Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Über das Lrsmdergeschlecht Siemers

Im Frühjahr des Jahres 1631 kam es zur Belagerung der Stadt, am
10, Mai alten, 20. Mai neuen Stils zu jener furchtbaren Plünderung, die
alles, was bisher im großen Kriege an Scheußlichkeiten verübt worden war,
in den Schatten stellte.

Im Heere der Belagerer diente damals ein Soldat mit Namen Hans
Volkmar, geboren am 24. November 1607 zu Hollenstedt an der Leine in der
heutigen Provinz Hannover. Einer der eifrigsten bei der Plünderung, drang
er mit einer Anzahl von Spießgesellen in das Bruckmcmnsche Haus. Dieses
wurde von unten bis oben durchsucht, und so gelangten die Plünderer anch auf
den Heuboden, wo ein großer Heuhaufen ihre Aufmerksamkeit anzog, weil er-
fnhrungsmäßig die Einwohner der Häuser derartige Verstecke zu benutzen Pflegten,
um Wertvolles darin zu bergen.

Eifrig stocherte Hans Volkmar mit seinem Mvrdgewehr im Heuhaufen.
Da! Ein dumpfer Schrei, Geraschel. Er wühlt weiter. Da stürzt sich aus dem
Heuhaufen ihm zu Füßen, seine Knie umklammernd, ein schönes junges Weib,
notdürftig gekleidet, zum Tode erschrocken, ans einer frischen Wunde an der
Lende blutend, und fleht mit heißem Ringen ums Leben. Einen Angenblick
steht er erstarrt, dann stürzt er sich auf sie, reißt sie hoch, wehrt mit wildem
Rufe: "Laßt die schwarze H . . . exe laufen" die Gefährten zurück und eilt mit
der süßen Beute ins Lager, alle Schätze vergessend.

Vier Tage nachher, am 14. Mai alten, 24. Mai neuen Stils, wurde das
Paar durch einen Feldprediger im Lager getraut.

Hans Volkmar diente noch eine Zeit lang als Soldat, später ließ er sich
in der alten Kaiserstadt Goslar am Harz nieder. Dort erwarb er 1650 das
Bürgerrecht, wurde 1652 Achtsmann, 1660 Stadthauptmann und ist am 28. Mai
1678 im 71. Lebensjahre, nachdem er mit seiner bei der Belagerung Magdeburgs
gewonnenen Ehefrau 47 Jahre im glücklichsten Ehestande gelebt hatte, gestorben.
Seine Witwe überlebte ihn noch lange. Sie starb erst im Jahre 1696 im
85. Jahre ihres Lebens, nachdem sie von 11 Kindern Mutter, von 31 Enkeln
Großmutter, von 30 Urenkeln Urgroßmutter geworden war.

Diese Episode ist die geschichtliche Unterlage für die Familienüberlieferung
des Geschlechtes Siemers, der Stammvater der Siemers sei im Dreißig¬
jährigen Kriege nach Goslar gekommen, und er und seine Ehefrau seien die
Helden des erzählten Magdeburger Abenteuers.

Die mitgeteilten Familiennamen haben aber ergeben, daß es sich dabei nicht
um den Stammvater und die Stammutter des Geschlechtes Siemers handelt.
In Wirklichkeit sind die genannten Personen die Eltern einer Siemensschen
Stammutter, nämlich einer Anna Siemers, gebornen Volkmar.

Diese, die älteste, am 1. August 1636 geborne Tochter des Volkmar-
Crevetschen Ehepaares heiratete einen Hans Siemers, Stadthauptmann und
Achtsmann zu Goslar.

Das Volkmar-Crevetsche Ehepaar ist also ein Ahneupaar, das Siemens-
Volkmarsche Ehepaar das Stammelternpaar des Siemensschen Hauses.


Über das Lrsmdergeschlecht Siemers

Im Frühjahr des Jahres 1631 kam es zur Belagerung der Stadt, am
10, Mai alten, 20. Mai neuen Stils zu jener furchtbaren Plünderung, die
alles, was bisher im großen Kriege an Scheußlichkeiten verübt worden war,
in den Schatten stellte.

Im Heere der Belagerer diente damals ein Soldat mit Namen Hans
Volkmar, geboren am 24. November 1607 zu Hollenstedt an der Leine in der
heutigen Provinz Hannover. Einer der eifrigsten bei der Plünderung, drang
er mit einer Anzahl von Spießgesellen in das Bruckmcmnsche Haus. Dieses
wurde von unten bis oben durchsucht, und so gelangten die Plünderer anch auf
den Heuboden, wo ein großer Heuhaufen ihre Aufmerksamkeit anzog, weil er-
fnhrungsmäßig die Einwohner der Häuser derartige Verstecke zu benutzen Pflegten,
um Wertvolles darin zu bergen.

Eifrig stocherte Hans Volkmar mit seinem Mvrdgewehr im Heuhaufen.
Da! Ein dumpfer Schrei, Geraschel. Er wühlt weiter. Da stürzt sich aus dem
Heuhaufen ihm zu Füßen, seine Knie umklammernd, ein schönes junges Weib,
notdürftig gekleidet, zum Tode erschrocken, ans einer frischen Wunde an der
Lende blutend, und fleht mit heißem Ringen ums Leben. Einen Angenblick
steht er erstarrt, dann stürzt er sich auf sie, reißt sie hoch, wehrt mit wildem
Rufe: „Laßt die schwarze H . . . exe laufen" die Gefährten zurück und eilt mit
der süßen Beute ins Lager, alle Schätze vergessend.

Vier Tage nachher, am 14. Mai alten, 24. Mai neuen Stils, wurde das
Paar durch einen Feldprediger im Lager getraut.

Hans Volkmar diente noch eine Zeit lang als Soldat, später ließ er sich
in der alten Kaiserstadt Goslar am Harz nieder. Dort erwarb er 1650 das
Bürgerrecht, wurde 1652 Achtsmann, 1660 Stadthauptmann und ist am 28. Mai
1678 im 71. Lebensjahre, nachdem er mit seiner bei der Belagerung Magdeburgs
gewonnenen Ehefrau 47 Jahre im glücklichsten Ehestande gelebt hatte, gestorben.
Seine Witwe überlebte ihn noch lange. Sie starb erst im Jahre 1696 im
85. Jahre ihres Lebens, nachdem sie von 11 Kindern Mutter, von 31 Enkeln
Großmutter, von 30 Urenkeln Urgroßmutter geworden war.

Diese Episode ist die geschichtliche Unterlage für die Familienüberlieferung
des Geschlechtes Siemers, der Stammvater der Siemers sei im Dreißig¬
jährigen Kriege nach Goslar gekommen, und er und seine Ehefrau seien die
Helden des erzählten Magdeburger Abenteuers.

Die mitgeteilten Familiennamen haben aber ergeben, daß es sich dabei nicht
um den Stammvater und die Stammutter des Geschlechtes Siemers handelt.
In Wirklichkeit sind die genannten Personen die Eltern einer Siemensschen
Stammutter, nämlich einer Anna Siemers, gebornen Volkmar.

Diese, die älteste, am 1. August 1636 geborne Tochter des Volkmar-
Crevetschen Ehepaares heiratete einen Hans Siemers, Stadthauptmann und
Achtsmann zu Goslar.

Das Volkmar-Crevetsche Ehepaar ist also ein Ahneupaar, das Siemens-
Volkmarsche Ehepaar das Stammelternpaar des Siemensschen Hauses.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0287" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/310698"/>
          <fw type="header" place="top"> Über das Lrsmdergeschlecht Siemers</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1459"> Im Frühjahr des Jahres 1631 kam es zur Belagerung der Stadt, am<lb/>
10, Mai alten, 20. Mai neuen Stils zu jener furchtbaren Plünderung, die<lb/>
alles, was bisher im großen Kriege an Scheußlichkeiten verübt worden war,<lb/>
in den Schatten stellte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1460"> Im Heere der Belagerer diente damals ein Soldat mit Namen Hans<lb/>
Volkmar, geboren am 24. November 1607 zu Hollenstedt an der Leine in der<lb/>
heutigen Provinz Hannover. Einer der eifrigsten bei der Plünderung, drang<lb/>
er mit einer Anzahl von Spießgesellen in das Bruckmcmnsche Haus. Dieses<lb/>
wurde von unten bis oben durchsucht, und so gelangten die Plünderer anch auf<lb/>
den Heuboden, wo ein großer Heuhaufen ihre Aufmerksamkeit anzog, weil er-<lb/>
fnhrungsmäßig die Einwohner der Häuser derartige Verstecke zu benutzen Pflegten,<lb/>
um Wertvolles darin zu bergen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1461"> Eifrig stocherte Hans Volkmar mit seinem Mvrdgewehr im Heuhaufen.<lb/>
Da! Ein dumpfer Schrei, Geraschel. Er wühlt weiter. Da stürzt sich aus dem<lb/>
Heuhaufen ihm zu Füßen, seine Knie umklammernd, ein schönes junges Weib,<lb/>
notdürftig gekleidet, zum Tode erschrocken, ans einer frischen Wunde an der<lb/>
Lende blutend, und fleht mit heißem Ringen ums Leben. Einen Angenblick<lb/>
steht er erstarrt, dann stürzt er sich auf sie, reißt sie hoch, wehrt mit wildem<lb/>
Rufe: &#x201E;Laßt die schwarze H . . . exe laufen" die Gefährten zurück und eilt mit<lb/>
der süßen Beute ins Lager, alle Schätze vergessend.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1462"> Vier Tage nachher, am 14. Mai alten, 24. Mai neuen Stils, wurde das<lb/>
Paar durch einen Feldprediger im Lager getraut.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1463"> Hans Volkmar diente noch eine Zeit lang als Soldat, später ließ er sich<lb/>
in der alten Kaiserstadt Goslar am Harz nieder. Dort erwarb er 1650 das<lb/>
Bürgerrecht, wurde 1652 Achtsmann, 1660 Stadthauptmann und ist am 28. Mai<lb/>
1678 im 71. Lebensjahre, nachdem er mit seiner bei der Belagerung Magdeburgs<lb/>
gewonnenen Ehefrau 47 Jahre im glücklichsten Ehestande gelebt hatte, gestorben.<lb/>
Seine Witwe überlebte ihn noch lange. Sie starb erst im Jahre 1696 im<lb/>
85. Jahre ihres Lebens, nachdem sie von 11 Kindern Mutter, von 31 Enkeln<lb/>
Großmutter, von 30 Urenkeln Urgroßmutter geworden war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1464"> Diese Episode ist die geschichtliche Unterlage für die Familienüberlieferung<lb/>
des Geschlechtes Siemers, der Stammvater der Siemers sei im Dreißig¬<lb/>
jährigen Kriege nach Goslar gekommen, und er und seine Ehefrau seien die<lb/>
Helden des erzählten Magdeburger Abenteuers.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1465"> Die mitgeteilten Familiennamen haben aber ergeben, daß es sich dabei nicht<lb/>
um den Stammvater und die Stammutter des Geschlechtes Siemers handelt.<lb/>
In Wirklichkeit sind die genannten Personen die Eltern einer Siemensschen<lb/>
Stammutter, nämlich einer Anna Siemers, gebornen Volkmar.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1466"> Diese, die älteste, am 1. August 1636 geborne Tochter des Volkmar-<lb/>
Crevetschen Ehepaares heiratete einen Hans Siemers, Stadthauptmann und<lb/>
Achtsmann zu Goslar.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1467"> Das Volkmar-Crevetsche Ehepaar ist also ein Ahneupaar, das Siemens-<lb/>
Volkmarsche Ehepaar das Stammelternpaar des Siemensschen Hauses.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0287] Über das Lrsmdergeschlecht Siemers Im Frühjahr des Jahres 1631 kam es zur Belagerung der Stadt, am 10, Mai alten, 20. Mai neuen Stils zu jener furchtbaren Plünderung, die alles, was bisher im großen Kriege an Scheußlichkeiten verübt worden war, in den Schatten stellte. Im Heere der Belagerer diente damals ein Soldat mit Namen Hans Volkmar, geboren am 24. November 1607 zu Hollenstedt an der Leine in der heutigen Provinz Hannover. Einer der eifrigsten bei der Plünderung, drang er mit einer Anzahl von Spießgesellen in das Bruckmcmnsche Haus. Dieses wurde von unten bis oben durchsucht, und so gelangten die Plünderer anch auf den Heuboden, wo ein großer Heuhaufen ihre Aufmerksamkeit anzog, weil er- fnhrungsmäßig die Einwohner der Häuser derartige Verstecke zu benutzen Pflegten, um Wertvolles darin zu bergen. Eifrig stocherte Hans Volkmar mit seinem Mvrdgewehr im Heuhaufen. Da! Ein dumpfer Schrei, Geraschel. Er wühlt weiter. Da stürzt sich aus dem Heuhaufen ihm zu Füßen, seine Knie umklammernd, ein schönes junges Weib, notdürftig gekleidet, zum Tode erschrocken, ans einer frischen Wunde an der Lende blutend, und fleht mit heißem Ringen ums Leben. Einen Angenblick steht er erstarrt, dann stürzt er sich auf sie, reißt sie hoch, wehrt mit wildem Rufe: „Laßt die schwarze H . . . exe laufen" die Gefährten zurück und eilt mit der süßen Beute ins Lager, alle Schätze vergessend. Vier Tage nachher, am 14. Mai alten, 24. Mai neuen Stils, wurde das Paar durch einen Feldprediger im Lager getraut. Hans Volkmar diente noch eine Zeit lang als Soldat, später ließ er sich in der alten Kaiserstadt Goslar am Harz nieder. Dort erwarb er 1650 das Bürgerrecht, wurde 1652 Achtsmann, 1660 Stadthauptmann und ist am 28. Mai 1678 im 71. Lebensjahre, nachdem er mit seiner bei der Belagerung Magdeburgs gewonnenen Ehefrau 47 Jahre im glücklichsten Ehestande gelebt hatte, gestorben. Seine Witwe überlebte ihn noch lange. Sie starb erst im Jahre 1696 im 85. Jahre ihres Lebens, nachdem sie von 11 Kindern Mutter, von 31 Enkeln Großmutter, von 30 Urenkeln Urgroßmutter geworden war. Diese Episode ist die geschichtliche Unterlage für die Familienüberlieferung des Geschlechtes Siemers, der Stammvater der Siemers sei im Dreißig¬ jährigen Kriege nach Goslar gekommen, und er und seine Ehefrau seien die Helden des erzählten Magdeburger Abenteuers. Die mitgeteilten Familiennamen haben aber ergeben, daß es sich dabei nicht um den Stammvater und die Stammutter des Geschlechtes Siemers handelt. In Wirklichkeit sind die genannten Personen die Eltern einer Siemensschen Stammutter, nämlich einer Anna Siemers, gebornen Volkmar. Diese, die älteste, am 1. August 1636 geborne Tochter des Volkmar- Crevetschen Ehepaares heiratete einen Hans Siemers, Stadthauptmann und Achtsmann zu Goslar. Das Volkmar-Crevetsche Ehepaar ist also ein Ahneupaar, das Siemens- Volkmarsche Ehepaar das Stammelternpaar des Siemensschen Hauses.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/287
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/287>, abgerufen am 24.08.2024.