Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Germanische Aunst für unser Volk in Waffen

das früher für Diplome charakteristisch war und den Zweck hatte, farbige Wappen,
die es umrahmte, leuchten zu machen wie Email, Die kriegerische Eleganz
und die intimen malerischen Schönheiten der Pickelhaube sind nicht ganz zum
Ausdruck gekommen. Die Figuren sind, kaum nach dem Geschmack des Künstlers,
genau so angeordnet wie auf dem Diplom der sechzehner Husaren. Aber eine
Schönheit hat dieses Blatt: das lothringische Städtchen mit seiner schlichten,
aus einem gotischen Kirchturm und einigen Fabrikschloten bestehenden Silhouette
ist so deutsch gezeichnet, daß es trotz seines französischen Namens so freundlich
und traulich wie nur irgendein Stück deutschen Landes in die Heimstätten der
nordbayrischen Reiter schauen wird, die sich das Diplom erringen.

Auf seinem nächsten Diplom, dem für das württembergische Dragoner¬
regiment Königin Olga, hat sich Jcmk von dem Schema der Figureuanordnung
frei gemacht, das ihn auf dem vorigen Diplom lähmte. Von einem Hügel
her über einen braunen Acker reitet ein Unteroffizier mit zwei Mann in scharfem
Trab dem Beschauer entgegen. Die Erde stiebt unter den Hufschlägen auf, die
Reiter und die Rosse drängen vorwärts, dem Fuchs des Unteroffiziers hängt
die Zunge seitwärts aus dem Maul. Der Unteroffizier ist ein prächtiger Soldat,
sein frisches, freundliches Gesicht hat gar nichts Uniformes, die Eigenschaften,
die man davon ablesen kann, erwecken Sympathie. Die beiden Dragoner haben
Massengesichter. Das grelle Not der Lanzenfähnchen steht in scharfem Gegensatz
zu dem Blau der Waffenröcke. Das Bild bekommt dadurch die Farbenkraft
einer mittelalterlichen Kriegergruppe und die Wirkung eines Plakats. Das
Weiß der Uniform kommt in dieser Vorderansicht nicht zur Geltung, das Blau
ist hart, und der malerische Wert der Pickelhaube ist auch auf diesem Bilde nicht
ganz ausgenützt. Aber mit seinen frischen, starken Farben, Menschen und Pferden
wirkt das Ganze doch wie ein Strauß von Kornblumen und Mohn, und die
Gedanken ruhn wie Falter gern auf diesen Blüten. Das mag anch die Wirkung
dieses Diploms sein, wenn es in den arbeitsvollen Tag und in den Feierabend
seiner Inhaber leuchtet.

Das Diplom des ersten bayrischen Ulanenregiments Kaiser Wilhelm der
Zweite ist in allen Stücken ein Fortschritt gegenüber den bisher besprochnen.
Die Bewegung ist noch besser als auf dem Dragonerdiplom. Eine Welle von
Rossen und Reitern geht weich und flach über eine niedere Hürde und gleitet
rasch weiter. Durch die dargestellte Bewegungsreihe: Ansatz zum Sprung, Sprung,
Landen und Weiterreiten jenseits des Hindernisses wird der Eindruck, als sei
das zum Sprung ansetzende Pferd in diesem transitorischen Moment erstarrt,
gemildert. Der führende Unteroffizier ist mit seinem Schimmel gelandet. Er
zeigt in seinen Zügen Intelligenz, Wachsamkeit und Schneid und in seiner fest
im Sattel sitzenden Gestalt derbe, aber geschulte Kraft. Es ist, als ob er das
Tier, das er zwischen den Schenkeln hat, vorwärts trüge. Man denkt an den
Schrecken, der im letzten Kriege den Ulanen vorausging, wenn man das Bild
ansieht, diese vorwärts drängende Energie der deutschen Reiterei hat den Ulanen-


Germanische Aunst für unser Volk in Waffen

das früher für Diplome charakteristisch war und den Zweck hatte, farbige Wappen,
die es umrahmte, leuchten zu machen wie Email, Die kriegerische Eleganz
und die intimen malerischen Schönheiten der Pickelhaube sind nicht ganz zum
Ausdruck gekommen. Die Figuren sind, kaum nach dem Geschmack des Künstlers,
genau so angeordnet wie auf dem Diplom der sechzehner Husaren. Aber eine
Schönheit hat dieses Blatt: das lothringische Städtchen mit seiner schlichten,
aus einem gotischen Kirchturm und einigen Fabrikschloten bestehenden Silhouette
ist so deutsch gezeichnet, daß es trotz seines französischen Namens so freundlich
und traulich wie nur irgendein Stück deutschen Landes in die Heimstätten der
nordbayrischen Reiter schauen wird, die sich das Diplom erringen.

Auf seinem nächsten Diplom, dem für das württembergische Dragoner¬
regiment Königin Olga, hat sich Jcmk von dem Schema der Figureuanordnung
frei gemacht, das ihn auf dem vorigen Diplom lähmte. Von einem Hügel
her über einen braunen Acker reitet ein Unteroffizier mit zwei Mann in scharfem
Trab dem Beschauer entgegen. Die Erde stiebt unter den Hufschlägen auf, die
Reiter und die Rosse drängen vorwärts, dem Fuchs des Unteroffiziers hängt
die Zunge seitwärts aus dem Maul. Der Unteroffizier ist ein prächtiger Soldat,
sein frisches, freundliches Gesicht hat gar nichts Uniformes, die Eigenschaften,
die man davon ablesen kann, erwecken Sympathie. Die beiden Dragoner haben
Massengesichter. Das grelle Not der Lanzenfähnchen steht in scharfem Gegensatz
zu dem Blau der Waffenröcke. Das Bild bekommt dadurch die Farbenkraft
einer mittelalterlichen Kriegergruppe und die Wirkung eines Plakats. Das
Weiß der Uniform kommt in dieser Vorderansicht nicht zur Geltung, das Blau
ist hart, und der malerische Wert der Pickelhaube ist auch auf diesem Bilde nicht
ganz ausgenützt. Aber mit seinen frischen, starken Farben, Menschen und Pferden
wirkt das Ganze doch wie ein Strauß von Kornblumen und Mohn, und die
Gedanken ruhn wie Falter gern auf diesen Blüten. Das mag anch die Wirkung
dieses Diploms sein, wenn es in den arbeitsvollen Tag und in den Feierabend
seiner Inhaber leuchtet.

Das Diplom des ersten bayrischen Ulanenregiments Kaiser Wilhelm der
Zweite ist in allen Stücken ein Fortschritt gegenüber den bisher besprochnen.
Die Bewegung ist noch besser als auf dem Dragonerdiplom. Eine Welle von
Rossen und Reitern geht weich und flach über eine niedere Hürde und gleitet
rasch weiter. Durch die dargestellte Bewegungsreihe: Ansatz zum Sprung, Sprung,
Landen und Weiterreiten jenseits des Hindernisses wird der Eindruck, als sei
das zum Sprung ansetzende Pferd in diesem transitorischen Moment erstarrt,
gemildert. Der führende Unteroffizier ist mit seinem Schimmel gelandet. Er
zeigt in seinen Zügen Intelligenz, Wachsamkeit und Schneid und in seiner fest
im Sattel sitzenden Gestalt derbe, aber geschulte Kraft. Es ist, als ob er das
Tier, das er zwischen den Schenkeln hat, vorwärts trüge. Man denkt an den
Schrecken, der im letzten Kriege den Ulanen vorausging, wenn man das Bild
ansieht, diese vorwärts drängende Energie der deutschen Reiterei hat den Ulanen-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0594" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311005"/>
          <fw type="header" place="top"> Germanische Aunst für unser Volk in Waffen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_3078" prev="#ID_3077"> das früher für Diplome charakteristisch war und den Zweck hatte, farbige Wappen,<lb/>
die es umrahmte, leuchten zu machen wie Email, Die kriegerische Eleganz<lb/>
und die intimen malerischen Schönheiten der Pickelhaube sind nicht ganz zum<lb/>
Ausdruck gekommen. Die Figuren sind, kaum nach dem Geschmack des Künstlers,<lb/>
genau so angeordnet wie auf dem Diplom der sechzehner Husaren. Aber eine<lb/>
Schönheit hat dieses Blatt: das lothringische Städtchen mit seiner schlichten,<lb/>
aus einem gotischen Kirchturm und einigen Fabrikschloten bestehenden Silhouette<lb/>
ist so deutsch gezeichnet, daß es trotz seines französischen Namens so freundlich<lb/>
und traulich wie nur irgendein Stück deutschen Landes in die Heimstätten der<lb/>
nordbayrischen Reiter schauen wird, die sich das Diplom erringen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3079"> Auf seinem nächsten Diplom, dem für das württembergische Dragoner¬<lb/>
regiment Königin Olga, hat sich Jcmk von dem Schema der Figureuanordnung<lb/>
frei gemacht, das ihn auf dem vorigen Diplom lähmte. Von einem Hügel<lb/>
her über einen braunen Acker reitet ein Unteroffizier mit zwei Mann in scharfem<lb/>
Trab dem Beschauer entgegen. Die Erde stiebt unter den Hufschlägen auf, die<lb/>
Reiter und die Rosse drängen vorwärts, dem Fuchs des Unteroffiziers hängt<lb/>
die Zunge seitwärts aus dem Maul. Der Unteroffizier ist ein prächtiger Soldat,<lb/>
sein frisches, freundliches Gesicht hat gar nichts Uniformes, die Eigenschaften,<lb/>
die man davon ablesen kann, erwecken Sympathie. Die beiden Dragoner haben<lb/>
Massengesichter. Das grelle Not der Lanzenfähnchen steht in scharfem Gegensatz<lb/>
zu dem Blau der Waffenröcke. Das Bild bekommt dadurch die Farbenkraft<lb/>
einer mittelalterlichen Kriegergruppe und die Wirkung eines Plakats. Das<lb/>
Weiß der Uniform kommt in dieser Vorderansicht nicht zur Geltung, das Blau<lb/>
ist hart, und der malerische Wert der Pickelhaube ist auch auf diesem Bilde nicht<lb/>
ganz ausgenützt. Aber mit seinen frischen, starken Farben, Menschen und Pferden<lb/>
wirkt das Ganze doch wie ein Strauß von Kornblumen und Mohn, und die<lb/>
Gedanken ruhn wie Falter gern auf diesen Blüten. Das mag anch die Wirkung<lb/>
dieses Diploms sein, wenn es in den arbeitsvollen Tag und in den Feierabend<lb/>
seiner Inhaber leuchtet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3080" next="#ID_3081"> Das Diplom des ersten bayrischen Ulanenregiments Kaiser Wilhelm der<lb/>
Zweite ist in allen Stücken ein Fortschritt gegenüber den bisher besprochnen.<lb/>
Die Bewegung ist noch besser als auf dem Dragonerdiplom. Eine Welle von<lb/>
Rossen und Reitern geht weich und flach über eine niedere Hürde und gleitet<lb/>
rasch weiter. Durch die dargestellte Bewegungsreihe: Ansatz zum Sprung, Sprung,<lb/>
Landen und Weiterreiten jenseits des Hindernisses wird der Eindruck, als sei<lb/>
das zum Sprung ansetzende Pferd in diesem transitorischen Moment erstarrt,<lb/>
gemildert. Der führende Unteroffizier ist mit seinem Schimmel gelandet. Er<lb/>
zeigt in seinen Zügen Intelligenz, Wachsamkeit und Schneid und in seiner fest<lb/>
im Sattel sitzenden Gestalt derbe, aber geschulte Kraft. Es ist, als ob er das<lb/>
Tier, das er zwischen den Schenkeln hat, vorwärts trüge. Man denkt an den<lb/>
Schrecken, der im letzten Kriege den Ulanen vorausging, wenn man das Bild<lb/>
ansieht, diese vorwärts drängende Energie der deutschen Reiterei hat den Ulanen-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0594] Germanische Aunst für unser Volk in Waffen das früher für Diplome charakteristisch war und den Zweck hatte, farbige Wappen, die es umrahmte, leuchten zu machen wie Email, Die kriegerische Eleganz und die intimen malerischen Schönheiten der Pickelhaube sind nicht ganz zum Ausdruck gekommen. Die Figuren sind, kaum nach dem Geschmack des Künstlers, genau so angeordnet wie auf dem Diplom der sechzehner Husaren. Aber eine Schönheit hat dieses Blatt: das lothringische Städtchen mit seiner schlichten, aus einem gotischen Kirchturm und einigen Fabrikschloten bestehenden Silhouette ist so deutsch gezeichnet, daß es trotz seines französischen Namens so freundlich und traulich wie nur irgendein Stück deutschen Landes in die Heimstätten der nordbayrischen Reiter schauen wird, die sich das Diplom erringen. Auf seinem nächsten Diplom, dem für das württembergische Dragoner¬ regiment Königin Olga, hat sich Jcmk von dem Schema der Figureuanordnung frei gemacht, das ihn auf dem vorigen Diplom lähmte. Von einem Hügel her über einen braunen Acker reitet ein Unteroffizier mit zwei Mann in scharfem Trab dem Beschauer entgegen. Die Erde stiebt unter den Hufschlägen auf, die Reiter und die Rosse drängen vorwärts, dem Fuchs des Unteroffiziers hängt die Zunge seitwärts aus dem Maul. Der Unteroffizier ist ein prächtiger Soldat, sein frisches, freundliches Gesicht hat gar nichts Uniformes, die Eigenschaften, die man davon ablesen kann, erwecken Sympathie. Die beiden Dragoner haben Massengesichter. Das grelle Not der Lanzenfähnchen steht in scharfem Gegensatz zu dem Blau der Waffenröcke. Das Bild bekommt dadurch die Farbenkraft einer mittelalterlichen Kriegergruppe und die Wirkung eines Plakats. Das Weiß der Uniform kommt in dieser Vorderansicht nicht zur Geltung, das Blau ist hart, und der malerische Wert der Pickelhaube ist auch auf diesem Bilde nicht ganz ausgenützt. Aber mit seinen frischen, starken Farben, Menschen und Pferden wirkt das Ganze doch wie ein Strauß von Kornblumen und Mohn, und die Gedanken ruhn wie Falter gern auf diesen Blüten. Das mag anch die Wirkung dieses Diploms sein, wenn es in den arbeitsvollen Tag und in den Feierabend seiner Inhaber leuchtet. Das Diplom des ersten bayrischen Ulanenregiments Kaiser Wilhelm der Zweite ist in allen Stücken ein Fortschritt gegenüber den bisher besprochnen. Die Bewegung ist noch besser als auf dem Dragonerdiplom. Eine Welle von Rossen und Reitern geht weich und flach über eine niedere Hürde und gleitet rasch weiter. Durch die dargestellte Bewegungsreihe: Ansatz zum Sprung, Sprung, Landen und Weiterreiten jenseits des Hindernisses wird der Eindruck, als sei das zum Sprung ansetzende Pferd in diesem transitorischen Moment erstarrt, gemildert. Der führende Unteroffizier ist mit seinem Schimmel gelandet. Er zeigt in seinen Zügen Intelligenz, Wachsamkeit und Schneid und in seiner fest im Sattel sitzenden Gestalt derbe, aber geschulte Kraft. Es ist, als ob er das Tier, das er zwischen den Schenkeln hat, vorwärts trüge. Man denkt an den Schrecken, der im letzten Kriege den Ulanen vorausging, wenn man das Bild ansieht, diese vorwärts drängende Energie der deutschen Reiterei hat den Ulanen-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/594
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/594>, abgerufen am 22.07.2024.