Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Jahre 1797 bis zum Jahre 1904. von der Romantik bis zu Scheffel. Gottfried
Keller und Johannes Richard zur Megede, von Hinze, dem gestiefelten Kater, zu
Hidigeigei, zu Spiegel dem Kätzchen und zum Überkater Carlo. Bunt von Farben,
Eigenschaften und Namen schreiten und streichen und huschen, von ihm gebannt,
Kater und Katzen an uns vorüber. Unter der internationalen Gesellschaft mit den
teils traulichen teils seltsamen Namen Hinze, Murr, Blanchette, Hidigeigei, Carlo,
Kot-Murlyka, Puß, Mitonne, Ebene, Hamilcar, Bindet. Mores, Graph, Schnores,
Pluto, Spiegel sind Schutzgeister. Philister. Philosophen, Weltkinder. Einsiedler,
Blaustrümpfe und Erinnyen. Als Nachegeist erscheint die Katze öfter wie als
Schutzgeist, dem freundlichen, hilfreichen Hinze stehn die Dämone Graph, Schnores,
Pluto und der Werkater Mores gegenüber. Die Katze scheint das Haßerbe des
Wolfs angetreten zu haben. Nach dem Werwolf schuf sich die ängstliche Phantasie
des Volkes die Werkatze. Die Menschheit ist ihren treuen Tiergefährten bis jetzt
viel Dank schuldig geblieben. Man hat der Katze nicht nur den schuldigen Dank versagt,
man hat sich auch an ihr vergangen, indem man sie zur Genossin der Hexe machte.
In einem eignen Kapitel spricht der Verfasser von der Katze als dem Tier der Frau.
In seiner Zeichnung fehlt ein Zug, weil er in der Literatur fehlt. Eine rohe,
oberflächliche Beobachtung ihrer Natur hat die Katze zum Hexentier gestempelt, so
roh dieser Stempel ist, so dauerhaft ist er. Er haftet dem Tiere noch heute an,
wie auch das Weib in der Literatur noch oft als Hexe gebrandmarkt wird. Der
Salomerummel hat etwas vom Hexenwahn an sich, das ist doppelt lächerlich in
einer Zeit, wo das Weib sich aus einer Herd- und Haushüterin, die oft genug
auf die Gesellschaft der Katze angewiesen war, zum treuen Kameraden des Mannes
auf allen Arbeitsgebieten umbildet. Wenn man die Scharen weiblicher Ritter der
Arbeit in den Großstädten sieht, begreift man nicht, daß neben dieser Wirklichkeit
ein Wahnprodukt wie der Salometypus soviel Anklang finden und sich solange
halten kann. Solange aber das Weib nicht von dem Brandmal des Hexentums
befreit ist, wird seine Leidensgenossin, die Katze, ihren Stempel als Hexentier
tragen, obwohl sie nicht mehr Dämonisches an sich hat als der Hund. Auch im
Auge des zahmsten Hundes glüht es grün auf, und die Hundeschnauze, die bei
dem ruhigen Tiere mit ihrer meist plumpen, borstigen Weichheit den Eindruck der
Güte verstärkt, verändert sich erschreckend, wenn das Tier gereizt wird. Wer aber
eine Katze mit Jungen beobachtet hat, weiß, wie ausdrucksvoll, wie feuchtverklärt
auch das Auge dieses unterschätzten Tieres sein kann.

Der Verfasser erzählt interessant von dem Katzenfreunde Hippolyte Taine, der
seine drei Lieblinge Puß, Mitonne und Ebene in zwölf Sonetten feierte, und teilt
uns anmutige Proben aus diesen Dichtungen mit. Aber die Literaturkater Hinze,
Murr und Hidigeigei, deren Schöpfer durch die Sympathie, die sich ihre Geschöpfe
erwarben. Wohltäter eines viel gehegten, aber noch mehr verfolgten Haustieres
geworden sind und einen unvergänglichen Beitrag zu dem Vermögen der Tierschutz¬
vereine geleistet haben, gehören der ersten Hälfte des Jahrhunderts an, durch dessen
Literatur uns der Verfasser führt. Seitdem hat sich kein Dichter mehr der Katze
angenommen, und es scheint fast, als ob sie in der Literatur neuerdings als Hexen¬
tier gebrandmarkt werden solle. Ich habe mich darum gefreut, als am Anfang
dieses Jahres in den Grenzboten ein dänischer Roman mit dem Titel "Der Marquis
von Carabas" erschien. Da erstand also der hilfreiche Dämon Tiecks in Menschen¬
gestalt wieder. Es wäre gut, wenn die Whittingtonstimmung, die im Gestiefelter
Kater herrscht, wieder aufwachte und die Freundschaft zwischen dem Armen und
dem Tier der Armut einmal dichterisch verherrlicht würde. Denn die Katze ist ein
Narkotikum der Armut, ein harmloses Narkotikum, viel harmloser als die Hexen¬
salbe, womit sich einst arme, ohne Liebe verblühte oder durch die Arbeit und die


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Jahre 1797 bis zum Jahre 1904. von der Romantik bis zu Scheffel. Gottfried
Keller und Johannes Richard zur Megede, von Hinze, dem gestiefelten Kater, zu
Hidigeigei, zu Spiegel dem Kätzchen und zum Überkater Carlo. Bunt von Farben,
Eigenschaften und Namen schreiten und streichen und huschen, von ihm gebannt,
Kater und Katzen an uns vorüber. Unter der internationalen Gesellschaft mit den
teils traulichen teils seltsamen Namen Hinze, Murr, Blanchette, Hidigeigei, Carlo,
Kot-Murlyka, Puß, Mitonne, Ebene, Hamilcar, Bindet. Mores, Graph, Schnores,
Pluto, Spiegel sind Schutzgeister. Philister. Philosophen, Weltkinder. Einsiedler,
Blaustrümpfe und Erinnyen. Als Nachegeist erscheint die Katze öfter wie als
Schutzgeist, dem freundlichen, hilfreichen Hinze stehn die Dämone Graph, Schnores,
Pluto und der Werkater Mores gegenüber. Die Katze scheint das Haßerbe des
Wolfs angetreten zu haben. Nach dem Werwolf schuf sich die ängstliche Phantasie
des Volkes die Werkatze. Die Menschheit ist ihren treuen Tiergefährten bis jetzt
viel Dank schuldig geblieben. Man hat der Katze nicht nur den schuldigen Dank versagt,
man hat sich auch an ihr vergangen, indem man sie zur Genossin der Hexe machte.
In einem eignen Kapitel spricht der Verfasser von der Katze als dem Tier der Frau.
In seiner Zeichnung fehlt ein Zug, weil er in der Literatur fehlt. Eine rohe,
oberflächliche Beobachtung ihrer Natur hat die Katze zum Hexentier gestempelt, so
roh dieser Stempel ist, so dauerhaft ist er. Er haftet dem Tiere noch heute an,
wie auch das Weib in der Literatur noch oft als Hexe gebrandmarkt wird. Der
Salomerummel hat etwas vom Hexenwahn an sich, das ist doppelt lächerlich in
einer Zeit, wo das Weib sich aus einer Herd- und Haushüterin, die oft genug
auf die Gesellschaft der Katze angewiesen war, zum treuen Kameraden des Mannes
auf allen Arbeitsgebieten umbildet. Wenn man die Scharen weiblicher Ritter der
Arbeit in den Großstädten sieht, begreift man nicht, daß neben dieser Wirklichkeit
ein Wahnprodukt wie der Salometypus soviel Anklang finden und sich solange
halten kann. Solange aber das Weib nicht von dem Brandmal des Hexentums
befreit ist, wird seine Leidensgenossin, die Katze, ihren Stempel als Hexentier
tragen, obwohl sie nicht mehr Dämonisches an sich hat als der Hund. Auch im
Auge des zahmsten Hundes glüht es grün auf, und die Hundeschnauze, die bei
dem ruhigen Tiere mit ihrer meist plumpen, borstigen Weichheit den Eindruck der
Güte verstärkt, verändert sich erschreckend, wenn das Tier gereizt wird. Wer aber
eine Katze mit Jungen beobachtet hat, weiß, wie ausdrucksvoll, wie feuchtverklärt
auch das Auge dieses unterschätzten Tieres sein kann.

Der Verfasser erzählt interessant von dem Katzenfreunde Hippolyte Taine, der
seine drei Lieblinge Puß, Mitonne und Ebene in zwölf Sonetten feierte, und teilt
uns anmutige Proben aus diesen Dichtungen mit. Aber die Literaturkater Hinze,
Murr und Hidigeigei, deren Schöpfer durch die Sympathie, die sich ihre Geschöpfe
erwarben. Wohltäter eines viel gehegten, aber noch mehr verfolgten Haustieres
geworden sind und einen unvergänglichen Beitrag zu dem Vermögen der Tierschutz¬
vereine geleistet haben, gehören der ersten Hälfte des Jahrhunderts an, durch dessen
Literatur uns der Verfasser führt. Seitdem hat sich kein Dichter mehr der Katze
angenommen, und es scheint fast, als ob sie in der Literatur neuerdings als Hexen¬
tier gebrandmarkt werden solle. Ich habe mich darum gefreut, als am Anfang
dieses Jahres in den Grenzboten ein dänischer Roman mit dem Titel „Der Marquis
von Carabas" erschien. Da erstand also der hilfreiche Dämon Tiecks in Menschen¬
gestalt wieder. Es wäre gut, wenn die Whittingtonstimmung, die im Gestiefelter
Kater herrscht, wieder aufwachte und die Freundschaft zwischen dem Armen und
dem Tier der Armut einmal dichterisch verherrlicht würde. Denn die Katze ist ein
Narkotikum der Armut, ein harmloses Narkotikum, viel harmloser als die Hexen¬
salbe, womit sich einst arme, ohne Liebe verblühte oder durch die Arbeit und die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0470" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/310881"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2541" prev="#ID_2540"> Jahre 1797 bis zum Jahre 1904. von der Romantik bis zu Scheffel. Gottfried<lb/>
Keller und Johannes Richard zur Megede, von Hinze, dem gestiefelten Kater, zu<lb/>
Hidigeigei, zu Spiegel dem Kätzchen und zum Überkater Carlo. Bunt von Farben,<lb/>
Eigenschaften und Namen schreiten und streichen und huschen, von ihm gebannt,<lb/>
Kater und Katzen an uns vorüber. Unter der internationalen Gesellschaft mit den<lb/>
teils traulichen teils seltsamen Namen Hinze, Murr, Blanchette, Hidigeigei, Carlo,<lb/>
Kot-Murlyka, Puß, Mitonne, Ebene, Hamilcar, Bindet. Mores, Graph, Schnores,<lb/>
Pluto, Spiegel sind Schutzgeister. Philister. Philosophen, Weltkinder. Einsiedler,<lb/>
Blaustrümpfe und Erinnyen. Als Nachegeist erscheint die Katze öfter wie als<lb/>
Schutzgeist, dem freundlichen, hilfreichen Hinze stehn die Dämone Graph, Schnores,<lb/>
Pluto und der Werkater Mores gegenüber. Die Katze scheint das Haßerbe des<lb/>
Wolfs angetreten zu haben. Nach dem Werwolf schuf sich die ängstliche Phantasie<lb/>
des Volkes die Werkatze. Die Menschheit ist ihren treuen Tiergefährten bis jetzt<lb/>
viel Dank schuldig geblieben. Man hat der Katze nicht nur den schuldigen Dank versagt,<lb/>
man hat sich auch an ihr vergangen, indem man sie zur Genossin der Hexe machte.<lb/>
In einem eignen Kapitel spricht der Verfasser von der Katze als dem Tier der Frau.<lb/>
In seiner Zeichnung fehlt ein Zug, weil er in der Literatur fehlt. Eine rohe,<lb/>
oberflächliche Beobachtung ihrer Natur hat die Katze zum Hexentier gestempelt, so<lb/>
roh dieser Stempel ist, so dauerhaft ist er. Er haftet dem Tiere noch heute an,<lb/>
wie auch das Weib in der Literatur noch oft als Hexe gebrandmarkt wird. Der<lb/>
Salomerummel hat etwas vom Hexenwahn an sich, das ist doppelt lächerlich in<lb/>
einer Zeit, wo das Weib sich aus einer Herd- und Haushüterin, die oft genug<lb/>
auf die Gesellschaft der Katze angewiesen war, zum treuen Kameraden des Mannes<lb/>
auf allen Arbeitsgebieten umbildet. Wenn man die Scharen weiblicher Ritter der<lb/>
Arbeit in den Großstädten sieht, begreift man nicht, daß neben dieser Wirklichkeit<lb/>
ein Wahnprodukt wie der Salometypus soviel Anklang finden und sich solange<lb/>
halten kann. Solange aber das Weib nicht von dem Brandmal des Hexentums<lb/>
befreit ist, wird seine Leidensgenossin, die Katze, ihren Stempel als Hexentier<lb/>
tragen, obwohl sie nicht mehr Dämonisches an sich hat als der Hund. Auch im<lb/>
Auge des zahmsten Hundes glüht es grün auf, und die Hundeschnauze, die bei<lb/>
dem ruhigen Tiere mit ihrer meist plumpen, borstigen Weichheit den Eindruck der<lb/>
Güte verstärkt, verändert sich erschreckend, wenn das Tier gereizt wird. Wer aber<lb/>
eine Katze mit Jungen beobachtet hat, weiß, wie ausdrucksvoll, wie feuchtverklärt<lb/>
auch das Auge dieses unterschätzten Tieres sein kann.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2542" next="#ID_2543"> Der Verfasser erzählt interessant von dem Katzenfreunde Hippolyte Taine, der<lb/>
seine drei Lieblinge Puß, Mitonne und Ebene in zwölf Sonetten feierte, und teilt<lb/>
uns anmutige Proben aus diesen Dichtungen mit. Aber die Literaturkater Hinze,<lb/>
Murr und Hidigeigei, deren Schöpfer durch die Sympathie, die sich ihre Geschöpfe<lb/>
erwarben. Wohltäter eines viel gehegten, aber noch mehr verfolgten Haustieres<lb/>
geworden sind und einen unvergänglichen Beitrag zu dem Vermögen der Tierschutz¬<lb/>
vereine geleistet haben, gehören der ersten Hälfte des Jahrhunderts an, durch dessen<lb/>
Literatur uns der Verfasser führt. Seitdem hat sich kein Dichter mehr der Katze<lb/>
angenommen, und es scheint fast, als ob sie in der Literatur neuerdings als Hexen¬<lb/>
tier gebrandmarkt werden solle. Ich habe mich darum gefreut, als am Anfang<lb/>
dieses Jahres in den Grenzboten ein dänischer Roman mit dem Titel &#x201E;Der Marquis<lb/>
von Carabas" erschien. Da erstand also der hilfreiche Dämon Tiecks in Menschen¬<lb/>
gestalt wieder. Es wäre gut, wenn die Whittingtonstimmung, die im Gestiefelter<lb/>
Kater herrscht, wieder aufwachte und die Freundschaft zwischen dem Armen und<lb/>
dem Tier der Armut einmal dichterisch verherrlicht würde. Denn die Katze ist ein<lb/>
Narkotikum der Armut, ein harmloses Narkotikum, viel harmloser als die Hexen¬<lb/>
salbe, womit sich einst arme, ohne Liebe verblühte oder durch die Arbeit und die</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0470] Maßgebliches und Unmaßgebliches Jahre 1797 bis zum Jahre 1904. von der Romantik bis zu Scheffel. Gottfried Keller und Johannes Richard zur Megede, von Hinze, dem gestiefelten Kater, zu Hidigeigei, zu Spiegel dem Kätzchen und zum Überkater Carlo. Bunt von Farben, Eigenschaften und Namen schreiten und streichen und huschen, von ihm gebannt, Kater und Katzen an uns vorüber. Unter der internationalen Gesellschaft mit den teils traulichen teils seltsamen Namen Hinze, Murr, Blanchette, Hidigeigei, Carlo, Kot-Murlyka, Puß, Mitonne, Ebene, Hamilcar, Bindet. Mores, Graph, Schnores, Pluto, Spiegel sind Schutzgeister. Philister. Philosophen, Weltkinder. Einsiedler, Blaustrümpfe und Erinnyen. Als Nachegeist erscheint die Katze öfter wie als Schutzgeist, dem freundlichen, hilfreichen Hinze stehn die Dämone Graph, Schnores, Pluto und der Werkater Mores gegenüber. Die Katze scheint das Haßerbe des Wolfs angetreten zu haben. Nach dem Werwolf schuf sich die ängstliche Phantasie des Volkes die Werkatze. Die Menschheit ist ihren treuen Tiergefährten bis jetzt viel Dank schuldig geblieben. Man hat der Katze nicht nur den schuldigen Dank versagt, man hat sich auch an ihr vergangen, indem man sie zur Genossin der Hexe machte. In einem eignen Kapitel spricht der Verfasser von der Katze als dem Tier der Frau. In seiner Zeichnung fehlt ein Zug, weil er in der Literatur fehlt. Eine rohe, oberflächliche Beobachtung ihrer Natur hat die Katze zum Hexentier gestempelt, so roh dieser Stempel ist, so dauerhaft ist er. Er haftet dem Tiere noch heute an, wie auch das Weib in der Literatur noch oft als Hexe gebrandmarkt wird. Der Salomerummel hat etwas vom Hexenwahn an sich, das ist doppelt lächerlich in einer Zeit, wo das Weib sich aus einer Herd- und Haushüterin, die oft genug auf die Gesellschaft der Katze angewiesen war, zum treuen Kameraden des Mannes auf allen Arbeitsgebieten umbildet. Wenn man die Scharen weiblicher Ritter der Arbeit in den Großstädten sieht, begreift man nicht, daß neben dieser Wirklichkeit ein Wahnprodukt wie der Salometypus soviel Anklang finden und sich solange halten kann. Solange aber das Weib nicht von dem Brandmal des Hexentums befreit ist, wird seine Leidensgenossin, die Katze, ihren Stempel als Hexentier tragen, obwohl sie nicht mehr Dämonisches an sich hat als der Hund. Auch im Auge des zahmsten Hundes glüht es grün auf, und die Hundeschnauze, die bei dem ruhigen Tiere mit ihrer meist plumpen, borstigen Weichheit den Eindruck der Güte verstärkt, verändert sich erschreckend, wenn das Tier gereizt wird. Wer aber eine Katze mit Jungen beobachtet hat, weiß, wie ausdrucksvoll, wie feuchtverklärt auch das Auge dieses unterschätzten Tieres sein kann. Der Verfasser erzählt interessant von dem Katzenfreunde Hippolyte Taine, der seine drei Lieblinge Puß, Mitonne und Ebene in zwölf Sonetten feierte, und teilt uns anmutige Proben aus diesen Dichtungen mit. Aber die Literaturkater Hinze, Murr und Hidigeigei, deren Schöpfer durch die Sympathie, die sich ihre Geschöpfe erwarben. Wohltäter eines viel gehegten, aber noch mehr verfolgten Haustieres geworden sind und einen unvergänglichen Beitrag zu dem Vermögen der Tierschutz¬ vereine geleistet haben, gehören der ersten Hälfte des Jahrhunderts an, durch dessen Literatur uns der Verfasser führt. Seitdem hat sich kein Dichter mehr der Katze angenommen, und es scheint fast, als ob sie in der Literatur neuerdings als Hexen¬ tier gebrandmarkt werden solle. Ich habe mich darum gefreut, als am Anfang dieses Jahres in den Grenzboten ein dänischer Roman mit dem Titel „Der Marquis von Carabas" erschien. Da erstand also der hilfreiche Dämon Tiecks in Menschen¬ gestalt wieder. Es wäre gut, wenn die Whittingtonstimmung, die im Gestiefelter Kater herrscht, wieder aufwachte und die Freundschaft zwischen dem Armen und dem Tier der Armut einmal dichterisch verherrlicht würde. Denn die Katze ist ein Narkotikum der Armut, ein harmloses Narkotikum, viel harmloser als die Hexen¬ salbe, womit sich einst arme, ohne Liebe verblühte oder durch die Arbeit und die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/470
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/470>, abgerufen am 22.07.2024.