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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Bismarck und Thiers als Unterhändler

der Franzosen sehr bezeichnenden Redensart Anlaß gab: 1'Luroxs us veut, Ms
euAuZer as in^rk. Bismarck sondierte, behutsam wie immer, sofort in Peters¬
burg und Wien über ein Zusammengehn der drei Reiche zur Verteidigung der
monarchisch-konservativen Grundsätze gegen die republikanisch-sozialistischen und
ließ die kleinen Mächte, namentlich Belgien und Luxemburg, daran erinnern,
daß vielleicht auf ihre Kosten Deutschland mit Frankreich Frieden schließen werde.
Auf solche Weise suchte er die Pläne der französischen Staatsmänner zu durch¬
kreuzen und einer Vermittlung der Neutralen vorzubeugen, deren Ziel nur sein
konnte, "uns Deutschen den Siegespreis vermittelst eines Kongresses zu be¬
schneiden", wie es in seinen "Gedanken und Erinnerungen" heißt. Diese ihn
"Tag und Nacht beunruhigende Gesahr". in bezug auf die er wohl zu schwarz
gesehen hat. erklärt auch seine zu gewissen Zeiten sehr große Gereiztheit, zum
Beispiel als es sich um die Beschießung von Paris handelte.

Im September schon trat Bismarck auch öffentlich den Plänen des Monsieur
Thiers entgegen, namentlich durch die Rundschreiben vom 13. und 16. an die
Vertreter des Norddeutschen Bundes bei den fremden Mächten. Am 13. betonte
er. die deutsche Nation müsse "materielle Bürgschaften für die Sicherheit Deutsch¬
lands gegen Frankreichs künftige Angriffe erstreben, Bürgschaften zugleich für
den europäischen Frieden, der von Deutschland neue Störung nicht zu befürchten
hat"; am 16. wies er darauf hin: "Die einmütige Stimme der deutschen
Regierungen und des deutschen Volkes verlangt, daß Deutschland gegen die Be¬
drohungen und Vergewaltigungen, welche von allen französischen Regierungen
seit Jahrhunderten gegen uns geübt wurden, durch bessere Grenzen als bisher
geschützt werde ... In Deutschlands Besitze gewinnen Straßburg und Metz einen
defensiven Charakter; wir sind in mehr als zwanzig Kriegen niemals der An¬
greifer gegen Frankreich gewesen." Schon damals bezeichnete Bismarck mit der
ihm eignen Offenherzigkeit die Grundlagen des Friedens, und diese mußte Frank¬
reich nach mühseligen Verhandlungen schließlich doch annehmen.

Am 15. erschien der englische GesandtschaftsSekretär Makel, dessen Reise
"an mit Recht als abenteuerlich bezeichnet hat. beim Bundeskanzler, um Jules
Favre den Weg für Verhandlungen zu bahnen. Sie fanden im Rothschildschen
Schlosse zu Ferneres bei Lagny statt, zerschlugen sich jedoch, da Bismarck auf
Auslieferung eines greifbaren Pfandes zur Sicherheit Deutschlands bestand,
während der Franzose jede Landabtretung für Erniedrigung erklärte. Die Deutschen
umzingelten Paris, am 5. Oktober wurde das Hauptquartier nach Versailles ver¬
legt, und einige Tage später verließ Gambetta im Luftballon die Hauptstadt, um
das Volk für Massenerhebung zu entflammen. Doch ans Englands Anregung
wußte er bald darauf Thiers beauftragen, mit Bismarck Fühlung zu suchen.

5. Die Waffenstillstandsverhaudlungen im herbst ^870

Thiers hatte auf seiner Rundreise schlechte Geschäfte gemacht. Nach seiner
Darstellung allerdings lehnte er es in Petersburg ab. auf eigne Faust irgend-


Bismarck und Thiers als Unterhändler

der Franzosen sehr bezeichnenden Redensart Anlaß gab: 1'Luroxs us veut, Ms
euAuZer as in^rk. Bismarck sondierte, behutsam wie immer, sofort in Peters¬
burg und Wien über ein Zusammengehn der drei Reiche zur Verteidigung der
monarchisch-konservativen Grundsätze gegen die republikanisch-sozialistischen und
ließ die kleinen Mächte, namentlich Belgien und Luxemburg, daran erinnern,
daß vielleicht auf ihre Kosten Deutschland mit Frankreich Frieden schließen werde.
Auf solche Weise suchte er die Pläne der französischen Staatsmänner zu durch¬
kreuzen und einer Vermittlung der Neutralen vorzubeugen, deren Ziel nur sein
konnte, „uns Deutschen den Siegespreis vermittelst eines Kongresses zu be¬
schneiden", wie es in seinen „Gedanken und Erinnerungen" heißt. Diese ihn
"Tag und Nacht beunruhigende Gesahr". in bezug auf die er wohl zu schwarz
gesehen hat. erklärt auch seine zu gewissen Zeiten sehr große Gereiztheit, zum
Beispiel als es sich um die Beschießung von Paris handelte.

Im September schon trat Bismarck auch öffentlich den Plänen des Monsieur
Thiers entgegen, namentlich durch die Rundschreiben vom 13. und 16. an die
Vertreter des Norddeutschen Bundes bei den fremden Mächten. Am 13. betonte
er. die deutsche Nation müsse „materielle Bürgschaften für die Sicherheit Deutsch¬
lands gegen Frankreichs künftige Angriffe erstreben, Bürgschaften zugleich für
den europäischen Frieden, der von Deutschland neue Störung nicht zu befürchten
hat"; am 16. wies er darauf hin: „Die einmütige Stimme der deutschen
Regierungen und des deutschen Volkes verlangt, daß Deutschland gegen die Be¬
drohungen und Vergewaltigungen, welche von allen französischen Regierungen
seit Jahrhunderten gegen uns geübt wurden, durch bessere Grenzen als bisher
geschützt werde ... In Deutschlands Besitze gewinnen Straßburg und Metz einen
defensiven Charakter; wir sind in mehr als zwanzig Kriegen niemals der An¬
greifer gegen Frankreich gewesen." Schon damals bezeichnete Bismarck mit der
ihm eignen Offenherzigkeit die Grundlagen des Friedens, und diese mußte Frank¬
reich nach mühseligen Verhandlungen schließlich doch annehmen.

Am 15. erschien der englische GesandtschaftsSekretär Makel, dessen Reise
"an mit Recht als abenteuerlich bezeichnet hat. beim Bundeskanzler, um Jules
Favre den Weg für Verhandlungen zu bahnen. Sie fanden im Rothschildschen
Schlosse zu Ferneres bei Lagny statt, zerschlugen sich jedoch, da Bismarck auf
Auslieferung eines greifbaren Pfandes zur Sicherheit Deutschlands bestand,
während der Franzose jede Landabtretung für Erniedrigung erklärte. Die Deutschen
umzingelten Paris, am 5. Oktober wurde das Hauptquartier nach Versailles ver¬
legt, und einige Tage später verließ Gambetta im Luftballon die Hauptstadt, um
das Volk für Massenerhebung zu entflammen. Doch ans Englands Anregung
wußte er bald darauf Thiers beauftragen, mit Bismarck Fühlung zu suchen.

5. Die Waffenstillstandsverhaudlungen im herbst ^870

Thiers hatte auf seiner Rundreise schlechte Geschäfte gemacht. Nach seiner
Darstellung allerdings lehnte er es in Petersburg ab. auf eigne Faust irgend-


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[0329] Bismarck und Thiers als Unterhändler der Franzosen sehr bezeichnenden Redensart Anlaß gab: 1'Luroxs us veut, Ms euAuZer as in^rk. Bismarck sondierte, behutsam wie immer, sofort in Peters¬ burg und Wien über ein Zusammengehn der drei Reiche zur Verteidigung der monarchisch-konservativen Grundsätze gegen die republikanisch-sozialistischen und ließ die kleinen Mächte, namentlich Belgien und Luxemburg, daran erinnern, daß vielleicht auf ihre Kosten Deutschland mit Frankreich Frieden schließen werde. Auf solche Weise suchte er die Pläne der französischen Staatsmänner zu durch¬ kreuzen und einer Vermittlung der Neutralen vorzubeugen, deren Ziel nur sein konnte, „uns Deutschen den Siegespreis vermittelst eines Kongresses zu be¬ schneiden", wie es in seinen „Gedanken und Erinnerungen" heißt. Diese ihn "Tag und Nacht beunruhigende Gesahr". in bezug auf die er wohl zu schwarz gesehen hat. erklärt auch seine zu gewissen Zeiten sehr große Gereiztheit, zum Beispiel als es sich um die Beschießung von Paris handelte. Im September schon trat Bismarck auch öffentlich den Plänen des Monsieur Thiers entgegen, namentlich durch die Rundschreiben vom 13. und 16. an die Vertreter des Norddeutschen Bundes bei den fremden Mächten. Am 13. betonte er. die deutsche Nation müsse „materielle Bürgschaften für die Sicherheit Deutsch¬ lands gegen Frankreichs künftige Angriffe erstreben, Bürgschaften zugleich für den europäischen Frieden, der von Deutschland neue Störung nicht zu befürchten hat"; am 16. wies er darauf hin: „Die einmütige Stimme der deutschen Regierungen und des deutschen Volkes verlangt, daß Deutschland gegen die Be¬ drohungen und Vergewaltigungen, welche von allen französischen Regierungen seit Jahrhunderten gegen uns geübt wurden, durch bessere Grenzen als bisher geschützt werde ... In Deutschlands Besitze gewinnen Straßburg und Metz einen defensiven Charakter; wir sind in mehr als zwanzig Kriegen niemals der An¬ greifer gegen Frankreich gewesen." Schon damals bezeichnete Bismarck mit der ihm eignen Offenherzigkeit die Grundlagen des Friedens, und diese mußte Frank¬ reich nach mühseligen Verhandlungen schließlich doch annehmen. Am 15. erschien der englische GesandtschaftsSekretär Makel, dessen Reise "an mit Recht als abenteuerlich bezeichnet hat. beim Bundeskanzler, um Jules Favre den Weg für Verhandlungen zu bahnen. Sie fanden im Rothschildschen Schlosse zu Ferneres bei Lagny statt, zerschlugen sich jedoch, da Bismarck auf Auslieferung eines greifbaren Pfandes zur Sicherheit Deutschlands bestand, während der Franzose jede Landabtretung für Erniedrigung erklärte. Die Deutschen umzingelten Paris, am 5. Oktober wurde das Hauptquartier nach Versailles ver¬ legt, und einige Tage später verließ Gambetta im Luftballon die Hauptstadt, um das Volk für Massenerhebung zu entflammen. Doch ans Englands Anregung wußte er bald darauf Thiers beauftragen, mit Bismarck Fühlung zu suchen. 5. Die Waffenstillstandsverhaudlungen im herbst ^870 Thiers hatte auf seiner Rundreise schlechte Geschäfte gemacht. Nach seiner Darstellung allerdings lehnte er es in Petersburg ab. auf eigne Faust irgend-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/329>, abgerufen am 22.07.2024.