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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Zur Frage der Deportation

besitzen, die klimatisch keinerlei Schwierigkeiten machen würden. Selbstverständ¬
lich kann es auch nicht Absicht der Deportation sein, unsre schönen Kolonial¬
länder mit "Zuchthäuslern" zu überschwemmen, es würde sich bei der Stras-
verschickung Unverbesserlicher doch nur um völlig isolierte, entlegne Inseln oder
bei der Ansiedlung von Strafgefangncn oder Entlassener auf andern Gebieten
nur um ausgesuchtes Menschenmaterial handeln. Durch den Vertrag mit England
vom Jahre 1886 ist die Grenze der Südsee, innerhalb derer auf beiden Seiten
keine Strafkolonien angelegt werden dürfen, auf den fünfzehnten Grad nörd¬
licher Breite bestimmt, sodaß uns immer noch die Marianen für Deportations¬
zwecke übrig blieben.

Wer im Strafvollzug tätig ist, und wer die Insassen unsrer Strafhäuser
kennt, der weiß, daß unsre Gefängnisse genug brauchbare Menschen in ihren
Mauern bergen, die hier bei uns mit dem Kainszeichen des Vorbestraften nur
schwer wieder festen Fuß fassen können, die aber der Menschheit recht wohl
wieder als brauchbare, nützliche Glieder zurückgegeben werden könnten, wenn
man ihnen hilfreich die Hand reichen wollte, wie es durch Ansiedlung in den
Tropen geschehen würde; der weiß auch, daß wir Elemente nach verbüßter
Strafzeit wieder loslassen müssen, die eine große Gefahr für die Mitmenschen
bedeuten, und bei denen man mit schwerem Herzen unwillkürlich an die denken
muß, die die nächsten Opfer dieser Wüstlinge, dieser Unverbesserlichen sein
werden. Diese Leute würde man sicher am besten auf einer fernen, weltentlegnen
Insel ansiedeln. Das alles ließe sich durch die fakultative oder die zwangs¬
weise Deportation erreichen. Ist das wirklich eine falsche Humanität, solchen
zu helfen, die den Willen haben, sich zu bessern, und andrerseits die menschliche
Gesellschaft zu schützen vor denen, die nicht mehr zu bessern sind?

Oder haben wir noch andre Mittel und Wege, um dies zu ermöglichen?
Durch einen andern Strafvollzug? Durch neue Strafarten? Durch ein neues
Strafgesetz? Durch eine andre Art der Fürsorge? Um den Rückfall, der nach den
neuen Statistiker geradezu rapid zunimmt, etwas einzudämmen, können noch
Mittel und Wege gefunden werden vor allem durch Errichtung von Anstalten, in
denen Unverbesserliche und nicht voll Zurechnungsfähige dauernd interniert werden,
durch Anstalten, in denen ganz oder teilweise erwerbsunfähige Aufnahme finden,
durch Anstalten, worin Alkoholiker geheilt oder dauernd untergebracht werden usw.
Aber was würden solche Maßnahmen erst für Summen Geldes verschlingen!

Die Deportation, bei der Verbesserliche und Unverbesserliche streng von¬
einander zu scheiden wären, ist meines Erachtens zurzeit ganz besonders dazu
geeignet, auf dem Gebiete der Kriminalistik Wandel zu schaffen. Und so heißt
es fortarbeiten an dein Gedanken der Strafverschickung.




Zur Frage der Deportation

besitzen, die klimatisch keinerlei Schwierigkeiten machen würden. Selbstverständ¬
lich kann es auch nicht Absicht der Deportation sein, unsre schönen Kolonial¬
länder mit „Zuchthäuslern" zu überschwemmen, es würde sich bei der Stras-
verschickung Unverbesserlicher doch nur um völlig isolierte, entlegne Inseln oder
bei der Ansiedlung von Strafgefangncn oder Entlassener auf andern Gebieten
nur um ausgesuchtes Menschenmaterial handeln. Durch den Vertrag mit England
vom Jahre 1886 ist die Grenze der Südsee, innerhalb derer auf beiden Seiten
keine Strafkolonien angelegt werden dürfen, auf den fünfzehnten Grad nörd¬
licher Breite bestimmt, sodaß uns immer noch die Marianen für Deportations¬
zwecke übrig blieben.

Wer im Strafvollzug tätig ist, und wer die Insassen unsrer Strafhäuser
kennt, der weiß, daß unsre Gefängnisse genug brauchbare Menschen in ihren
Mauern bergen, die hier bei uns mit dem Kainszeichen des Vorbestraften nur
schwer wieder festen Fuß fassen können, die aber der Menschheit recht wohl
wieder als brauchbare, nützliche Glieder zurückgegeben werden könnten, wenn
man ihnen hilfreich die Hand reichen wollte, wie es durch Ansiedlung in den
Tropen geschehen würde; der weiß auch, daß wir Elemente nach verbüßter
Strafzeit wieder loslassen müssen, die eine große Gefahr für die Mitmenschen
bedeuten, und bei denen man mit schwerem Herzen unwillkürlich an die denken
muß, die die nächsten Opfer dieser Wüstlinge, dieser Unverbesserlichen sein
werden. Diese Leute würde man sicher am besten auf einer fernen, weltentlegnen
Insel ansiedeln. Das alles ließe sich durch die fakultative oder die zwangs¬
weise Deportation erreichen. Ist das wirklich eine falsche Humanität, solchen
zu helfen, die den Willen haben, sich zu bessern, und andrerseits die menschliche
Gesellschaft zu schützen vor denen, die nicht mehr zu bessern sind?

Oder haben wir noch andre Mittel und Wege, um dies zu ermöglichen?
Durch einen andern Strafvollzug? Durch neue Strafarten? Durch ein neues
Strafgesetz? Durch eine andre Art der Fürsorge? Um den Rückfall, der nach den
neuen Statistiker geradezu rapid zunimmt, etwas einzudämmen, können noch
Mittel und Wege gefunden werden vor allem durch Errichtung von Anstalten, in
denen Unverbesserliche und nicht voll Zurechnungsfähige dauernd interniert werden,
durch Anstalten, in denen ganz oder teilweise erwerbsunfähige Aufnahme finden,
durch Anstalten, worin Alkoholiker geheilt oder dauernd untergebracht werden usw.
Aber was würden solche Maßnahmen erst für Summen Geldes verschlingen!

Die Deportation, bei der Verbesserliche und Unverbesserliche streng von¬
einander zu scheiden wären, ist meines Erachtens zurzeit ganz besonders dazu
geeignet, auf dem Gebiete der Kriminalistik Wandel zu schaffen. Und so heißt
es fortarbeiten an dein Gedanken der Strafverschickung.




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[0075] Zur Frage der Deportation besitzen, die klimatisch keinerlei Schwierigkeiten machen würden. Selbstverständ¬ lich kann es auch nicht Absicht der Deportation sein, unsre schönen Kolonial¬ länder mit „Zuchthäuslern" zu überschwemmen, es würde sich bei der Stras- verschickung Unverbesserlicher doch nur um völlig isolierte, entlegne Inseln oder bei der Ansiedlung von Strafgefangncn oder Entlassener auf andern Gebieten nur um ausgesuchtes Menschenmaterial handeln. Durch den Vertrag mit England vom Jahre 1886 ist die Grenze der Südsee, innerhalb derer auf beiden Seiten keine Strafkolonien angelegt werden dürfen, auf den fünfzehnten Grad nörd¬ licher Breite bestimmt, sodaß uns immer noch die Marianen für Deportations¬ zwecke übrig blieben. Wer im Strafvollzug tätig ist, und wer die Insassen unsrer Strafhäuser kennt, der weiß, daß unsre Gefängnisse genug brauchbare Menschen in ihren Mauern bergen, die hier bei uns mit dem Kainszeichen des Vorbestraften nur schwer wieder festen Fuß fassen können, die aber der Menschheit recht wohl wieder als brauchbare, nützliche Glieder zurückgegeben werden könnten, wenn man ihnen hilfreich die Hand reichen wollte, wie es durch Ansiedlung in den Tropen geschehen würde; der weiß auch, daß wir Elemente nach verbüßter Strafzeit wieder loslassen müssen, die eine große Gefahr für die Mitmenschen bedeuten, und bei denen man mit schwerem Herzen unwillkürlich an die denken muß, die die nächsten Opfer dieser Wüstlinge, dieser Unverbesserlichen sein werden. Diese Leute würde man sicher am besten auf einer fernen, weltentlegnen Insel ansiedeln. Das alles ließe sich durch die fakultative oder die zwangs¬ weise Deportation erreichen. Ist das wirklich eine falsche Humanität, solchen zu helfen, die den Willen haben, sich zu bessern, und andrerseits die menschliche Gesellschaft zu schützen vor denen, die nicht mehr zu bessern sind? Oder haben wir noch andre Mittel und Wege, um dies zu ermöglichen? Durch einen andern Strafvollzug? Durch neue Strafarten? Durch ein neues Strafgesetz? Durch eine andre Art der Fürsorge? Um den Rückfall, der nach den neuen Statistiker geradezu rapid zunimmt, etwas einzudämmen, können noch Mittel und Wege gefunden werden vor allem durch Errichtung von Anstalten, in denen Unverbesserliche und nicht voll Zurechnungsfähige dauernd interniert werden, durch Anstalten, in denen ganz oder teilweise erwerbsunfähige Aufnahme finden, durch Anstalten, worin Alkoholiker geheilt oder dauernd untergebracht werden usw. Aber was würden solche Maßnahmen erst für Summen Geldes verschlingen! Die Deportation, bei der Verbesserliche und Unverbesserliche streng von¬ einander zu scheiden wären, ist meines Erachtens zurzeit ganz besonders dazu geeignet, auf dem Gebiete der Kriminalistik Wandel zu schaffen. Und so heißt es fortarbeiten an dein Gedanken der Strafverschickung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/75>, abgerufen am 24.08.2024.