Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches > Die Generaldebatte über den Etat ist ja bekanntlich die Gelegenheit, bei der Der Eindruck dieses Anfangs der Etatsdebatten ist deshalb recht erfreulich, Briefe an einen jungen Offizier. Selten haben wir an einem Büchlein Maßgebliches und Unmaßgebliches > Die Generaldebatte über den Etat ist ja bekanntlich die Gelegenheit, bei der Der Eindruck dieses Anfangs der Etatsdebatten ist deshalb recht erfreulich, Briefe an einen jungen Offizier. Selten haben wir an einem Büchlein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0551" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303967"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2467"> > Die Generaldebatte über den Etat ist ja bekanntlich die Gelegenheit, bei der<lb/> jede Partei über die gesamten Zustände im öffentlichen Leben spricht und alles vor¬<lb/> bringt, was sie auf dem Herzen hat. So mußte denn auch der Moltke-Harden-<lb/> prozefz , den Stoff zu Betrachtungen geben. Der Zentrumsredner, Abgeordneter<lb/> spähn, tat dies in .so verallgemeinernder Form, daß sich Fürst Bülow, der den<lb/> zufällig verhinderten Kriegsminister von Einem nicht zur Seite hatte, veranlaßt sah,<lb/> sehr energisch dagegen zu wenden und bei dieser Gelegenheit verschiedne falsche<lb/> Darstellungen und Entstellungen über das Thema „Kamarilla", und was damit<lb/> zusammenhängt, zurückzuweisen oder zu berichtigen. Schon am folgenden Tage konnte<lb/> Herr von Einem auch seinerseits eine genaue Darstellung der Vorgänge und Fragen,<lb/> die im Hardenprozeß zur Sprache gekommen waren, geben, und er erfüllte diese<lb/> Pflicht im Anschluß an eine Bebelsche Rede mit so viel Ehrlichkeit und Geschick, daß er<lb/> dafür fast allgemeine Anerkennung erntete. An diesem Tage ergriff Fürst Bülow zum<lb/> zweitenmale das Wort, um eine Schilderung unsrer auswärtigen Politik und unsrer<lb/> Beziehungen zu fremden Mächten zu geben. Am dritten Tage sprach er dann, wie<lb/> wir schon erwähnt haben, über innere Politik und die Aufgaben des Blocks. Der<lb/> Eindruck dieses Auftretens berechtigte jedesmal zu guten Hoffnungen auf einen glück¬<lb/> lichen Fortgang unsrer Reichspolitik. Die persönliche Frische, mit der der Reichs¬<lb/> kanzler auf den Kampfplatz trat, berührte bei allen, die unsre nationale Politik zu unter¬<lb/> stützen bereit sind, besonders angenehm. Man hatte das Gefühl, daß der Reichskanzler<lb/> seiner Sache durchaus sicher ist und sich nicht auf den Wogen der Politik treiben läßt,<lb/> sondern wirklich führt. Das trat in seinen Auseinandersetzungen über die Marokko-<lb/> Politik deutlich hervor, in der glücklich gewählten Form, worin er unser jetziges Ver¬<lb/> hältnis zu England kennzeichnete, in der eleganten Abfuhr, die er Herrn Bebel zuteil<lb/> werden ließ, und in der treffenden Charakteristik der „Tyrannei von unten", die in<lb/> der heutigen Sozialdemokratie ihren Ausdruck findet, der „Umschmeichelung des König<lb/> Demos", vor dem die sozialistischen Freiheitsapostel auf dem Bauche rutschen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2468"> Der Eindruck dieses Anfangs der Etatsdebatten ist deshalb recht erfreulich,<lb/> auch nach der Richtung hin, daß Fürst Bülow keinen Zweifel darüber ließ, daß<lb/> zwischen ihm und dem Zentrum das Tischtuch zerschnitten bleibt. Dem Etat wird<lb/> sich dann wohl noch die erste Beratung des Reichsvereinsgesetzes und der Börsen¬<lb/> gesetznovelle anschließen. Doch können wir uns das Eingehen auf diese schon vor¬<lb/> liegenden Gesetzentwürfe noch vorbehalten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> Briefe an einen jungen Offizier.</head> <p xml:id="ID_2469" next="#ID_2470"> Selten haben wir an einem Büchlein<lb/> so viel Freude und geistigen Genuß gehabt wie an den Briefen an einen jungen<lb/> Offizier von Dr. Ludwig Kenner (C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung, Oskar<lb/> Beck, München, 1907). Der Verfasser ist unsern Lesern schon bekannt durch seine<lb/> wirkungsvollen Artikel, in denen er gegen die Verseuchung unsers Volkes durch die<lb/> Schundliteratur und Schmutzkunst zu Felde zog und Mittel und Wege vorschlug,<lb/> diesem gefährlichen Treiben gewissenloser Literaten und Zeichner entgegenzutreten.<lb/> In dem vorliegenden 100 Seiten starken Büchlein wendet er sich an die Offiziers-<lb/> ' kreise. In vier Kapiteln: Inssss PÜn stiam sanczww, alicMÄ se xroviäum Miaut,<lb/> Junkernot, Kamerad Tellheim, Der beste Kamerad, gibt er eine Reihe vortrefflicher<lb/> Gedanken über die Tugenden, die heute ein junger Offizier haben müsse, wenn er<lb/> seiner Aufgabe, der Erziehung unsers Volks zur Kriegstüchtigkeit, gewachsen sein<lb/> Wolle. Er geht zurück auf die leider oft verschütteten Grundquellen der deutschen<lb/> Kraft und Gesundheit, auf die Tüchtigkeit der Germanen, deren Blut in unsern<lb/> Adern rollt, und die mit ihren vorbildlichen Eigenschaften, wie Tacitus sie schildert,<lb/> wieder das Muster jedes echten deutschen Jünglings und vor allem des deutschen<lb/> Offiziers werden müßten. Keltische und orientalische Unsitten, die sich im Laufe</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0551]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
> Die Generaldebatte über den Etat ist ja bekanntlich die Gelegenheit, bei der
jede Partei über die gesamten Zustände im öffentlichen Leben spricht und alles vor¬
bringt, was sie auf dem Herzen hat. So mußte denn auch der Moltke-Harden-
prozefz , den Stoff zu Betrachtungen geben. Der Zentrumsredner, Abgeordneter
spähn, tat dies in .so verallgemeinernder Form, daß sich Fürst Bülow, der den
zufällig verhinderten Kriegsminister von Einem nicht zur Seite hatte, veranlaßt sah,
sehr energisch dagegen zu wenden und bei dieser Gelegenheit verschiedne falsche
Darstellungen und Entstellungen über das Thema „Kamarilla", und was damit
zusammenhängt, zurückzuweisen oder zu berichtigen. Schon am folgenden Tage konnte
Herr von Einem auch seinerseits eine genaue Darstellung der Vorgänge und Fragen,
die im Hardenprozeß zur Sprache gekommen waren, geben, und er erfüllte diese
Pflicht im Anschluß an eine Bebelsche Rede mit so viel Ehrlichkeit und Geschick, daß er
dafür fast allgemeine Anerkennung erntete. An diesem Tage ergriff Fürst Bülow zum
zweitenmale das Wort, um eine Schilderung unsrer auswärtigen Politik und unsrer
Beziehungen zu fremden Mächten zu geben. Am dritten Tage sprach er dann, wie
wir schon erwähnt haben, über innere Politik und die Aufgaben des Blocks. Der
Eindruck dieses Auftretens berechtigte jedesmal zu guten Hoffnungen auf einen glück¬
lichen Fortgang unsrer Reichspolitik. Die persönliche Frische, mit der der Reichs¬
kanzler auf den Kampfplatz trat, berührte bei allen, die unsre nationale Politik zu unter¬
stützen bereit sind, besonders angenehm. Man hatte das Gefühl, daß der Reichskanzler
seiner Sache durchaus sicher ist und sich nicht auf den Wogen der Politik treiben läßt,
sondern wirklich führt. Das trat in seinen Auseinandersetzungen über die Marokko-
Politik deutlich hervor, in der glücklich gewählten Form, worin er unser jetziges Ver¬
hältnis zu England kennzeichnete, in der eleganten Abfuhr, die er Herrn Bebel zuteil
werden ließ, und in der treffenden Charakteristik der „Tyrannei von unten", die in
der heutigen Sozialdemokratie ihren Ausdruck findet, der „Umschmeichelung des König
Demos", vor dem die sozialistischen Freiheitsapostel auf dem Bauche rutschen.
Der Eindruck dieses Anfangs der Etatsdebatten ist deshalb recht erfreulich,
auch nach der Richtung hin, daß Fürst Bülow keinen Zweifel darüber ließ, daß
zwischen ihm und dem Zentrum das Tischtuch zerschnitten bleibt. Dem Etat wird
sich dann wohl noch die erste Beratung des Reichsvereinsgesetzes und der Börsen¬
gesetznovelle anschließen. Doch können wir uns das Eingehen auf diese schon vor¬
liegenden Gesetzentwürfe noch vorbehalten.
Briefe an einen jungen Offizier. Selten haben wir an einem Büchlein
so viel Freude und geistigen Genuß gehabt wie an den Briefen an einen jungen
Offizier von Dr. Ludwig Kenner (C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung, Oskar
Beck, München, 1907). Der Verfasser ist unsern Lesern schon bekannt durch seine
wirkungsvollen Artikel, in denen er gegen die Verseuchung unsers Volkes durch die
Schundliteratur und Schmutzkunst zu Felde zog und Mittel und Wege vorschlug,
diesem gefährlichen Treiben gewissenloser Literaten und Zeichner entgegenzutreten.
In dem vorliegenden 100 Seiten starken Büchlein wendet er sich an die Offiziers-
' kreise. In vier Kapiteln: Inssss PÜn stiam sanczww, alicMÄ se xroviäum Miaut,
Junkernot, Kamerad Tellheim, Der beste Kamerad, gibt er eine Reihe vortrefflicher
Gedanken über die Tugenden, die heute ein junger Offizier haben müsse, wenn er
seiner Aufgabe, der Erziehung unsers Volks zur Kriegstüchtigkeit, gewachsen sein
Wolle. Er geht zurück auf die leider oft verschütteten Grundquellen der deutschen
Kraft und Gesundheit, auf die Tüchtigkeit der Germanen, deren Blut in unsern
Adern rollt, und die mit ihren vorbildlichen Eigenschaften, wie Tacitus sie schildert,
wieder das Muster jedes echten deutschen Jünglings und vor allem des deutschen
Offiziers werden müßten. Keltische und orientalische Unsitten, die sich im Laufe
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