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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Germanische Runst für unser Volk in Waffen

Fortschritt gegenüber den frühern Erinnerungsblättern, das bescheidne Blatt
bringt in manches Haus ein farbiges Bild des Dienstes und der Waffe, das
Kornblumen- oder Enzianblau der Geschützräder paßt gut in die Stuben von
Flachland- und von Hochlandbauern, aber die Zeichnung kann mit ihrem noch
etwas unfreien Strich und mit ihrer schwerfälligen Komposition dem Schie߬
diplom Greiners nicht an die Seite gestellt werden.

Erst Jarl fand Gestalten und Farben, die traulich und wehmütig wie die
Weise "Lang, lang ists her" jetzt zu Reservisten sprechen und einst zu Land¬
wehr- und Landstnrmmännern sprechen werden. Als die deutschen Truppen im
Jahre 1897 am hundertsten Geburtstag Kaiser Wilhelms des Ersten die deutsche
Kokarde anlegten, feierte Jarl dieses Ereignis in einem schönen Titelbilde der
"Jugend". Stolz auf den Kokardenschmuck seiner Feldmütze, dem Kopfe seines
sanftblickenden Schimmels traulich nah, lacht uns aus dem Titelbilde ein
bayrischer Schwerer Reiter an. Es ist ein prächtiges Bild germanischer Jugend¬
kraft: die blauen Augen, der junge blonde Schnurrbart, die weißen Zähne
leuchten hell aus dem kühnen gebräunten Gesicht. Unsre Volksart und unser
Volksbewußtsein äußern sich darin verständlich und anmutig für den einfachen
Mann und erquickend und erhebend für den Gebildeten. Dem Zuge der Zeit
folgend kleidete dann der Künstler die Soldaten, von denen sein Stift erzählte,
in Uniformen der Biedermeierzeit, so den Ulanenoffizier, der in seiner ersten
Vaterfreude der Sonne seinen Sohn zeigt:

und die grünen Husaren, die an dem verlaßnen Mägdlein vorüber reiten. Noch
weiter wanderte die Phantasie des Künstlers in dem prächtigen Bilde "Eiserne
Wehr" in die alte Zeit zurück. Auf diesem Bilde ist alles voll wuchtiger Kraft,
Luft, Landschaft, Lanzen, Rosse und Reiter. Dann weiß ich noch ein satirisches
Zeitbild "Im Konzentrationslager", auf dem Jarl der damaligen Entrüstung
über das englische Verfahren im Burenkrieg dadurch Ausdruck gab, daß erden
Tommy Atkinstypus auch auf die englischen Offiziere übertrug, und einen noch
sehr grünen Leutnant von den grünen Husaren, unter dem irgendein harmloses
selbstbewußtes Wort steht.

Im Jahre 1902 tat Jarl zum erstenmal Dienst mit dem Stifte. Er
zeichnete für das Schleswig-Holsteinische Husarenregiment Ur. 16 ein Reit¬
diplom. Das Blatt, das nun schon in manchem sächsischen, anglischen oder
friesischen Hause hängt, fesselt beim ersten Betrachten vor allem durch die
Feinheit der Farben. Unter grauem Himmel sprengen die blauweißen Reiter
auf dunkeln Pferden über eine Hürde in herbstfahlem, von einem Wasserstreifen
durchronnenem Gefild. Über braune Baum- und Buschkronen schaut die weiße
Front eines hohen Gebäudes, vielleicht die Kaserne, herüber. Möwen, die sich
über dem Wasser tummeln, deuten die Nähe des Meeres an. Der vorderste
Reiter, ein Gefreiter auf einem Rappen, hat die Hürde genommen, der nächste


Germanische Runst für unser Volk in Waffen

Fortschritt gegenüber den frühern Erinnerungsblättern, das bescheidne Blatt
bringt in manches Haus ein farbiges Bild des Dienstes und der Waffe, das
Kornblumen- oder Enzianblau der Geschützräder paßt gut in die Stuben von
Flachland- und von Hochlandbauern, aber die Zeichnung kann mit ihrem noch
etwas unfreien Strich und mit ihrer schwerfälligen Komposition dem Schie߬
diplom Greiners nicht an die Seite gestellt werden.

Erst Jarl fand Gestalten und Farben, die traulich und wehmütig wie die
Weise „Lang, lang ists her" jetzt zu Reservisten sprechen und einst zu Land¬
wehr- und Landstnrmmännern sprechen werden. Als die deutschen Truppen im
Jahre 1897 am hundertsten Geburtstag Kaiser Wilhelms des Ersten die deutsche
Kokarde anlegten, feierte Jarl dieses Ereignis in einem schönen Titelbilde der
„Jugend". Stolz auf den Kokardenschmuck seiner Feldmütze, dem Kopfe seines
sanftblickenden Schimmels traulich nah, lacht uns aus dem Titelbilde ein
bayrischer Schwerer Reiter an. Es ist ein prächtiges Bild germanischer Jugend¬
kraft: die blauen Augen, der junge blonde Schnurrbart, die weißen Zähne
leuchten hell aus dem kühnen gebräunten Gesicht. Unsre Volksart und unser
Volksbewußtsein äußern sich darin verständlich und anmutig für den einfachen
Mann und erquickend und erhebend für den Gebildeten. Dem Zuge der Zeit
folgend kleidete dann der Künstler die Soldaten, von denen sein Stift erzählte,
in Uniformen der Biedermeierzeit, so den Ulanenoffizier, der in seiner ersten
Vaterfreude der Sonne seinen Sohn zeigt:

und die grünen Husaren, die an dem verlaßnen Mägdlein vorüber reiten. Noch
weiter wanderte die Phantasie des Künstlers in dem prächtigen Bilde „Eiserne
Wehr" in die alte Zeit zurück. Auf diesem Bilde ist alles voll wuchtiger Kraft,
Luft, Landschaft, Lanzen, Rosse und Reiter. Dann weiß ich noch ein satirisches
Zeitbild „Im Konzentrationslager", auf dem Jarl der damaligen Entrüstung
über das englische Verfahren im Burenkrieg dadurch Ausdruck gab, daß erden
Tommy Atkinstypus auch auf die englischen Offiziere übertrug, und einen noch
sehr grünen Leutnant von den grünen Husaren, unter dem irgendein harmloses
selbstbewußtes Wort steht.

Im Jahre 1902 tat Jarl zum erstenmal Dienst mit dem Stifte. Er
zeichnete für das Schleswig-Holsteinische Husarenregiment Ur. 16 ein Reit¬
diplom. Das Blatt, das nun schon in manchem sächsischen, anglischen oder
friesischen Hause hängt, fesselt beim ersten Betrachten vor allem durch die
Feinheit der Farben. Unter grauem Himmel sprengen die blauweißen Reiter
auf dunkeln Pferden über eine Hürde in herbstfahlem, von einem Wasserstreifen
durchronnenem Gefild. Über braune Baum- und Buschkronen schaut die weiße
Front eines hohen Gebäudes, vielleicht die Kaserne, herüber. Möwen, die sich
über dem Wasser tummeln, deuten die Nähe des Meeres an. Der vorderste
Reiter, ein Gefreiter auf einem Rappen, hat die Hürde genommen, der nächste


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[0592] Germanische Runst für unser Volk in Waffen Fortschritt gegenüber den frühern Erinnerungsblättern, das bescheidne Blatt bringt in manches Haus ein farbiges Bild des Dienstes und der Waffe, das Kornblumen- oder Enzianblau der Geschützräder paßt gut in die Stuben von Flachland- und von Hochlandbauern, aber die Zeichnung kann mit ihrem noch etwas unfreien Strich und mit ihrer schwerfälligen Komposition dem Schie߬ diplom Greiners nicht an die Seite gestellt werden. Erst Jarl fand Gestalten und Farben, die traulich und wehmütig wie die Weise „Lang, lang ists her" jetzt zu Reservisten sprechen und einst zu Land¬ wehr- und Landstnrmmännern sprechen werden. Als die deutschen Truppen im Jahre 1897 am hundertsten Geburtstag Kaiser Wilhelms des Ersten die deutsche Kokarde anlegten, feierte Jarl dieses Ereignis in einem schönen Titelbilde der „Jugend". Stolz auf den Kokardenschmuck seiner Feldmütze, dem Kopfe seines sanftblickenden Schimmels traulich nah, lacht uns aus dem Titelbilde ein bayrischer Schwerer Reiter an. Es ist ein prächtiges Bild germanischer Jugend¬ kraft: die blauen Augen, der junge blonde Schnurrbart, die weißen Zähne leuchten hell aus dem kühnen gebräunten Gesicht. Unsre Volksart und unser Volksbewußtsein äußern sich darin verständlich und anmutig für den einfachen Mann und erquickend und erhebend für den Gebildeten. Dem Zuge der Zeit folgend kleidete dann der Künstler die Soldaten, von denen sein Stift erzählte, in Uniformen der Biedermeierzeit, so den Ulanenoffizier, der in seiner ersten Vaterfreude der Sonne seinen Sohn zeigt: und die grünen Husaren, die an dem verlaßnen Mägdlein vorüber reiten. Noch weiter wanderte die Phantasie des Künstlers in dem prächtigen Bilde „Eiserne Wehr" in die alte Zeit zurück. Auf diesem Bilde ist alles voll wuchtiger Kraft, Luft, Landschaft, Lanzen, Rosse und Reiter. Dann weiß ich noch ein satirisches Zeitbild „Im Konzentrationslager", auf dem Jarl der damaligen Entrüstung über das englische Verfahren im Burenkrieg dadurch Ausdruck gab, daß erden Tommy Atkinstypus auch auf die englischen Offiziere übertrug, und einen noch sehr grünen Leutnant von den grünen Husaren, unter dem irgendein harmloses selbstbewußtes Wort steht. Im Jahre 1902 tat Jarl zum erstenmal Dienst mit dem Stifte. Er zeichnete für das Schleswig-Holsteinische Husarenregiment Ur. 16 ein Reit¬ diplom. Das Blatt, das nun schon in manchem sächsischen, anglischen oder friesischen Hause hängt, fesselt beim ersten Betrachten vor allem durch die Feinheit der Farben. Unter grauem Himmel sprengen die blauweißen Reiter auf dunkeln Pferden über eine Hürde in herbstfahlem, von einem Wasserstreifen durchronnenem Gefild. Über braune Baum- und Buschkronen schaut die weiße Front eines hohen Gebäudes, vielleicht die Kaserne, herüber. Möwen, die sich über dem Wasser tummeln, deuten die Nähe des Meeres an. Der vorderste Reiter, ein Gefreiter auf einem Rappen, hat die Hürde genommen, der nächste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/592>, abgerufen am 22.07.2024.