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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Die Jesuiten in Deutschland

gelungen ist, auf ihrem eigensten Gebiete in religiös sittlicher Beziehung nach¬
haltig fördernd auf die Höfe einzuwirken. Diese Frage bejahen die Tatsachen.
"Dort, wo die Jesuitenbeichtväter längere Zeit gewirkt, bietet das Leben am
Hofe ein Bild aufrichtiger Frömmigkeit und ehrlichen Strebens nach sittlicher
Läuterung." Zum Beweise werden einige Züge des Hoflebens in Wien, Graz
und München erzählt.

Das Kapitel "Teufelsmystik und Hexenprozesse" wird mit den Worten
eingeleitet: "Das dunkle und gefährliche Gebiet der Teufelsmystik konnte auf
einen so klar denkenden und praktisch gerichteten Mann, wie der Stifter des
Jesuitenordens es war, keine Anziehung ausüben. Jgncitius hielt sich von diesem
Gebiete fern. Weder in den Exerzitien noch im Institut spricht er davon, und
in seinem ganzen Leben hat er sich nie an einer Teufelsaustreibung beteiligt.
Einer seiner Schüler, der seinen Geist und seine Richtung mit am besten erfaßt,
Faber, schrieb auf die Kunde, daß ein Jesuit in Löwen sich mit Teufels¬
austreibungen abgebe, am 9. Juli 1545: Diese Teufelsaustreibungen kann ich
durchaus nicht billigen. Der Pater soll wissen, daß dabei viele Täuschung unter¬
läuft. Er möge, wie es die Aufgabe des Priesters ist, die Teufel aus den Seelen
austreiben und es den Exorzisten überlassen, ihr Amt auszuüben." Es würde
jedoch, bemerkt Duhr richtig, ein Wunder gewesen sein, wenn nicht auch die
Jesuiten der geistigen Epidemie des Jahrhunderts unterlegen wären. "Der Wahn
des vielfach unwissenden und vernachlässigten Volks witterte überall Hexerei und
Zauberei, und engherzige, kritiklose, unpraktische Gelehrte, Laien und Geistliche,
Juristen und Theologen, gaben dem Volkswahn nach, anstatt ihm zu widerstehn.
So entsandte der Wahn im Bunde mit Rachsucht und Habgier, unterstützt und
endlos erweitert durch eine fast wahnsinnig zu nennende Anwendung der Folter,
die entsetzliche Periode der Hexenbrande, dieser Schmach für unser deutsches
Vaterland wie für den christlichen Namen. Was man auch immer von grauen¬
haften Verbrechen der Hexen behaupten und szuj beweisen ^versuchenj mag, so
viel steht heute historisch fest, daß in den deutschen Hexenprozesfen Tausende
IHunderttausendelj unschuldig gefoltert, verurteilt und verbrannt worden sind."
Duhr bedauert, daß eine Anzahl seiner Ordensbrüder durch ihre Bücher den
Hexenwahn befördert haben, namentlich Delrio mit seinen berüchtigten visaui-
sitwnes rnaMAö (das Buch ist nach Döllinger noch scheußlicher als der Hexen¬
hammer); doch hätten sich die Jesuiten in populären Schriften großer Zurück¬
haltung befleißigt. Von den Jesuiten, die den Hexenwahn und die grausame
Behandlung der angeblichen Hexen bekämpft haben, wird erst im folgenden
Bande die Rede sein.

sick ^"^Westlich Interessantes kommt besonders in den Kapiteln: "Geist¬
liche und wissenschaftliche Ausbildung der Mitglieder; Noviziat und Scholastikat"
uno Zu Hause" vor; hier wird auch die Art. wie die Jesuiten reisten, be¬
schrieben. Hre und da bekommt man hübsche Schilderungen von Land und Leuten
zu lesen, manche historische Vorgänge werden skizziert, zum Beispiel wie die


Die Jesuiten in Deutschland

gelungen ist, auf ihrem eigensten Gebiete in religiös sittlicher Beziehung nach¬
haltig fördernd auf die Höfe einzuwirken. Diese Frage bejahen die Tatsachen.
„Dort, wo die Jesuitenbeichtväter längere Zeit gewirkt, bietet das Leben am
Hofe ein Bild aufrichtiger Frömmigkeit und ehrlichen Strebens nach sittlicher
Läuterung." Zum Beweise werden einige Züge des Hoflebens in Wien, Graz
und München erzählt.

Das Kapitel „Teufelsmystik und Hexenprozesse" wird mit den Worten
eingeleitet: „Das dunkle und gefährliche Gebiet der Teufelsmystik konnte auf
einen so klar denkenden und praktisch gerichteten Mann, wie der Stifter des
Jesuitenordens es war, keine Anziehung ausüben. Jgncitius hielt sich von diesem
Gebiete fern. Weder in den Exerzitien noch im Institut spricht er davon, und
in seinem ganzen Leben hat er sich nie an einer Teufelsaustreibung beteiligt.
Einer seiner Schüler, der seinen Geist und seine Richtung mit am besten erfaßt,
Faber, schrieb auf die Kunde, daß ein Jesuit in Löwen sich mit Teufels¬
austreibungen abgebe, am 9. Juli 1545: Diese Teufelsaustreibungen kann ich
durchaus nicht billigen. Der Pater soll wissen, daß dabei viele Täuschung unter¬
läuft. Er möge, wie es die Aufgabe des Priesters ist, die Teufel aus den Seelen
austreiben und es den Exorzisten überlassen, ihr Amt auszuüben." Es würde
jedoch, bemerkt Duhr richtig, ein Wunder gewesen sein, wenn nicht auch die
Jesuiten der geistigen Epidemie des Jahrhunderts unterlegen wären. „Der Wahn
des vielfach unwissenden und vernachlässigten Volks witterte überall Hexerei und
Zauberei, und engherzige, kritiklose, unpraktische Gelehrte, Laien und Geistliche,
Juristen und Theologen, gaben dem Volkswahn nach, anstatt ihm zu widerstehn.
So entsandte der Wahn im Bunde mit Rachsucht und Habgier, unterstützt und
endlos erweitert durch eine fast wahnsinnig zu nennende Anwendung der Folter,
die entsetzliche Periode der Hexenbrande, dieser Schmach für unser deutsches
Vaterland wie für den christlichen Namen. Was man auch immer von grauen¬
haften Verbrechen der Hexen behaupten und szuj beweisen ^versuchenj mag, so
viel steht heute historisch fest, daß in den deutschen Hexenprozesfen Tausende
IHunderttausendelj unschuldig gefoltert, verurteilt und verbrannt worden sind."
Duhr bedauert, daß eine Anzahl seiner Ordensbrüder durch ihre Bücher den
Hexenwahn befördert haben, namentlich Delrio mit seinen berüchtigten visaui-
sitwnes rnaMAö (das Buch ist nach Döllinger noch scheußlicher als der Hexen¬
hammer); doch hätten sich die Jesuiten in populären Schriften großer Zurück¬
haltung befleißigt. Von den Jesuiten, die den Hexenwahn und die grausame
Behandlung der angeblichen Hexen bekämpft haben, wird erst im folgenden
Bande die Rede sein.

sick ^"^Westlich Interessantes kommt besonders in den Kapiteln: „Geist¬
liche und wissenschaftliche Ausbildung der Mitglieder; Noviziat und Scholastikat"
uno Zu Hause" vor; hier wird auch die Art. wie die Jesuiten reisten, be¬
schrieben. Hre und da bekommt man hübsche Schilderungen von Land und Leuten
zu lesen, manche historische Vorgänge werden skizziert, zum Beispiel wie die


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[0135] Die Jesuiten in Deutschland gelungen ist, auf ihrem eigensten Gebiete in religiös sittlicher Beziehung nach¬ haltig fördernd auf die Höfe einzuwirken. Diese Frage bejahen die Tatsachen. „Dort, wo die Jesuitenbeichtväter längere Zeit gewirkt, bietet das Leben am Hofe ein Bild aufrichtiger Frömmigkeit und ehrlichen Strebens nach sittlicher Läuterung." Zum Beweise werden einige Züge des Hoflebens in Wien, Graz und München erzählt. Das Kapitel „Teufelsmystik und Hexenprozesse" wird mit den Worten eingeleitet: „Das dunkle und gefährliche Gebiet der Teufelsmystik konnte auf einen so klar denkenden und praktisch gerichteten Mann, wie der Stifter des Jesuitenordens es war, keine Anziehung ausüben. Jgncitius hielt sich von diesem Gebiete fern. Weder in den Exerzitien noch im Institut spricht er davon, und in seinem ganzen Leben hat er sich nie an einer Teufelsaustreibung beteiligt. Einer seiner Schüler, der seinen Geist und seine Richtung mit am besten erfaßt, Faber, schrieb auf die Kunde, daß ein Jesuit in Löwen sich mit Teufels¬ austreibungen abgebe, am 9. Juli 1545: Diese Teufelsaustreibungen kann ich durchaus nicht billigen. Der Pater soll wissen, daß dabei viele Täuschung unter¬ läuft. Er möge, wie es die Aufgabe des Priesters ist, die Teufel aus den Seelen austreiben und es den Exorzisten überlassen, ihr Amt auszuüben." Es würde jedoch, bemerkt Duhr richtig, ein Wunder gewesen sein, wenn nicht auch die Jesuiten der geistigen Epidemie des Jahrhunderts unterlegen wären. „Der Wahn des vielfach unwissenden und vernachlässigten Volks witterte überall Hexerei und Zauberei, und engherzige, kritiklose, unpraktische Gelehrte, Laien und Geistliche, Juristen und Theologen, gaben dem Volkswahn nach, anstatt ihm zu widerstehn. So entsandte der Wahn im Bunde mit Rachsucht und Habgier, unterstützt und endlos erweitert durch eine fast wahnsinnig zu nennende Anwendung der Folter, die entsetzliche Periode der Hexenbrande, dieser Schmach für unser deutsches Vaterland wie für den christlichen Namen. Was man auch immer von grauen¬ haften Verbrechen der Hexen behaupten und szuj beweisen ^versuchenj mag, so viel steht heute historisch fest, daß in den deutschen Hexenprozesfen Tausende IHunderttausendelj unschuldig gefoltert, verurteilt und verbrannt worden sind." Duhr bedauert, daß eine Anzahl seiner Ordensbrüder durch ihre Bücher den Hexenwahn befördert haben, namentlich Delrio mit seinen berüchtigten visaui- sitwnes rnaMAö (das Buch ist nach Döllinger noch scheußlicher als der Hexen¬ hammer); doch hätten sich die Jesuiten in populären Schriften großer Zurück¬ haltung befleißigt. Von den Jesuiten, die den Hexenwahn und die grausame Behandlung der angeblichen Hexen bekämpft haben, wird erst im folgenden Bande die Rede sein. sick ^"^Westlich Interessantes kommt besonders in den Kapiteln: „Geist¬ liche und wissenschaftliche Ausbildung der Mitglieder; Noviziat und Scholastikat" uno Zu Hause" vor; hier wird auch die Art. wie die Jesuiten reisten, be¬ schrieben. Hre und da bekommt man hübsche Schilderungen von Land und Leuten zu lesen, manche historische Vorgänge werden skizziert, zum Beispiel wie die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/135>, abgerufen am 28.09.2024.