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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Das Recht am Titel, Grden und Ehrenzeichen

darüber gestritten, ob die landesherrliche Entziehungsbefugnis als noch fort¬
bestehend zu erachten sei. Obwohl nicht ohne Bedeutung für das öffentliche
Leben, hat diese verhältnismüßig neue und wissenschaftlich noch nicht ausgiebig
erörterte Frage bisher keine allseitig befriedigende Lösung gefunden. Um so
dankenswerter ist es, daß sich neuerdings der Altmeister der Staatsrechtswissen¬
schaft, Professor Dr. Labend,*) ihrer bemächtigt und hierdurch Anregung zu
weitern Äußerungen gegeben hat, wie sie hier einem größern Kreise als dem
von Fachgenossen dargeboten werden sollen.

Laband bekennt sich als Gegner des landesherrlichen Entziehungsrechts.
Er geht davon aus, daß die vom Monarchen aus freier Entschließung mit dem
Charakter einer persönlichen Auszeichnung verliehenen Ehrentitel -- ebenso
Orden und andre derartige Ehrenerweisungen -- subjektive öffentliche Rechte
seien, denen an und für sich Schutz gegen Beeinträchtigungen, insbesondre gegen
willkürliche Entziehung, zukommt. Sie seien zwar nicht unentziehbar und könnten
verwirkt werden, aber dem Landesherrn sei es verwehrt, sie im öffentlichen
Interesse nach freiem Ermessen zu widerrufen. Seine Befugnis hierzu ergebe
sich weder aus dem Recht der Verleihung noch aus dem Grundsatz, daß ihm
nach deutschem, insbesondre preußischem Staatsrecht alle Rechte verblieben
seien, die er vor der Einführung der Verfassung gehabt habe. Erscheine die
Entziehung des Titels usw. in allen Fällen, von wem sie auch ausgehe, als
eine peinliche Strafe, so könne sie immer nur dem Gesetze gemäß ausgesprochen
werden. In Preußen werde sie durch die Verfassung unbedingt ausgeschlossen.

Die folgende Betrachtung, die sich in der Hauptsache auf eine teilweise
Wiedergabe früherer Darlegungen ihres Verfassers**) beschränken darf, führt
unter gleichen Voraussetzungen zu abweichenden Ergebnissen. Lassen wir jedoch
diese, nach materiellem Recht zu erledigenden Streitfragen einstweilen beiseite.
In den Vordergrund tritt als wesentlichster Angriffspunkt die für die Ausübung
der landesherrlichen Entziehungsbefugnis allein denkbare Form. Was Laband
in dieser Hinsicht geltend macht, ist geeignet, auch solche, die an jener Be¬
fugnis festhalten, von der Notwendigkeit einer Umgestaltung des gegenwärtigen
Rechtszustandes zu überzeugen.

Wie der Landesherr nicht aus eigner Wahrnehmung ein sicheres Urteil
über die Handlungen, die Lebensführung, den Charakter der mit Titeln und
Orden geschmückten Personen gewinnen kann, sind auch seine Berater zu ihrer
Information auf den Bericht untergeordneter Behörden, auf Denunziationen
u. tgi. angewiesen. Hierauf einzuwirken, sich gegen die Anschuldigungen zu
verteidigen, bietet sich dem mit der Entziehung des Titels oder Ordens be¬
drohten keine Möglichkeit, zudem fehlt es an jeder die Gründe für die Ent¬
ziehung regelnden, unlautere Einflüsse ausschließenden Vorschrift. Es sind dies




Deutsche Juristenzeitung, Jahrgang XII, Ur. 4, S. LOS ff.
^) Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt, Vd. 46, S. 289 ff, Bd. 51, S. I fs-
Das Recht am Titel, Grden und Ehrenzeichen

darüber gestritten, ob die landesherrliche Entziehungsbefugnis als noch fort¬
bestehend zu erachten sei. Obwohl nicht ohne Bedeutung für das öffentliche
Leben, hat diese verhältnismüßig neue und wissenschaftlich noch nicht ausgiebig
erörterte Frage bisher keine allseitig befriedigende Lösung gefunden. Um so
dankenswerter ist es, daß sich neuerdings der Altmeister der Staatsrechtswissen¬
schaft, Professor Dr. Labend,*) ihrer bemächtigt und hierdurch Anregung zu
weitern Äußerungen gegeben hat, wie sie hier einem größern Kreise als dem
von Fachgenossen dargeboten werden sollen.

Laband bekennt sich als Gegner des landesherrlichen Entziehungsrechts.
Er geht davon aus, daß die vom Monarchen aus freier Entschließung mit dem
Charakter einer persönlichen Auszeichnung verliehenen Ehrentitel — ebenso
Orden und andre derartige Ehrenerweisungen — subjektive öffentliche Rechte
seien, denen an und für sich Schutz gegen Beeinträchtigungen, insbesondre gegen
willkürliche Entziehung, zukommt. Sie seien zwar nicht unentziehbar und könnten
verwirkt werden, aber dem Landesherrn sei es verwehrt, sie im öffentlichen
Interesse nach freiem Ermessen zu widerrufen. Seine Befugnis hierzu ergebe
sich weder aus dem Recht der Verleihung noch aus dem Grundsatz, daß ihm
nach deutschem, insbesondre preußischem Staatsrecht alle Rechte verblieben
seien, die er vor der Einführung der Verfassung gehabt habe. Erscheine die
Entziehung des Titels usw. in allen Fällen, von wem sie auch ausgehe, als
eine peinliche Strafe, so könne sie immer nur dem Gesetze gemäß ausgesprochen
werden. In Preußen werde sie durch die Verfassung unbedingt ausgeschlossen.

Die folgende Betrachtung, die sich in der Hauptsache auf eine teilweise
Wiedergabe früherer Darlegungen ihres Verfassers**) beschränken darf, führt
unter gleichen Voraussetzungen zu abweichenden Ergebnissen. Lassen wir jedoch
diese, nach materiellem Recht zu erledigenden Streitfragen einstweilen beiseite.
In den Vordergrund tritt als wesentlichster Angriffspunkt die für die Ausübung
der landesherrlichen Entziehungsbefugnis allein denkbare Form. Was Laband
in dieser Hinsicht geltend macht, ist geeignet, auch solche, die an jener Be¬
fugnis festhalten, von der Notwendigkeit einer Umgestaltung des gegenwärtigen
Rechtszustandes zu überzeugen.

Wie der Landesherr nicht aus eigner Wahrnehmung ein sicheres Urteil
über die Handlungen, die Lebensführung, den Charakter der mit Titeln und
Orden geschmückten Personen gewinnen kann, sind auch seine Berater zu ihrer
Information auf den Bericht untergeordneter Behörden, auf Denunziationen
u. tgi. angewiesen. Hierauf einzuwirken, sich gegen die Anschuldigungen zu
verteidigen, bietet sich dem mit der Entziehung des Titels oder Ordens be¬
drohten keine Möglichkeit, zudem fehlt es an jeder die Gründe für die Ent¬
ziehung regelnden, unlautere Einflüsse ausschließenden Vorschrift. Es sind dies




Deutsche Juristenzeitung, Jahrgang XII, Ur. 4, S. LOS ff.
^) Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt, Vd. 46, S. 289 ff, Bd. 51, S. I fs-
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[0410] Das Recht am Titel, Grden und Ehrenzeichen darüber gestritten, ob die landesherrliche Entziehungsbefugnis als noch fort¬ bestehend zu erachten sei. Obwohl nicht ohne Bedeutung für das öffentliche Leben, hat diese verhältnismüßig neue und wissenschaftlich noch nicht ausgiebig erörterte Frage bisher keine allseitig befriedigende Lösung gefunden. Um so dankenswerter ist es, daß sich neuerdings der Altmeister der Staatsrechtswissen¬ schaft, Professor Dr. Labend,*) ihrer bemächtigt und hierdurch Anregung zu weitern Äußerungen gegeben hat, wie sie hier einem größern Kreise als dem von Fachgenossen dargeboten werden sollen. Laband bekennt sich als Gegner des landesherrlichen Entziehungsrechts. Er geht davon aus, daß die vom Monarchen aus freier Entschließung mit dem Charakter einer persönlichen Auszeichnung verliehenen Ehrentitel — ebenso Orden und andre derartige Ehrenerweisungen — subjektive öffentliche Rechte seien, denen an und für sich Schutz gegen Beeinträchtigungen, insbesondre gegen willkürliche Entziehung, zukommt. Sie seien zwar nicht unentziehbar und könnten verwirkt werden, aber dem Landesherrn sei es verwehrt, sie im öffentlichen Interesse nach freiem Ermessen zu widerrufen. Seine Befugnis hierzu ergebe sich weder aus dem Recht der Verleihung noch aus dem Grundsatz, daß ihm nach deutschem, insbesondre preußischem Staatsrecht alle Rechte verblieben seien, die er vor der Einführung der Verfassung gehabt habe. Erscheine die Entziehung des Titels usw. in allen Fällen, von wem sie auch ausgehe, als eine peinliche Strafe, so könne sie immer nur dem Gesetze gemäß ausgesprochen werden. In Preußen werde sie durch die Verfassung unbedingt ausgeschlossen. Die folgende Betrachtung, die sich in der Hauptsache auf eine teilweise Wiedergabe früherer Darlegungen ihres Verfassers**) beschränken darf, führt unter gleichen Voraussetzungen zu abweichenden Ergebnissen. Lassen wir jedoch diese, nach materiellem Recht zu erledigenden Streitfragen einstweilen beiseite. In den Vordergrund tritt als wesentlichster Angriffspunkt die für die Ausübung der landesherrlichen Entziehungsbefugnis allein denkbare Form. Was Laband in dieser Hinsicht geltend macht, ist geeignet, auch solche, die an jener Be¬ fugnis festhalten, von der Notwendigkeit einer Umgestaltung des gegenwärtigen Rechtszustandes zu überzeugen. Wie der Landesherr nicht aus eigner Wahrnehmung ein sicheres Urteil über die Handlungen, die Lebensführung, den Charakter der mit Titeln und Orden geschmückten Personen gewinnen kann, sind auch seine Berater zu ihrer Information auf den Bericht untergeordneter Behörden, auf Denunziationen u. tgi. angewiesen. Hierauf einzuwirken, sich gegen die Anschuldigungen zu verteidigen, bietet sich dem mit der Entziehung des Titels oder Ordens be¬ drohten keine Möglichkeit, zudem fehlt es an jeder die Gründe für die Ent¬ ziehung regelnden, unlautere Einflüsse ausschließenden Vorschrift. Es sind dies Deutsche Juristenzeitung, Jahrgang XII, Ur. 4, S. LOS ff. ^) Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt, Vd. 46, S. 289 ff, Bd. 51, S. I fs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/410>, abgerufen am 22.07.2024.