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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Ästerreich-Ungarn und die Wehrreforin

gebaut ist,*) während -- wenigstens zunächst noch -- für die Kavallerie und
die übrigen berittnen Waffen die dreijährige Dienstzeit bestehn bleiben soll
(für die Marine ebenso die bisherige vierjährige), trägt den vorstehend aus¬
geführten Anforderungen wegen einer wesentlichen Erhöhung der Kriegstüchtig¬
keit des Heeres unleugbar weitgehende Rechnung.

Das jährliche Rekrutenkontingent für das gemeinsame Heer soll demnach
künftighin etwa 160000 Mann betragen, während sich ihre Zahl (nach dem
Gesetz vom 17. April) für 1808 nur auf 103100 Mann (davon 44170 Mann für
Ungarn) beläuft und für die beiden Landmehren zusammen rund 54000 Mann
beträgt^); hierdurch würde sich der gesamte Friedensstand des öster¬
reichisch-ungarischen Heeres auf rund 420000 Mann erhöhen. Die
jetzige "Ersatzreserve", der bisher die überzähligen Tauglichen (jährlich etwa
60000 Mann), ferner die Mindertauglichen und schließlich die aus besondern
Gründen gesetzlich zu berücksichtigenden zugeteilt wurden (diese hatten bisher
eine achtwöchige Ausbildung und drei Übungen bis zu vierwöchiger Dauer
abzumachen) und die im Kriege zur Deckung der entstehenden Abgänge be¬
stimmt war, wird ganz aufhören; dafür soll eine "Kriegswchr" geschaffen
werden, in der die Ernährer ihrer Familien eingestellt würden, die nur eine
achtwöchige Ausbildung (ohne spätere Übungen) zu absolvieren haben und im
Kriege in den Landsturm eingereiht werden. Da in letzter Linie in allen
Heeresverwaltungsangelegenheiten der Landcsverteidigungsminister entscheidet,
so würde für die ungarischen Staatsangehörigen hier der Honvedminister zu¬
ständig sein. Um die Regimenter von den bisherigen drückenden Abgaben
an Ordonnanzen, Burschen, Handwerkern usw. zu befreien und ihren Stand
fernerhin möglichst intakt zu erhalten, sollen besondre Arbeiterabteilnngen
(wahrscheinlich Bataillone) errichtet und zugleich der bisherige Friedcnsstand
der Infanterie und der Artillerie erhöht werden. Sehr wichtig ist schließlich auch
noch die Absicht, die Zahl der Kapitulantenunteroffiziere zu vermehren, ihnen
ein größeres Gehalt und zugleich eine Erleichterung bei der Heiratserlaubuis
zu gewähren.

Da die Verkürzung der Dienstzeit aber nicht auf einmal erfolgen soll,
um nicht die Schlagfertigkeit des Heeres durch eine unzureichende Durchführung
dieser Reformen zu schädigen, so wird sich diese auf mehrere Jahre verteilen,
wodurch auch einer plötzlichen großen Mehrbelastung des Volkes in persön¬
licher wie finanzieller Beziehung vorgebeugt werden soll. Man berechnet diese




*) Bei den technischen Truppen scheint die Frage, ob zwei- oder dreijährige Dienstzeü.
aber noch nicht entschieden, wenigstens schwanken die Angaben hierüber noch. Unter dem Vorsitz
des Neichskriegsministers und des Chefs des Generalstabes tagt eine militärische Fachkommission
des gemeinsamen Kriegsministeriums zur Beratung über das neue Wehrgesetz.
") Bis jetzt, d. h. bis zum 1. Oktober d, I., betrug das Nekrutenkontingenl für die
kaiserlich-königliche Landwehr 19240, für die Landesschützen von Tirol und Vorarlberg 730 und
her HonvedS 12500 Mann, zusammen 32470 Mann,
Ästerreich-Ungarn und die Wehrreforin

gebaut ist,*) während — wenigstens zunächst noch — für die Kavallerie und
die übrigen berittnen Waffen die dreijährige Dienstzeit bestehn bleiben soll
(für die Marine ebenso die bisherige vierjährige), trägt den vorstehend aus¬
geführten Anforderungen wegen einer wesentlichen Erhöhung der Kriegstüchtig¬
keit des Heeres unleugbar weitgehende Rechnung.

Das jährliche Rekrutenkontingent für das gemeinsame Heer soll demnach
künftighin etwa 160000 Mann betragen, während sich ihre Zahl (nach dem
Gesetz vom 17. April) für 1808 nur auf 103100 Mann (davon 44170 Mann für
Ungarn) beläuft und für die beiden Landmehren zusammen rund 54000 Mann
beträgt^); hierdurch würde sich der gesamte Friedensstand des öster¬
reichisch-ungarischen Heeres auf rund 420000 Mann erhöhen. Die
jetzige „Ersatzreserve", der bisher die überzähligen Tauglichen (jährlich etwa
60000 Mann), ferner die Mindertauglichen und schließlich die aus besondern
Gründen gesetzlich zu berücksichtigenden zugeteilt wurden (diese hatten bisher
eine achtwöchige Ausbildung und drei Übungen bis zu vierwöchiger Dauer
abzumachen) und die im Kriege zur Deckung der entstehenden Abgänge be¬
stimmt war, wird ganz aufhören; dafür soll eine „Kriegswchr" geschaffen
werden, in der die Ernährer ihrer Familien eingestellt würden, die nur eine
achtwöchige Ausbildung (ohne spätere Übungen) zu absolvieren haben und im
Kriege in den Landsturm eingereiht werden. Da in letzter Linie in allen
Heeresverwaltungsangelegenheiten der Landcsverteidigungsminister entscheidet,
so würde für die ungarischen Staatsangehörigen hier der Honvedminister zu¬
ständig sein. Um die Regimenter von den bisherigen drückenden Abgaben
an Ordonnanzen, Burschen, Handwerkern usw. zu befreien und ihren Stand
fernerhin möglichst intakt zu erhalten, sollen besondre Arbeiterabteilnngen
(wahrscheinlich Bataillone) errichtet und zugleich der bisherige Friedcnsstand
der Infanterie und der Artillerie erhöht werden. Sehr wichtig ist schließlich auch
noch die Absicht, die Zahl der Kapitulantenunteroffiziere zu vermehren, ihnen
ein größeres Gehalt und zugleich eine Erleichterung bei der Heiratserlaubuis
zu gewähren.

Da die Verkürzung der Dienstzeit aber nicht auf einmal erfolgen soll,
um nicht die Schlagfertigkeit des Heeres durch eine unzureichende Durchführung
dieser Reformen zu schädigen, so wird sich diese auf mehrere Jahre verteilen,
wodurch auch einer plötzlichen großen Mehrbelastung des Volkes in persön¬
licher wie finanzieller Beziehung vorgebeugt werden soll. Man berechnet diese




*) Bei den technischen Truppen scheint die Frage, ob zwei- oder dreijährige Dienstzeü.
aber noch nicht entschieden, wenigstens schwanken die Angaben hierüber noch. Unter dem Vorsitz
des Neichskriegsministers und des Chefs des Generalstabes tagt eine militärische Fachkommission
des gemeinsamen Kriegsministeriums zur Beratung über das neue Wehrgesetz.
") Bis jetzt, d. h. bis zum 1. Oktober d, I., betrug das Nekrutenkontingenl für die
kaiserlich-königliche Landwehr 19240, für die Landesschützen von Tirol und Vorarlberg 730 und
her HonvedS 12500 Mann, zusammen 32470 Mann,
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[0271] Ästerreich-Ungarn und die Wehrreforin gebaut ist,*) während — wenigstens zunächst noch — für die Kavallerie und die übrigen berittnen Waffen die dreijährige Dienstzeit bestehn bleiben soll (für die Marine ebenso die bisherige vierjährige), trägt den vorstehend aus¬ geführten Anforderungen wegen einer wesentlichen Erhöhung der Kriegstüchtig¬ keit des Heeres unleugbar weitgehende Rechnung. Das jährliche Rekrutenkontingent für das gemeinsame Heer soll demnach künftighin etwa 160000 Mann betragen, während sich ihre Zahl (nach dem Gesetz vom 17. April) für 1808 nur auf 103100 Mann (davon 44170 Mann für Ungarn) beläuft und für die beiden Landmehren zusammen rund 54000 Mann beträgt^); hierdurch würde sich der gesamte Friedensstand des öster¬ reichisch-ungarischen Heeres auf rund 420000 Mann erhöhen. Die jetzige „Ersatzreserve", der bisher die überzähligen Tauglichen (jährlich etwa 60000 Mann), ferner die Mindertauglichen und schließlich die aus besondern Gründen gesetzlich zu berücksichtigenden zugeteilt wurden (diese hatten bisher eine achtwöchige Ausbildung und drei Übungen bis zu vierwöchiger Dauer abzumachen) und die im Kriege zur Deckung der entstehenden Abgänge be¬ stimmt war, wird ganz aufhören; dafür soll eine „Kriegswchr" geschaffen werden, in der die Ernährer ihrer Familien eingestellt würden, die nur eine achtwöchige Ausbildung (ohne spätere Übungen) zu absolvieren haben und im Kriege in den Landsturm eingereiht werden. Da in letzter Linie in allen Heeresverwaltungsangelegenheiten der Landcsverteidigungsminister entscheidet, so würde für die ungarischen Staatsangehörigen hier der Honvedminister zu¬ ständig sein. Um die Regimenter von den bisherigen drückenden Abgaben an Ordonnanzen, Burschen, Handwerkern usw. zu befreien und ihren Stand fernerhin möglichst intakt zu erhalten, sollen besondre Arbeiterabteilnngen (wahrscheinlich Bataillone) errichtet und zugleich der bisherige Friedcnsstand der Infanterie und der Artillerie erhöht werden. Sehr wichtig ist schließlich auch noch die Absicht, die Zahl der Kapitulantenunteroffiziere zu vermehren, ihnen ein größeres Gehalt und zugleich eine Erleichterung bei der Heiratserlaubuis zu gewähren. Da die Verkürzung der Dienstzeit aber nicht auf einmal erfolgen soll, um nicht die Schlagfertigkeit des Heeres durch eine unzureichende Durchführung dieser Reformen zu schädigen, so wird sich diese auf mehrere Jahre verteilen, wodurch auch einer plötzlichen großen Mehrbelastung des Volkes in persön¬ licher wie finanzieller Beziehung vorgebeugt werden soll. Man berechnet diese *) Bei den technischen Truppen scheint die Frage, ob zwei- oder dreijährige Dienstzeü. aber noch nicht entschieden, wenigstens schwanken die Angaben hierüber noch. Unter dem Vorsitz des Neichskriegsministers und des Chefs des Generalstabes tagt eine militärische Fachkommission des gemeinsamen Kriegsministeriums zur Beratung über das neue Wehrgesetz. ") Bis jetzt, d. h. bis zum 1. Oktober d, I., betrug das Nekrutenkontingenl für die kaiserlich-königliche Landwehr 19240, für die Landesschützen von Tirol und Vorarlberg 730 und her HonvedS 12500 Mann, zusammen 32470 Mann,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/271>, abgerufen am 22.07.2024.