Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.windthorst Forderungen nur in engster Verbindung mit den Regierungen zum gedeihlichen Bei der Beratung einer neuen Zivil- und Strafprozeßordnung erfreute Sein Nachfolger, der blinde Georg der Fünfte, ist hinlänglich bekannt. Das verursachte eine gewisse Aufregung, denn Hannover hatte noch keinen windthorst Forderungen nur in engster Verbindung mit den Regierungen zum gedeihlichen Bei der Beratung einer neuen Zivil- und Strafprozeßordnung erfreute Sein Nachfolger, der blinde Georg der Fünfte, ist hinlänglich bekannt. Das verursachte eine gewisse Aufregung, denn Hannover hatte noch keinen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303766"/> <fw type="header" place="top"> windthorst</fw><lb/> <p xml:id="ID_1554" prev="#ID_1553"> Forderungen nur in engster Verbindung mit den Regierungen zum gedeihlichen<lb/> Ziele gelangen können." Die Apostrophe ein die deutschen Volker muß man<lb/> in Anbetracht der Macht, über die die deutschen Regierungen verfügten, unter¬<lb/> schreiben. Dagegen bekundete der leiblich so kurzsichtige Maun mit der an<lb/> Österreich und Preußen gerichteten Mahnung zur Eintracht anch politische<lb/> Kurzsichtigkeit: zwei lebenskräftige Grvßstacitcn in einen politischen Organismus<lb/> zwängen, das ist auf die Dauer unmöglich, und noch unmöglicher ist ihre<lb/> Eintracht. Gelingt es dem einen nicht, den andern zu vernichten, so muß<lb/> einer von beiden ausscheiden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1555"> Bei der Beratung einer neuen Zivil- und Strafprozeßordnung erfreute<lb/> sich Stüve der bereitwilligen Mitarbeit Windthorsts, dagegen machte dieser<lb/> einem Gesetzentwurf, der die Schule von der Kirche emanzipierte und für eine<lb/> reine Staatsanstalt erklärte, die heftigste Opposition. Daß das Gesetz zustande<lb/> kam, konnte er nicht verhindern, aber er rang der Regierung die Zusage ab,<lb/> daß sie sich mit den katholischen Kirchenbehörden verständigen werde, und der<lb/> Erfolg dieser Verständigung war, daß im Bereich der Bistümer Osnabrück<lb/> und Hildesheim alles beim alten blieb. Die Ränke des vom Bundestage<lb/> gestützten Adels beseitigten zwar das Ministerium Stüve, aber das ihm<lb/> folgende Kabinett Münchhausen-Lindemann (unter ihm präsidierte Windthorst<lb/> der Zweiten Kammer) verfolgte denselben Kurs. Sein Gesetz über die Neu¬<lb/> einrichtung der Provinziallandschaften ging trotz heftigem Widerstande des<lb/> Adels und der Bureaukratie durch, doch ehe es Gesetzeskraft erlangte, starb<lb/> der König (am 18. November 1851).</p><lb/> <p xml:id="ID_1556"> Sein Nachfolger, der blinde Georg der Fünfte, ist hinlänglich bekannt.<lb/> HüSgen hebt seine autokratische Gesinnung, sein Gottesgnadenbewußtsein und<lb/> seine aus der Blindheit zu erklärende mißtrauische Natur hervor. Doch sei<lb/> das lebhafte Bewußtsein seiner Herrschcrpflichten anzuerkennen, zu denen er<lb/> auch die Gerechtigkeit gegen seine katholischen Untertanen gerechnet habe,<lb/> obwohl er von Zuneigung zum Katholizismus weit entfernt gewesen sei.<lb/> Seine Unbefangenheit in konfessioneller Beziehung bewies er gleich anfangs<lb/> dadurch, daß er in das neue Ministerium (vou Sehele) Windthorst als Justiz¬<lb/> minister berief.</p><lb/> <p xml:id="ID_1557" next="#ID_1558"> Das verursachte eine gewisse Aufregung, denn Hannover hatte noch keinen<lb/> katholischen Minister gehabt; man spottete: im Ministerium! riechts nach Weih¬<lb/> rauch. Das erste Werk dieses Ministeriums war der Abschluß des Zollver¬<lb/> trags mit Preußen. Es kostete den Ministern Sehele und Windthorst große<lb/> Mühe, den König zur Unterzeichnung des Vertrags zu bewegen; die Minister<lb/> von der Decken und von Borries hatten als Organe des frondierenden Adels<lb/> den König davon abzuhalten gesucht und arbeiteten auf die Beseitigung der<lb/> Verfassung hin. Dabei war nach Hüsgen „im Hintergrunde offen und im<lb/> geheimen eine Macht tätig, die zielbewußt darauf ausging, die Zwietracht der<lb/> in nutzlosen Kämpfen sich aufreibenden Parteien geschickt auszunutzen, um</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0350]
windthorst
Forderungen nur in engster Verbindung mit den Regierungen zum gedeihlichen
Ziele gelangen können." Die Apostrophe ein die deutschen Volker muß man
in Anbetracht der Macht, über die die deutschen Regierungen verfügten, unter¬
schreiben. Dagegen bekundete der leiblich so kurzsichtige Maun mit der an
Österreich und Preußen gerichteten Mahnung zur Eintracht anch politische
Kurzsichtigkeit: zwei lebenskräftige Grvßstacitcn in einen politischen Organismus
zwängen, das ist auf die Dauer unmöglich, und noch unmöglicher ist ihre
Eintracht. Gelingt es dem einen nicht, den andern zu vernichten, so muß
einer von beiden ausscheiden.
Bei der Beratung einer neuen Zivil- und Strafprozeßordnung erfreute
sich Stüve der bereitwilligen Mitarbeit Windthorsts, dagegen machte dieser
einem Gesetzentwurf, der die Schule von der Kirche emanzipierte und für eine
reine Staatsanstalt erklärte, die heftigste Opposition. Daß das Gesetz zustande
kam, konnte er nicht verhindern, aber er rang der Regierung die Zusage ab,
daß sie sich mit den katholischen Kirchenbehörden verständigen werde, und der
Erfolg dieser Verständigung war, daß im Bereich der Bistümer Osnabrück
und Hildesheim alles beim alten blieb. Die Ränke des vom Bundestage
gestützten Adels beseitigten zwar das Ministerium Stüve, aber das ihm
folgende Kabinett Münchhausen-Lindemann (unter ihm präsidierte Windthorst
der Zweiten Kammer) verfolgte denselben Kurs. Sein Gesetz über die Neu¬
einrichtung der Provinziallandschaften ging trotz heftigem Widerstande des
Adels und der Bureaukratie durch, doch ehe es Gesetzeskraft erlangte, starb
der König (am 18. November 1851).
Sein Nachfolger, der blinde Georg der Fünfte, ist hinlänglich bekannt.
HüSgen hebt seine autokratische Gesinnung, sein Gottesgnadenbewußtsein und
seine aus der Blindheit zu erklärende mißtrauische Natur hervor. Doch sei
das lebhafte Bewußtsein seiner Herrschcrpflichten anzuerkennen, zu denen er
auch die Gerechtigkeit gegen seine katholischen Untertanen gerechnet habe,
obwohl er von Zuneigung zum Katholizismus weit entfernt gewesen sei.
Seine Unbefangenheit in konfessioneller Beziehung bewies er gleich anfangs
dadurch, daß er in das neue Ministerium (vou Sehele) Windthorst als Justiz¬
minister berief.
Das verursachte eine gewisse Aufregung, denn Hannover hatte noch keinen
katholischen Minister gehabt; man spottete: im Ministerium! riechts nach Weih¬
rauch. Das erste Werk dieses Ministeriums war der Abschluß des Zollver¬
trags mit Preußen. Es kostete den Ministern Sehele und Windthorst große
Mühe, den König zur Unterzeichnung des Vertrags zu bewegen; die Minister
von der Decken und von Borries hatten als Organe des frondierenden Adels
den König davon abzuhalten gesucht und arbeiteten auf die Beseitigung der
Verfassung hin. Dabei war nach Hüsgen „im Hintergrunde offen und im
geheimen eine Macht tätig, die zielbewußt darauf ausging, die Zwietracht der
in nutzlosen Kämpfen sich aufreibenden Parteien geschickt auszunutzen, um
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