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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

des englischen Einflusses und diesem völlig preisgegeben. In Wirklichkeit sehn die
Dinge anders aus. Die Lösung der Dardanellenfrage im russischen Sinne bedeutet
ganz einfach das Ende der Türkei in Europa, und Sir Edward Grey ist der letzte,
den man erst noch darüber belehren müßte. Wenn aber Rußland die Regelung der
Balkanfragen auf dem feierlichen und schwierigen Wege einer Konferenz der Mächte
anstrebte, dann dürfte man voraussetzen, daß es diesen umständlichen Weg nicht
wählte, nur um zu der Annexion Bosniens und der Unabhängigkeit Bulgariens Ja
und Amen zu sagen und allenfalls darüber nachzudenken, wie man die Türkei für
ihre -- im Grunde ja doch imaginären -- Verluste entschädigen könnte. Das alles
nur um des Prinzips willen, daß der Berliner Vertrag gewahrt werden müsse, an
dem Rußland bekanntlich seinerzeit wenig Freude gehabt hat. Dergleichen sagt man
wohl, aber man denkt es nicht -- wie man hier in Umkehrung einer oft gebrauchten
Redensart zu bemerken versucht ist. Rußland hatte ein natürliches Interesse daran,
das Programm der geplanten Konferenz zu erweitern, und es wäre zu schön gewesen,
wenn es durch Sonderverhandlnngen mit England und Frankreich dahin gelangt wäre,
eine solche Konferenz zustande zu bringen, deren Programm sicher doch auch Italien
veranlaßt hätte, auf die Seite der Westmächte zu treten, und bei der dann Öster¬
reich-Ungarn und Deutschland als isolierte Minderheit einer geschlossenen Phalanx
der andern Großmächte gegenübergestanden hätten. Doch es hat nicht sollen sein.
Sir Edward Grey konnte sich nicht entschließen, den Hausschlüssel des osmanischen
Reichs in die Hand des guten Freundes aus dem Osten Europas zu legen. Ein
andrer Entschluß wäre ihm auch teuer zu stehn gekommen; denn auf die Preisgabe
der jetzt zu neuer Freiheit erstaudnen Türkei an Rußland hätte die öffentliche
Meinung Englands in einer Weise reagiert, die dem gegenwärtigen Kabinett in
mehr als einer Hinsicht höchst unbequem, wenn nicht geradezu verhängnisvoll ge¬
worden wäre. Er blieb also bei seinem non xossumus, und Herr Jswolskij fand
min, daß die Trauben sauer waren; Rußland wünscht nicht, daß die Dardanellen¬
frage auf der Konferenz erörtert wird -- so hieß es nun --, denn es ist eine
Angelegenheit, die die Türkei und Nußland allein angeht; eine kühne Begründung,
über die selbst der diplomatisch geschulte Sir Edward ein Schmunzeln kaum unter¬
drückt haben wird.

Aber mit dieser Geste der Großmut konnte doch Rußland nicht von der Bühne
der Sonderverhandlungen abtreten. Und so besann es sich auf die lange als un¬
dankbar vernachlässigte Rolle als Protektor der Südslawen. Darin war England
willfähriger; es konnte doch Rußland nicht ganz die Wahrnehmung seiner Interessen
versagen. Man einigte sich also auf die seltsame Forderung, der Konferenz die
Frage einer Entschädigung Serbiens und Montenegros vorzulegen, mit andern
Worten dem Großserbentum einen Bissen hinzuwerfen als Genugtuung für das ver¬
letzte russische Selbstgefühl und als Schachzug gegen Österreich-Ungarn. Damit
gewann freilich das zwischen England und Rußland vereinbarte Konferenzprogramm
eine Gestalt, die in der Türkei die höchste Entrüstung hervorrufen mußte. Von
Rußland hatte man sich nichts andres versehen, aber auch England, für das sich
die Volksstimmung in Konstantinopel und den größern Provinzstädten soeben noch
ebenso blind begeistert hatte, wie sie sich gegen Deutschland törichterweise hatte ein¬
nehmen lassen, verfügte jetzt kaltblütig über türkisches Gebiet und zeigte sich bereit,
alles Geschehene gutzuheißen.

Es war offenbar eine große Unvorsichtigkeit, das Ergebnis der russisch-eng¬
lischen Verhandlungen an die Öffentlichkeit zu bringen. Auch in Frankreich ist
man darüber verschnupft und findet sogar, daß es eine Torheit war, solche Ver¬
abredungen über den Kopf Deutschlands hinweg zu versuchen. Jedenfalls muß
dieses sogenannte Programm der Türkei die Augen darüber öffnen, daß ihr zunächst
eine loyale Verständigung mit Österreich-Ungarn gegenwärtig noch die stärksten.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

des englischen Einflusses und diesem völlig preisgegeben. In Wirklichkeit sehn die
Dinge anders aus. Die Lösung der Dardanellenfrage im russischen Sinne bedeutet
ganz einfach das Ende der Türkei in Europa, und Sir Edward Grey ist der letzte,
den man erst noch darüber belehren müßte. Wenn aber Rußland die Regelung der
Balkanfragen auf dem feierlichen und schwierigen Wege einer Konferenz der Mächte
anstrebte, dann dürfte man voraussetzen, daß es diesen umständlichen Weg nicht
wählte, nur um zu der Annexion Bosniens und der Unabhängigkeit Bulgariens Ja
und Amen zu sagen und allenfalls darüber nachzudenken, wie man die Türkei für
ihre — im Grunde ja doch imaginären — Verluste entschädigen könnte. Das alles
nur um des Prinzips willen, daß der Berliner Vertrag gewahrt werden müsse, an
dem Rußland bekanntlich seinerzeit wenig Freude gehabt hat. Dergleichen sagt man
wohl, aber man denkt es nicht — wie man hier in Umkehrung einer oft gebrauchten
Redensart zu bemerken versucht ist. Rußland hatte ein natürliches Interesse daran,
das Programm der geplanten Konferenz zu erweitern, und es wäre zu schön gewesen,
wenn es durch Sonderverhandlnngen mit England und Frankreich dahin gelangt wäre,
eine solche Konferenz zustande zu bringen, deren Programm sicher doch auch Italien
veranlaßt hätte, auf die Seite der Westmächte zu treten, und bei der dann Öster¬
reich-Ungarn und Deutschland als isolierte Minderheit einer geschlossenen Phalanx
der andern Großmächte gegenübergestanden hätten. Doch es hat nicht sollen sein.
Sir Edward Grey konnte sich nicht entschließen, den Hausschlüssel des osmanischen
Reichs in die Hand des guten Freundes aus dem Osten Europas zu legen. Ein
andrer Entschluß wäre ihm auch teuer zu stehn gekommen; denn auf die Preisgabe
der jetzt zu neuer Freiheit erstaudnen Türkei an Rußland hätte die öffentliche
Meinung Englands in einer Weise reagiert, die dem gegenwärtigen Kabinett in
mehr als einer Hinsicht höchst unbequem, wenn nicht geradezu verhängnisvoll ge¬
worden wäre. Er blieb also bei seinem non xossumus, und Herr Jswolskij fand
min, daß die Trauben sauer waren; Rußland wünscht nicht, daß die Dardanellen¬
frage auf der Konferenz erörtert wird — so hieß es nun —, denn es ist eine
Angelegenheit, die die Türkei und Nußland allein angeht; eine kühne Begründung,
über die selbst der diplomatisch geschulte Sir Edward ein Schmunzeln kaum unter¬
drückt haben wird.

Aber mit dieser Geste der Großmut konnte doch Rußland nicht von der Bühne
der Sonderverhandlungen abtreten. Und so besann es sich auf die lange als un¬
dankbar vernachlässigte Rolle als Protektor der Südslawen. Darin war England
willfähriger; es konnte doch Rußland nicht ganz die Wahrnehmung seiner Interessen
versagen. Man einigte sich also auf die seltsame Forderung, der Konferenz die
Frage einer Entschädigung Serbiens und Montenegros vorzulegen, mit andern
Worten dem Großserbentum einen Bissen hinzuwerfen als Genugtuung für das ver¬
letzte russische Selbstgefühl und als Schachzug gegen Österreich-Ungarn. Damit
gewann freilich das zwischen England und Rußland vereinbarte Konferenzprogramm
eine Gestalt, die in der Türkei die höchste Entrüstung hervorrufen mußte. Von
Rußland hatte man sich nichts andres versehen, aber auch England, für das sich
die Volksstimmung in Konstantinopel und den größern Provinzstädten soeben noch
ebenso blind begeistert hatte, wie sie sich gegen Deutschland törichterweise hatte ein¬
nehmen lassen, verfügte jetzt kaltblütig über türkisches Gebiet und zeigte sich bereit,
alles Geschehene gutzuheißen.

Es war offenbar eine große Unvorsichtigkeit, das Ergebnis der russisch-eng¬
lischen Verhandlungen an die Öffentlichkeit zu bringen. Auch in Frankreich ist
man darüber verschnupft und findet sogar, daß es eine Torheit war, solche Ver¬
abredungen über den Kopf Deutschlands hinweg zu versuchen. Jedenfalls muß
dieses sogenannte Programm der Türkei die Augen darüber öffnen, daß ihr zunächst
eine loyale Verständigung mit Österreich-Ungarn gegenwärtig noch die stärksten.


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[0211] Maßgebliches und Unmaßgebliches des englischen Einflusses und diesem völlig preisgegeben. In Wirklichkeit sehn die Dinge anders aus. Die Lösung der Dardanellenfrage im russischen Sinne bedeutet ganz einfach das Ende der Türkei in Europa, und Sir Edward Grey ist der letzte, den man erst noch darüber belehren müßte. Wenn aber Rußland die Regelung der Balkanfragen auf dem feierlichen und schwierigen Wege einer Konferenz der Mächte anstrebte, dann dürfte man voraussetzen, daß es diesen umständlichen Weg nicht wählte, nur um zu der Annexion Bosniens und der Unabhängigkeit Bulgariens Ja und Amen zu sagen und allenfalls darüber nachzudenken, wie man die Türkei für ihre — im Grunde ja doch imaginären — Verluste entschädigen könnte. Das alles nur um des Prinzips willen, daß der Berliner Vertrag gewahrt werden müsse, an dem Rußland bekanntlich seinerzeit wenig Freude gehabt hat. Dergleichen sagt man wohl, aber man denkt es nicht — wie man hier in Umkehrung einer oft gebrauchten Redensart zu bemerken versucht ist. Rußland hatte ein natürliches Interesse daran, das Programm der geplanten Konferenz zu erweitern, und es wäre zu schön gewesen, wenn es durch Sonderverhandlnngen mit England und Frankreich dahin gelangt wäre, eine solche Konferenz zustande zu bringen, deren Programm sicher doch auch Italien veranlaßt hätte, auf die Seite der Westmächte zu treten, und bei der dann Öster¬ reich-Ungarn und Deutschland als isolierte Minderheit einer geschlossenen Phalanx der andern Großmächte gegenübergestanden hätten. Doch es hat nicht sollen sein. Sir Edward Grey konnte sich nicht entschließen, den Hausschlüssel des osmanischen Reichs in die Hand des guten Freundes aus dem Osten Europas zu legen. Ein andrer Entschluß wäre ihm auch teuer zu stehn gekommen; denn auf die Preisgabe der jetzt zu neuer Freiheit erstaudnen Türkei an Rußland hätte die öffentliche Meinung Englands in einer Weise reagiert, die dem gegenwärtigen Kabinett in mehr als einer Hinsicht höchst unbequem, wenn nicht geradezu verhängnisvoll ge¬ worden wäre. Er blieb also bei seinem non xossumus, und Herr Jswolskij fand min, daß die Trauben sauer waren; Rußland wünscht nicht, daß die Dardanellen¬ frage auf der Konferenz erörtert wird — so hieß es nun —, denn es ist eine Angelegenheit, die die Türkei und Nußland allein angeht; eine kühne Begründung, über die selbst der diplomatisch geschulte Sir Edward ein Schmunzeln kaum unter¬ drückt haben wird. Aber mit dieser Geste der Großmut konnte doch Rußland nicht von der Bühne der Sonderverhandlungen abtreten. Und so besann es sich auf die lange als un¬ dankbar vernachlässigte Rolle als Protektor der Südslawen. Darin war England willfähriger; es konnte doch Rußland nicht ganz die Wahrnehmung seiner Interessen versagen. Man einigte sich also auf die seltsame Forderung, der Konferenz die Frage einer Entschädigung Serbiens und Montenegros vorzulegen, mit andern Worten dem Großserbentum einen Bissen hinzuwerfen als Genugtuung für das ver¬ letzte russische Selbstgefühl und als Schachzug gegen Österreich-Ungarn. Damit gewann freilich das zwischen England und Rußland vereinbarte Konferenzprogramm eine Gestalt, die in der Türkei die höchste Entrüstung hervorrufen mußte. Von Rußland hatte man sich nichts andres versehen, aber auch England, für das sich die Volksstimmung in Konstantinopel und den größern Provinzstädten soeben noch ebenso blind begeistert hatte, wie sie sich gegen Deutschland törichterweise hatte ein¬ nehmen lassen, verfügte jetzt kaltblütig über türkisches Gebiet und zeigte sich bereit, alles Geschehene gutzuheißen. Es war offenbar eine große Unvorsichtigkeit, das Ergebnis der russisch-eng¬ lischen Verhandlungen an die Öffentlichkeit zu bringen. Auch in Frankreich ist man darüber verschnupft und findet sogar, daß es eine Torheit war, solche Ver¬ abredungen über den Kopf Deutschlands hinweg zu versuchen. Jedenfalls muß dieses sogenannte Programm der Türkei die Augen darüber öffnen, daß ihr zunächst eine loyale Verständigung mit Österreich-Ungarn gegenwärtig noch die stärksten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/211>, abgerufen am 22.07.2024.