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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Der ägyptische Sudan

Wie schon weiter oben ausgeführt worden ist, sind sich die maßgebenden Be¬
hörden darüber klar, daß Wasserregelungs- und Bewässerungsanlagen in
größerm Stil erst nach der Weiterführung der Eisenbahnlinien in Betracht
kommen können.

An Stelle des ursprünglich geplanten großen Flutkanals zur Bewässerung
des Landes Ghezireh ist jetzt der Bau eines Kanals ins Auge gefaßt worden,
der erst nach Ablauf der Flut das Land bewässern soll. Hierzu ist aber eine
Anstauung des Blauen Nils nötig. Diese Arbeiten, die drei bis vier Jahre in
Anspruch nehmen und etwa 60 Millionen Mark kosten würden -- ein Kapital,
von dem man nachher eine Verzinsung zu 8 Prozent erwartet --, können aber
erst nach Weiterführung der Eisenbahn über die schon erwähnte Brücke über
den Blauen Nil bei Halfaya ins Innere von Ghezireh begonnen werden. Die
Arbeiten am Weißen Nil sind für Ägypten von größerer Wichtigkeit als für
den Sudan. Ihre Ausführung wird bedeutend größere Kosten verursachen als
die am Blauen Nil; sie werden aber auch eine viel größere Bedeutung haben.
Bis jetzt werden nur Vorarbeiten, besonders mit Baggermaschinen, erledigt.
Am Flusse Gash wurden bei Kassala kleinere Arbeiten ausgeführt, jedoch
durch die im letzten Sommer in ungeahnter Stärke eintretende Flut wieder völlig
zerstört. Auch hier muß die Weiterführung der Eisenbahn abgewartet werden,
ehe die Arbeiten in größerm Stil wieder aufgenommen werden können.

Die Gesamtausgaben des Bewässerungsdienstes beliefen sich im Jahre 1906
auf rund 923000 Mark.

Trotz großer Schwierigkeiten wird der Kampf gegen die Sklaverei von
der Negierung mit großem Eifer durchgeführt. Die auf die Ausrottung dieser
schlimmen Einrichtung gerichteten Maßregeln machen langsame, aber sichere
Fortschritte.

Auf dem Gebiete der Verwaltung verdienen die Erbauung eines großen
Sträflingshauses in Port Sudan, dessen Insassen beim Hafenbau Verwendung
finden sollen, die Maßnahmen zum Schutze der Waldungen und des Wildstandes,
die Herstellung von Leuchttürmen am Hafen von Port Sudan, die auch bei
Nachtzeit den Verkehr zu und aus dem Hafen ermöglichen, wodurch dieser
einen bedeutenden Vorsprung über den von Suakin erreicht hat, sowie die
Maßregeln und Gesetze zur Regelung des Handels mit alkoholischen Ge¬
tränken Erwähnung.

Auf die schon durchgeführten oder beabsichtigten Maßnahmen der Regierung
auf dem Gebiete der Gesundheitspflege, des Seuchenschutzes (die Rinderpest
forderte in drei Provinzen 1950 Opfer; 14521 Impfungen wurden vorgenommen;
zurzeit scheint die Seuche beinahe erloschen), der Rechtspflege, der Erziehung
und des Schulwesens näher einzugehn, verbietet der Raum. Erwähnt sei nur,
daß in dem mit dem 30. September endigenden Jahre 1905/06 nur 402 Fülle
von schweren Verbrechen gegen 484 im Jahre 1904/05 zur Bestrafung kamen.
Abgesehen von der Erziehung in den Eingebornenschulen (Kuttabs) genossen


Der ägyptische Sudan

Wie schon weiter oben ausgeführt worden ist, sind sich die maßgebenden Be¬
hörden darüber klar, daß Wasserregelungs- und Bewässerungsanlagen in
größerm Stil erst nach der Weiterführung der Eisenbahnlinien in Betracht
kommen können.

An Stelle des ursprünglich geplanten großen Flutkanals zur Bewässerung
des Landes Ghezireh ist jetzt der Bau eines Kanals ins Auge gefaßt worden,
der erst nach Ablauf der Flut das Land bewässern soll. Hierzu ist aber eine
Anstauung des Blauen Nils nötig. Diese Arbeiten, die drei bis vier Jahre in
Anspruch nehmen und etwa 60 Millionen Mark kosten würden — ein Kapital,
von dem man nachher eine Verzinsung zu 8 Prozent erwartet —, können aber
erst nach Weiterführung der Eisenbahn über die schon erwähnte Brücke über
den Blauen Nil bei Halfaya ins Innere von Ghezireh begonnen werden. Die
Arbeiten am Weißen Nil sind für Ägypten von größerer Wichtigkeit als für
den Sudan. Ihre Ausführung wird bedeutend größere Kosten verursachen als
die am Blauen Nil; sie werden aber auch eine viel größere Bedeutung haben.
Bis jetzt werden nur Vorarbeiten, besonders mit Baggermaschinen, erledigt.
Am Flusse Gash wurden bei Kassala kleinere Arbeiten ausgeführt, jedoch
durch die im letzten Sommer in ungeahnter Stärke eintretende Flut wieder völlig
zerstört. Auch hier muß die Weiterführung der Eisenbahn abgewartet werden,
ehe die Arbeiten in größerm Stil wieder aufgenommen werden können.

Die Gesamtausgaben des Bewässerungsdienstes beliefen sich im Jahre 1906
auf rund 923000 Mark.

Trotz großer Schwierigkeiten wird der Kampf gegen die Sklaverei von
der Negierung mit großem Eifer durchgeführt. Die auf die Ausrottung dieser
schlimmen Einrichtung gerichteten Maßregeln machen langsame, aber sichere
Fortschritte.

Auf dem Gebiete der Verwaltung verdienen die Erbauung eines großen
Sträflingshauses in Port Sudan, dessen Insassen beim Hafenbau Verwendung
finden sollen, die Maßnahmen zum Schutze der Waldungen und des Wildstandes,
die Herstellung von Leuchttürmen am Hafen von Port Sudan, die auch bei
Nachtzeit den Verkehr zu und aus dem Hafen ermöglichen, wodurch dieser
einen bedeutenden Vorsprung über den von Suakin erreicht hat, sowie die
Maßregeln und Gesetze zur Regelung des Handels mit alkoholischen Ge¬
tränken Erwähnung.

Auf die schon durchgeführten oder beabsichtigten Maßnahmen der Regierung
auf dem Gebiete der Gesundheitspflege, des Seuchenschutzes (die Rinderpest
forderte in drei Provinzen 1950 Opfer; 14521 Impfungen wurden vorgenommen;
zurzeit scheint die Seuche beinahe erloschen), der Rechtspflege, der Erziehung
und des Schulwesens näher einzugehn, verbietet der Raum. Erwähnt sei nur,
daß in dem mit dem 30. September endigenden Jahre 1905/06 nur 402 Fülle
von schweren Verbrechen gegen 484 im Jahre 1904/05 zur Bestrafung kamen.
Abgesehen von der Erziehung in den Eingebornenschulen (Kuttabs) genossen


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[0175] Der ägyptische Sudan Wie schon weiter oben ausgeführt worden ist, sind sich die maßgebenden Be¬ hörden darüber klar, daß Wasserregelungs- und Bewässerungsanlagen in größerm Stil erst nach der Weiterführung der Eisenbahnlinien in Betracht kommen können. An Stelle des ursprünglich geplanten großen Flutkanals zur Bewässerung des Landes Ghezireh ist jetzt der Bau eines Kanals ins Auge gefaßt worden, der erst nach Ablauf der Flut das Land bewässern soll. Hierzu ist aber eine Anstauung des Blauen Nils nötig. Diese Arbeiten, die drei bis vier Jahre in Anspruch nehmen und etwa 60 Millionen Mark kosten würden — ein Kapital, von dem man nachher eine Verzinsung zu 8 Prozent erwartet —, können aber erst nach Weiterführung der Eisenbahn über die schon erwähnte Brücke über den Blauen Nil bei Halfaya ins Innere von Ghezireh begonnen werden. Die Arbeiten am Weißen Nil sind für Ägypten von größerer Wichtigkeit als für den Sudan. Ihre Ausführung wird bedeutend größere Kosten verursachen als die am Blauen Nil; sie werden aber auch eine viel größere Bedeutung haben. Bis jetzt werden nur Vorarbeiten, besonders mit Baggermaschinen, erledigt. Am Flusse Gash wurden bei Kassala kleinere Arbeiten ausgeführt, jedoch durch die im letzten Sommer in ungeahnter Stärke eintretende Flut wieder völlig zerstört. Auch hier muß die Weiterführung der Eisenbahn abgewartet werden, ehe die Arbeiten in größerm Stil wieder aufgenommen werden können. Die Gesamtausgaben des Bewässerungsdienstes beliefen sich im Jahre 1906 auf rund 923000 Mark. Trotz großer Schwierigkeiten wird der Kampf gegen die Sklaverei von der Negierung mit großem Eifer durchgeführt. Die auf die Ausrottung dieser schlimmen Einrichtung gerichteten Maßregeln machen langsame, aber sichere Fortschritte. Auf dem Gebiete der Verwaltung verdienen die Erbauung eines großen Sträflingshauses in Port Sudan, dessen Insassen beim Hafenbau Verwendung finden sollen, die Maßnahmen zum Schutze der Waldungen und des Wildstandes, die Herstellung von Leuchttürmen am Hafen von Port Sudan, die auch bei Nachtzeit den Verkehr zu und aus dem Hafen ermöglichen, wodurch dieser einen bedeutenden Vorsprung über den von Suakin erreicht hat, sowie die Maßregeln und Gesetze zur Regelung des Handels mit alkoholischen Ge¬ tränken Erwähnung. Auf die schon durchgeführten oder beabsichtigten Maßnahmen der Regierung auf dem Gebiete der Gesundheitspflege, des Seuchenschutzes (die Rinderpest forderte in drei Provinzen 1950 Opfer; 14521 Impfungen wurden vorgenommen; zurzeit scheint die Seuche beinahe erloschen), der Rechtspflege, der Erziehung und des Schulwesens näher einzugehn, verbietet der Raum. Erwähnt sei nur, daß in dem mit dem 30. September endigenden Jahre 1905/06 nur 402 Fülle von schweren Verbrechen gegen 484 im Jahre 1904/05 zur Bestrafung kamen. Abgesehen von der Erziehung in den Eingebornenschulen (Kuttabs) genossen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/175>, abgerufen am 24.08.2024.