Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
<Lin deutscher Magister als Sansculotte

Bispink einen Verleger gefunden hatte. Dieser Beschäftigung machte jedoch der
Feldzug gegen die französischen Nevolntionstrnppen im Frühling 1792 ein
jähes Ende. "Es war wirklich schade, klagt Laukhard selbst, daß ich ans
dein endlich im Ernst angetretneu Wege zu einer regelmäßigeren und konse¬
quenteren Lebensart durch den Feldzug aufgehalten und allen Verführungen zu
einem wüsten Leben, das mit Feldzügen allemal verknüpft ist, wieder preis¬
gegeben wurde. So wollte es aber das Schicksal."

Die Kampagne in Frankreich und die Belagerung von Mainz sind dem
Literaturfreunde aus Goethes klassischen Schilderungen bekannt. Während dieser
jedoch an den: unseligen Marsch in die Champagne als vornehmer Schlachten-
kmmmler im bequemen Reisewagen teilnahm und sich durch all das Unerquick¬
liche, das er zu beobachten Gelegenheit hatte, nicht im geringsten in seiner Be¬
haglichkeit stören ließ, mußte Laukhard das ganze Elend dieses schlecht vor¬
bereiteten und noch schlechter durchgeführten Unternehmens am eignen Leibe
erfahren. Kein Wunder, daß seine Darstellung der Ereignisse wesentlich anders
aussieht! Seine Schilderung der Entbehrungen, denen die preußischen Soldaten
ausgesetzt waren, des Hungers, der Nässe, des Ungeziefers und der Ruhr, die
seine Kameraden scharenweise dahinraffte, vor nilein aber auch der unglaublichen
Zustände in den preußischen Feldlazaretten ist von einer geradezu erschütternden
Realistik. Bis zu der Belagerung von Landau war Laukhard -- und das
weiß er auch in seinen Aufzeichnungen mit feinem literarischen Takt anzu¬
deuten -- nur einer von vielen, jetzt aber, als sich die Blockade als aussichtslos
erwies, wurde ihm eine Rolle zuerteilt, deren Durchführung, wenn sie den ge
wünschten Erfolg gehabt hätte, aller Wahrscheinlichkeit nach dem Gange der
Dinge eine andre Richtung gegeben haben würde. Der ehemalige Magister
erhielt nämlich, nachdem er vom Prinzen Hohenlohe und dem Prinzen Louis
von Preußen sondiert worden war, vom Kronprinzen Friedrich Wilhelm den
sehr delikaten geheimen Auftrag, als angeblicher Deserteur nach Landau zu
gehen und den' Repräsentanten Dentzel, mit dem er von früher her bekannt
war. .durch die Versprechung goldner Berge zur Übergabe der Festung zu
bewegen.

Dieser Anschlag scheiterte an Dentzels Ehrlichkeit, und die Folge war. daß
Laukhard fortan von diesem mit Verachtung gestraft und, als Dentzel selbst
" eine Intrige verwickelt und in Haft genommen worden war. als verdächtig
"rretiert und'einem Verhör unterworfen wurde, bei dein man ihm jedoch keine
Schuld nachweisen konnte oder wollte.

Nach dem Entsatz Laudaus brachte mau ihn mit den andern Deserteuren
und Gefangnen nach dem Innern Frankreichs. Hatte er anfangs für die Re¬
volution Sympathien mehr geheuchelt als empfunden, so lebte er sich nach und
"ach in die Ideenwelt seiner Umgebung ein und wurde ein "Patriot", der
manchen "neufrünkischen" Helden beschämte. Einen Aufenthalt in Straßburgbenutzte er, den berüchtigten Eulogius Schneider zu besuchen, der ehemals
G


renzboten IV 1905
<Lin deutscher Magister als Sansculotte

Bispink einen Verleger gefunden hatte. Dieser Beschäftigung machte jedoch der
Feldzug gegen die französischen Nevolntionstrnppen im Frühling 1792 ein
jähes Ende. „Es war wirklich schade, klagt Laukhard selbst, daß ich ans
dein endlich im Ernst angetretneu Wege zu einer regelmäßigeren und konse¬
quenteren Lebensart durch den Feldzug aufgehalten und allen Verführungen zu
einem wüsten Leben, das mit Feldzügen allemal verknüpft ist, wieder preis¬
gegeben wurde. So wollte es aber das Schicksal."

Die Kampagne in Frankreich und die Belagerung von Mainz sind dem
Literaturfreunde aus Goethes klassischen Schilderungen bekannt. Während dieser
jedoch an den: unseligen Marsch in die Champagne als vornehmer Schlachten-
kmmmler im bequemen Reisewagen teilnahm und sich durch all das Unerquick¬
liche, das er zu beobachten Gelegenheit hatte, nicht im geringsten in seiner Be¬
haglichkeit stören ließ, mußte Laukhard das ganze Elend dieses schlecht vor¬
bereiteten und noch schlechter durchgeführten Unternehmens am eignen Leibe
erfahren. Kein Wunder, daß seine Darstellung der Ereignisse wesentlich anders
aussieht! Seine Schilderung der Entbehrungen, denen die preußischen Soldaten
ausgesetzt waren, des Hungers, der Nässe, des Ungeziefers und der Ruhr, die
seine Kameraden scharenweise dahinraffte, vor nilein aber auch der unglaublichen
Zustände in den preußischen Feldlazaretten ist von einer geradezu erschütternden
Realistik. Bis zu der Belagerung von Landau war Laukhard — und das
weiß er auch in seinen Aufzeichnungen mit feinem literarischen Takt anzu¬
deuten — nur einer von vielen, jetzt aber, als sich die Blockade als aussichtslos
erwies, wurde ihm eine Rolle zuerteilt, deren Durchführung, wenn sie den ge
wünschten Erfolg gehabt hätte, aller Wahrscheinlichkeit nach dem Gange der
Dinge eine andre Richtung gegeben haben würde. Der ehemalige Magister
erhielt nämlich, nachdem er vom Prinzen Hohenlohe und dem Prinzen Louis
von Preußen sondiert worden war, vom Kronprinzen Friedrich Wilhelm den
sehr delikaten geheimen Auftrag, als angeblicher Deserteur nach Landau zu
gehen und den' Repräsentanten Dentzel, mit dem er von früher her bekannt
war. .durch die Versprechung goldner Berge zur Übergabe der Festung zu
bewegen.

Dieser Anschlag scheiterte an Dentzels Ehrlichkeit, und die Folge war. daß
Laukhard fortan von diesem mit Verachtung gestraft und, als Dentzel selbst
" eine Intrige verwickelt und in Haft genommen worden war. als verdächtig
"rretiert und'einem Verhör unterworfen wurde, bei dein man ihm jedoch keine
Schuld nachweisen konnte oder wollte.

Nach dem Entsatz Laudaus brachte mau ihn mit den andern Deserteuren
und Gefangnen nach dem Innern Frankreichs. Hatte er anfangs für die Re¬
volution Sympathien mehr geheuchelt als empfunden, so lebte er sich nach und
"ach in die Ideenwelt seiner Umgebung ein und wurde ein „Patriot", der
manchen „neufrünkischen" Helden beschämte. Einen Aufenthalt in Straßburgbenutzte er, den berüchtigten Eulogius Schneider zu besuchen, der ehemals
G


renzboten IV 1905
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0489" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/310900"/>
          <fw type="header" place="top"> &lt;Lin deutscher Magister als Sansculotte</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2591" prev="#ID_2590"> Bispink einen Verleger gefunden hatte. Dieser Beschäftigung machte jedoch der<lb/>
Feldzug gegen die französischen Nevolntionstrnppen im Frühling 1792 ein<lb/>
jähes Ende. &#x201E;Es war wirklich schade, klagt Laukhard selbst, daß ich ans<lb/>
dein endlich im Ernst angetretneu Wege zu einer regelmäßigeren und konse¬<lb/>
quenteren Lebensart durch den Feldzug aufgehalten und allen Verführungen zu<lb/>
einem wüsten Leben, das mit Feldzügen allemal verknüpft ist, wieder preis¬<lb/>
gegeben wurde.  So wollte es aber das Schicksal."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2592"> Die Kampagne in Frankreich und die Belagerung von Mainz sind dem<lb/>
Literaturfreunde aus Goethes klassischen Schilderungen bekannt. Während dieser<lb/>
jedoch an den: unseligen Marsch in die Champagne als vornehmer Schlachten-<lb/>
kmmmler im bequemen Reisewagen teilnahm und sich durch all das Unerquick¬<lb/>
liche, das er zu beobachten Gelegenheit hatte, nicht im geringsten in seiner Be¬<lb/>
haglichkeit stören ließ, mußte Laukhard das ganze Elend dieses schlecht vor¬<lb/>
bereiteten und noch schlechter durchgeführten Unternehmens am eignen Leibe<lb/>
erfahren. Kein Wunder, daß seine Darstellung der Ereignisse wesentlich anders<lb/>
aussieht! Seine Schilderung der Entbehrungen, denen die preußischen Soldaten<lb/>
ausgesetzt waren, des Hungers, der Nässe, des Ungeziefers und der Ruhr, die<lb/>
seine Kameraden scharenweise dahinraffte, vor nilein aber auch der unglaublichen<lb/>
Zustände in den preußischen Feldlazaretten ist von einer geradezu erschütternden<lb/>
Realistik. Bis zu der Belagerung von Landau war Laukhard &#x2014; und das<lb/>
weiß er auch in seinen Aufzeichnungen mit feinem literarischen Takt anzu¬<lb/>
deuten &#x2014; nur einer von vielen, jetzt aber, als sich die Blockade als aussichtslos<lb/>
erwies, wurde ihm eine Rolle zuerteilt, deren Durchführung, wenn sie den ge<lb/>
wünschten Erfolg gehabt hätte, aller Wahrscheinlichkeit nach dem Gange der<lb/>
Dinge eine andre Richtung gegeben haben würde. Der ehemalige Magister<lb/>
erhielt nämlich, nachdem er vom Prinzen Hohenlohe und dem Prinzen Louis<lb/>
von Preußen sondiert worden war, vom Kronprinzen Friedrich Wilhelm den<lb/>
sehr delikaten geheimen Auftrag, als angeblicher Deserteur nach Landau zu<lb/>
gehen und den' Repräsentanten Dentzel, mit dem er von früher her bekannt<lb/>
war. .durch die Versprechung goldner Berge zur Übergabe der Festung zu<lb/>
bewegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2593"> Dieser Anschlag scheiterte an Dentzels Ehrlichkeit, und die Folge war. daß<lb/>
Laukhard fortan von diesem mit Verachtung gestraft und, als Dentzel selbst<lb/>
" eine Intrige verwickelt und in Haft genommen worden war. als verdächtig<lb/>
"rretiert und'einem Verhör unterworfen wurde, bei dein man ihm jedoch keine<lb/>
Schuld nachweisen konnte oder wollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2594" next="#ID_2595"> Nach dem Entsatz Laudaus brachte mau ihn mit den andern Deserteuren<lb/>
und Gefangnen nach dem Innern Frankreichs. Hatte er anfangs für die Re¬<lb/>
volution Sympathien mehr geheuchelt als empfunden, so lebte er sich nach und<lb/>
"ach in die Ideenwelt seiner Umgebung ein und wurde ein &#x201E;Patriot", der<lb/>
manchen &#x201E;neufrünkischen" Helden beschämte. Einen Aufenthalt in Straßburgbenutzte er, den berüchtigten Eulogius Schneider zu besuchen, der ehemals<lb/>
G</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> renzboten IV 1905</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0489] <Lin deutscher Magister als Sansculotte Bispink einen Verleger gefunden hatte. Dieser Beschäftigung machte jedoch der Feldzug gegen die französischen Nevolntionstrnppen im Frühling 1792 ein jähes Ende. „Es war wirklich schade, klagt Laukhard selbst, daß ich ans dein endlich im Ernst angetretneu Wege zu einer regelmäßigeren und konse¬ quenteren Lebensart durch den Feldzug aufgehalten und allen Verführungen zu einem wüsten Leben, das mit Feldzügen allemal verknüpft ist, wieder preis¬ gegeben wurde. So wollte es aber das Schicksal." Die Kampagne in Frankreich und die Belagerung von Mainz sind dem Literaturfreunde aus Goethes klassischen Schilderungen bekannt. Während dieser jedoch an den: unseligen Marsch in die Champagne als vornehmer Schlachten- kmmmler im bequemen Reisewagen teilnahm und sich durch all das Unerquick¬ liche, das er zu beobachten Gelegenheit hatte, nicht im geringsten in seiner Be¬ haglichkeit stören ließ, mußte Laukhard das ganze Elend dieses schlecht vor¬ bereiteten und noch schlechter durchgeführten Unternehmens am eignen Leibe erfahren. Kein Wunder, daß seine Darstellung der Ereignisse wesentlich anders aussieht! Seine Schilderung der Entbehrungen, denen die preußischen Soldaten ausgesetzt waren, des Hungers, der Nässe, des Ungeziefers und der Ruhr, die seine Kameraden scharenweise dahinraffte, vor nilein aber auch der unglaublichen Zustände in den preußischen Feldlazaretten ist von einer geradezu erschütternden Realistik. Bis zu der Belagerung von Landau war Laukhard — und das weiß er auch in seinen Aufzeichnungen mit feinem literarischen Takt anzu¬ deuten — nur einer von vielen, jetzt aber, als sich die Blockade als aussichtslos erwies, wurde ihm eine Rolle zuerteilt, deren Durchführung, wenn sie den ge wünschten Erfolg gehabt hätte, aller Wahrscheinlichkeit nach dem Gange der Dinge eine andre Richtung gegeben haben würde. Der ehemalige Magister erhielt nämlich, nachdem er vom Prinzen Hohenlohe und dem Prinzen Louis von Preußen sondiert worden war, vom Kronprinzen Friedrich Wilhelm den sehr delikaten geheimen Auftrag, als angeblicher Deserteur nach Landau zu gehen und den' Repräsentanten Dentzel, mit dem er von früher her bekannt war. .durch die Versprechung goldner Berge zur Übergabe der Festung zu bewegen. Dieser Anschlag scheiterte an Dentzels Ehrlichkeit, und die Folge war. daß Laukhard fortan von diesem mit Verachtung gestraft und, als Dentzel selbst " eine Intrige verwickelt und in Haft genommen worden war. als verdächtig "rretiert und'einem Verhör unterworfen wurde, bei dein man ihm jedoch keine Schuld nachweisen konnte oder wollte. Nach dem Entsatz Laudaus brachte mau ihn mit den andern Deserteuren und Gefangnen nach dem Innern Frankreichs. Hatte er anfangs für die Re¬ volution Sympathien mehr geheuchelt als empfunden, so lebte er sich nach und "ach in die Ideenwelt seiner Umgebung ein und wurde ein „Patriot", der manchen „neufrünkischen" Helden beschämte. Einen Aufenthalt in Straßburgbenutzte er, den berüchtigten Eulogius Schneider zu besuchen, der ehemals G renzboten IV 1905

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/489
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/489>, abgerufen am 22.07.2024.