps
in Aussicht genommen sein.

Grodno, am Bug des Riemen gelegen, ist ein doppelter Brückenkopf
mit einem Durchmesser von 9 Kilometern und sieben permanenten Werken; es ist
ein hervorragender Kommuuikatiousknoteu (zwei Bahnen und mehrere Straßen)
und schützt die nördliche Flanke des Bohr-Narewverteidigers vor Umgebungen;
die Festung bildet auch den südlichsten Stützpunkt der befestigten Niemenliuie.

Olita ist ein wichtiger Kommuuikationstnoteu am Niemen, Zwischenglied der
auf Kowno und Grodno basierten Niemenverteidigung, schützt überdies die wichtige
Aufmarschlinie Dwinsk-Wilna-Bjelistok. Es ist ein linksseitiger Brückenkopf
und besteht aus vier provisorischen Werken, deren Ausbau im Zuge ist.

Kowno, am Zusammenfluß der Wilya und des Riemen gelegen, ist ein
hervorragender Kommunikationsknoten (vier Gleise und mehrere Straßen), nörd¬
licher Flügelstützpuukt des Niemeuabschuitts, Lagerfestung und doppelter
Brückenkopf; der Gürtel hat einen Umfang von 27 Kilometern und enthält
acht Forts und elf Batterien; das Rohan wird durch einige permanente Werke
mit Anschlußlinien gebildet. Die Armierung soll 900 bis 1000 Geschütze, die
Kriegsbesatznng 36000 Mann betragen.

Den Befestigungen am Narew-Boberabschnitte sowie der Festung Olita
haftet der Nachteil an, daß der Gürtel sehr nahe an den zu schützenden Über-
gangspunktcn liegt, die Beschießung der Brücken also kaum zu verwehren
vermag, andrerseits aber auch der Übergang der eignen Truppen nicht unter
den Schutz weittragender, die Belageruugsartillerie abhaltender Geschütze gestellt
erscheint. Zur Verstärkung der Brückenköpfe müßten im Kriegsfalle umfangreiche
Arbeiten durchgeführt werden, was angesichts der Nähe der Grenze gewiß
mißlich ist.

Durch die Befestigungen am Bohr-Narcw und des Weichsel-Bug-Narew-
Waffeuplatzes erscheint eine Umgehung der mächtigen Strombarriere von Ost-
Preußen her ausgeschlossen; für solche Unternehmungen ergeben sich in Russisch-
Polen rechts von der Weichsel wesentlich günstigere Verhältnisse, da sie sich
auf das tiefe mittelgalizische Hinterland mit Lemberg als wichtigem Depotpunkt
z" stützen vermögen und leistungsfähige Zufuhrlinien, die teils über West-
gcilizien, teils über die Karpaten führen, für ihre Zwecke dienlich machen können.
Diese Unternehmungen werden durch die Befestigungen von Brest-Litowsk und
durch das wolhynischc Festnngsdreieck beschränkt.


Grenzlwten 1 I!108 41
Die Bedeutung der Befestigungen !Vest>ußlands

Osowiec; die Befestigung besteht aus einem doppelten Brückenkopf mit fünf
starken, teilweise bombensichern Werken und mehreren Anschlußbatterieu; der
Ausbau eines sechsten Werkes ist im Gange. Lomza ist der Hauptstützpunkt der
Narewverteidigung und ein Flügelabschluß der Stellung am Czerwany Bor.
Der Hügelzug des Czerwany Bör zieht von Lomza, ziemlich steil nach Osten
und Westen abfallend, südwärts und bietet gegen Westen günstige Verteidigungs-
bedingnngen, ist jedoch von Süden leicht unfaßbar; er soll, wie aus den
Manövern der letzten Jahre hervorgeht, als Stellung für vier bis fünf Korps
in Aussicht genommen sein.

Grodno, am Bug des Riemen gelegen, ist ein doppelter Brückenkopf
mit einem Durchmesser von 9 Kilometern und sieben permanenten Werken; es ist
ein hervorragender Kommuuikatiousknoteu (zwei Bahnen und mehrere Straßen)
und schützt die nördliche Flanke des Bohr-Narewverteidigers vor Umgebungen;
die Festung bildet auch den südlichsten Stützpunkt der befestigten Niemenliuie.

Olita ist ein wichtiger Kommuuikationstnoteu am Niemen, Zwischenglied der
auf Kowno und Grodno basierten Niemenverteidigung, schützt überdies die wichtige
Aufmarschlinie Dwinsk-Wilna-Bjelistok. Es ist ein linksseitiger Brückenkopf
und besteht aus vier provisorischen Werken, deren Ausbau im Zuge ist.

Kowno, am Zusammenfluß der Wilya und des Riemen gelegen, ist ein
hervorragender Kommunikationsknoten (vier Gleise und mehrere Straßen), nörd¬
licher Flügelstützpuukt des Niemeuabschuitts, Lagerfestung und doppelter
Brückenkopf; der Gürtel hat einen Umfang von 27 Kilometern und enthält
acht Forts und elf Batterien; das Rohan wird durch einige permanente Werke
mit Anschlußlinien gebildet. Die Armierung soll 900 bis 1000 Geschütze, die
Kriegsbesatznng 36000 Mann betragen.

Den Befestigungen am Narew-Boberabschnitte sowie der Festung Olita
haftet der Nachteil an, daß der Gürtel sehr nahe an den zu schützenden Über-
gangspunktcn liegt, die Beschießung der Brücken also kaum zu verwehren
vermag, andrerseits aber auch der Übergang der eignen Truppen nicht unter
den Schutz weittragender, die Belageruugsartillerie abhaltender Geschütze gestellt
erscheint. Zur Verstärkung der Brückenköpfe müßten im Kriegsfalle umfangreiche
Arbeiten durchgeführt werden, was angesichts der Nähe der Grenze gewiß
mißlich ist.

Durch die Befestigungen am Bohr-Narcw und des Weichsel-Bug-Narew-
Waffeuplatzes erscheint eine Umgehung der mächtigen Strombarriere von Ost-
Preußen her ausgeschlossen; für solche Unternehmungen ergeben sich in Russisch-
Polen rechts von der Weichsel wesentlich günstigere Verhältnisse, da sie sich
auf das tiefe mittelgalizische Hinterland mit Lemberg als wichtigem Depotpunkt
z» stützen vermögen und leistungsfähige Zufuhrlinien, die teils über West-
gcilizien, teils über die Karpaten führen, für ihre Zwecke dienlich machen können.
Diese Unternehmungen werden durch die Befestigungen von Brest-Litowsk und
durch das wolhynischc Festnngsdreieck beschränkt.


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[0317] Die Bedeutung der Befestigungen !Vest>ußlands Osowiec; die Befestigung besteht aus einem doppelten Brückenkopf mit fünf starken, teilweise bombensichern Werken und mehreren Anschlußbatterieu; der Ausbau eines sechsten Werkes ist im Gange. Lomza ist der Hauptstützpunkt der Narewverteidigung und ein Flügelabschluß der Stellung am Czerwany Bor. Der Hügelzug des Czerwany Bör zieht von Lomza, ziemlich steil nach Osten und Westen abfallend, südwärts und bietet gegen Westen günstige Verteidigungs- bedingnngen, ist jedoch von Süden leicht unfaßbar; er soll, wie aus den Manövern der letzten Jahre hervorgeht, als Stellung für vier bis fünf Korps in Aussicht genommen sein. Grodno, am Bug des Riemen gelegen, ist ein doppelter Brückenkopf mit einem Durchmesser von 9 Kilometern und sieben permanenten Werken; es ist ein hervorragender Kommuuikatiousknoteu (zwei Bahnen und mehrere Straßen) und schützt die nördliche Flanke des Bohr-Narewverteidigers vor Umgebungen; die Festung bildet auch den südlichsten Stützpunkt der befestigten Niemenliuie. Olita ist ein wichtiger Kommuuikationstnoteu am Niemen, Zwischenglied der auf Kowno und Grodno basierten Niemenverteidigung, schützt überdies die wichtige Aufmarschlinie Dwinsk-Wilna-Bjelistok. Es ist ein linksseitiger Brückenkopf und besteht aus vier provisorischen Werken, deren Ausbau im Zuge ist. Kowno, am Zusammenfluß der Wilya und des Riemen gelegen, ist ein hervorragender Kommunikationsknoten (vier Gleise und mehrere Straßen), nörd¬ licher Flügelstützpuukt des Niemeuabschuitts, Lagerfestung und doppelter Brückenkopf; der Gürtel hat einen Umfang von 27 Kilometern und enthält acht Forts und elf Batterien; das Rohan wird durch einige permanente Werke mit Anschlußlinien gebildet. Die Armierung soll 900 bis 1000 Geschütze, die Kriegsbesatznng 36000 Mann betragen. Den Befestigungen am Narew-Boberabschnitte sowie der Festung Olita haftet der Nachteil an, daß der Gürtel sehr nahe an den zu schützenden Über- gangspunktcn liegt, die Beschießung der Brücken also kaum zu verwehren vermag, andrerseits aber auch der Übergang der eignen Truppen nicht unter den Schutz weittragender, die Belageruugsartillerie abhaltender Geschütze gestellt erscheint. Zur Verstärkung der Brückenköpfe müßten im Kriegsfalle umfangreiche Arbeiten durchgeführt werden, was angesichts der Nähe der Grenze gewiß mißlich ist. Durch die Befestigungen am Bohr-Narcw und des Weichsel-Bug-Narew- Waffeuplatzes erscheint eine Umgehung der mächtigen Strombarriere von Ost- Preußen her ausgeschlossen; für solche Unternehmungen ergeben sich in Russisch- Polen rechts von der Weichsel wesentlich günstigere Verhältnisse, da sie sich auf das tiefe mittelgalizische Hinterland mit Lemberg als wichtigem Depotpunkt z» stützen vermögen und leistungsfähige Zufuhrlinien, die teils über West- gcilizien, teils über die Karpaten führen, für ihre Zwecke dienlich machen können. Diese Unternehmungen werden durch die Befestigungen von Brest-Litowsk und durch das wolhynischc Festnngsdreieck beschränkt. Grenzlwten 1 I!108 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/317>, abgerufen am 22.07.2024.