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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Das Problem der Beringsmeer-Eisenbahn

ebenso eine Untersecbcchn von England nach Irland. Jetzt sieht es fast so
aus, als sollte tatsächlich die ferne, unwirtschaftliche, unter dem Polarkreis
liegende Beringstraße die erste Stelle auf Erden werden, wo ein unterseeischer
Eisenbahntunnel zustande kommt.

Dabei liegen gerade hier die Verhältnisse außerordentlich ungünstig und
würden jedenfalls viel größere Hindernisse darbieten, als sie sich bei Über¬
windung der oben genannten, verhältnismäßig schmalen europäischen Meeres-
arme vorfänden -- nicht nur wegen der abnorm schlechten klimatischen Ver¬
hältnisse, sondern auch wegen der Weltentlegenheit der Gegend, in die man
alle zum Bau notwendigen Materialien erst aus der weitesten Ferne schaffen
muß, vor allem aber wegen der verhältnismäßig sehr großen Breite der Bering¬
straße. schwankt doch deren Breite zwischen 75 und 92 Kilometern! Man
mag hiernach ermessen, was für eine Aufgabe der Bau eines Untersectnnnels
ans eine solche Entfernung ist, zumal wenn man weiß, daß der Tunnel durch
den Simplon. der größte bisher existierende, nur 19, der durch den Gotthard
nur 15 Kilometer lang ist.

Wohl ist zunächst daran gedacht worden, die Eisenbahn, die Amerika und
Asien verbinden soll, ans andre Weise über das Hindernis der Beringstraße
hinwegzuführen. Man plante anfangs einen Trajektverkehr für ganze Eisen¬
bahnzüge oder auch den Bau einer riesenhafte", 120 Kilometer langen Brücke,
deren Bau bei der geringen Tiefe des Meeresarms, und da die Inseln in der
Beringstraße gute Stützpunkte abgeben könnten, technisch keine Unmöglichkeit
gewesen wäre -- aber beide Lösungen scheiterten an der Tatsache, daß die
Beringstraße alljährlich der Schauplatz eines ganz ungeheuern Andrangs von
Eismassen ist, und es blieb demnach, wenn man diesen aus dem Wege gehn
will, nur die Anlage eines Unterseetunncls als einzige Möglichkeit übrig, um das
Projekt den klimatischen Unbilden zum Trotze zur Durchführung zu bringen.

Näheres über die Art und Weise, wie der Ban des Tunnels von den
Amerikanern durchgeführt werden soll, ist zurzeit noch nicht bekannt; man weiß
nur, daß die amerikanischen Ingenieure vou der Durchführbarkeit fest überzeugt
sind, und daß der insgesamt sechzig Kilometer lange Tunnel an dem weit in
die Beringstraße hineinspringenden asiatischen Ostkap oder Kap Dcschnew auf
der Tschuktschenhalbinsel (169,40 Grad westlicher Länge) beginnen und beim
amerikanischen Kap Prince of Wales (168 Grad westlicher Länge) enden soll.
Zwischen beiden Kaps liegen die beiden Diomedesinseln, auf denen der Tunnel
eine längere Unterbrechung erfahren soll.

Der Bau der anschließenden Landbahnen wird auf der nordamerikanischen
Seite, wo die Eisenbahnlinie von Vancouver, dem Endpunkt der kanadischen
Pacificlmhn, durch Westkanada und Alaska hindurchlaufen müßte, zwar
sicherlich keine leichte Aufgabe sein, aber er wird schließlich auf keine abnormen
Schwierigkeiten stoßen, zumal da in Alaska schon einige Bahnen gebaut worden
oder im Bau begriffen sind. Um so komplizierter aber wird die Fertigstellung


Das Problem der Beringsmeer-Eisenbahn

ebenso eine Untersecbcchn von England nach Irland. Jetzt sieht es fast so
aus, als sollte tatsächlich die ferne, unwirtschaftliche, unter dem Polarkreis
liegende Beringstraße die erste Stelle auf Erden werden, wo ein unterseeischer
Eisenbahntunnel zustande kommt.

Dabei liegen gerade hier die Verhältnisse außerordentlich ungünstig und
würden jedenfalls viel größere Hindernisse darbieten, als sie sich bei Über¬
windung der oben genannten, verhältnismäßig schmalen europäischen Meeres-
arme vorfänden — nicht nur wegen der abnorm schlechten klimatischen Ver¬
hältnisse, sondern auch wegen der Weltentlegenheit der Gegend, in die man
alle zum Bau notwendigen Materialien erst aus der weitesten Ferne schaffen
muß, vor allem aber wegen der verhältnismäßig sehr großen Breite der Bering¬
straße. schwankt doch deren Breite zwischen 75 und 92 Kilometern! Man
mag hiernach ermessen, was für eine Aufgabe der Bau eines Untersectnnnels
ans eine solche Entfernung ist, zumal wenn man weiß, daß der Tunnel durch
den Simplon. der größte bisher existierende, nur 19, der durch den Gotthard
nur 15 Kilometer lang ist.

Wohl ist zunächst daran gedacht worden, die Eisenbahn, die Amerika und
Asien verbinden soll, ans andre Weise über das Hindernis der Beringstraße
hinwegzuführen. Man plante anfangs einen Trajektverkehr für ganze Eisen¬
bahnzüge oder auch den Bau einer riesenhafte», 120 Kilometer langen Brücke,
deren Bau bei der geringen Tiefe des Meeresarms, und da die Inseln in der
Beringstraße gute Stützpunkte abgeben könnten, technisch keine Unmöglichkeit
gewesen wäre — aber beide Lösungen scheiterten an der Tatsache, daß die
Beringstraße alljährlich der Schauplatz eines ganz ungeheuern Andrangs von
Eismassen ist, und es blieb demnach, wenn man diesen aus dem Wege gehn
will, nur die Anlage eines Unterseetunncls als einzige Möglichkeit übrig, um das
Projekt den klimatischen Unbilden zum Trotze zur Durchführung zu bringen.

Näheres über die Art und Weise, wie der Ban des Tunnels von den
Amerikanern durchgeführt werden soll, ist zurzeit noch nicht bekannt; man weiß
nur, daß die amerikanischen Ingenieure vou der Durchführbarkeit fest überzeugt
sind, und daß der insgesamt sechzig Kilometer lange Tunnel an dem weit in
die Beringstraße hineinspringenden asiatischen Ostkap oder Kap Dcschnew auf
der Tschuktschenhalbinsel (169,40 Grad westlicher Länge) beginnen und beim
amerikanischen Kap Prince of Wales (168 Grad westlicher Länge) enden soll.
Zwischen beiden Kaps liegen die beiden Diomedesinseln, auf denen der Tunnel
eine längere Unterbrechung erfahren soll.

Der Bau der anschließenden Landbahnen wird auf der nordamerikanischen
Seite, wo die Eisenbahnlinie von Vancouver, dem Endpunkt der kanadischen
Pacificlmhn, durch Westkanada und Alaska hindurchlaufen müßte, zwar
sicherlich keine leichte Aufgabe sein, aber er wird schließlich auf keine abnormen
Schwierigkeiten stoßen, zumal da in Alaska schon einige Bahnen gebaut worden
oder im Bau begriffen sind. Um so komplizierter aber wird die Fertigstellung


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[0286] Das Problem der Beringsmeer-Eisenbahn ebenso eine Untersecbcchn von England nach Irland. Jetzt sieht es fast so aus, als sollte tatsächlich die ferne, unwirtschaftliche, unter dem Polarkreis liegende Beringstraße die erste Stelle auf Erden werden, wo ein unterseeischer Eisenbahntunnel zustande kommt. Dabei liegen gerade hier die Verhältnisse außerordentlich ungünstig und würden jedenfalls viel größere Hindernisse darbieten, als sie sich bei Über¬ windung der oben genannten, verhältnismäßig schmalen europäischen Meeres- arme vorfänden — nicht nur wegen der abnorm schlechten klimatischen Ver¬ hältnisse, sondern auch wegen der Weltentlegenheit der Gegend, in die man alle zum Bau notwendigen Materialien erst aus der weitesten Ferne schaffen muß, vor allem aber wegen der verhältnismäßig sehr großen Breite der Bering¬ straße. schwankt doch deren Breite zwischen 75 und 92 Kilometern! Man mag hiernach ermessen, was für eine Aufgabe der Bau eines Untersectnnnels ans eine solche Entfernung ist, zumal wenn man weiß, daß der Tunnel durch den Simplon. der größte bisher existierende, nur 19, der durch den Gotthard nur 15 Kilometer lang ist. Wohl ist zunächst daran gedacht worden, die Eisenbahn, die Amerika und Asien verbinden soll, ans andre Weise über das Hindernis der Beringstraße hinwegzuführen. Man plante anfangs einen Trajektverkehr für ganze Eisen¬ bahnzüge oder auch den Bau einer riesenhafte», 120 Kilometer langen Brücke, deren Bau bei der geringen Tiefe des Meeresarms, und da die Inseln in der Beringstraße gute Stützpunkte abgeben könnten, technisch keine Unmöglichkeit gewesen wäre — aber beide Lösungen scheiterten an der Tatsache, daß die Beringstraße alljährlich der Schauplatz eines ganz ungeheuern Andrangs von Eismassen ist, und es blieb demnach, wenn man diesen aus dem Wege gehn will, nur die Anlage eines Unterseetunncls als einzige Möglichkeit übrig, um das Projekt den klimatischen Unbilden zum Trotze zur Durchführung zu bringen. Näheres über die Art und Weise, wie der Ban des Tunnels von den Amerikanern durchgeführt werden soll, ist zurzeit noch nicht bekannt; man weiß nur, daß die amerikanischen Ingenieure vou der Durchführbarkeit fest überzeugt sind, und daß der insgesamt sechzig Kilometer lange Tunnel an dem weit in die Beringstraße hineinspringenden asiatischen Ostkap oder Kap Dcschnew auf der Tschuktschenhalbinsel (169,40 Grad westlicher Länge) beginnen und beim amerikanischen Kap Prince of Wales (168 Grad westlicher Länge) enden soll. Zwischen beiden Kaps liegen die beiden Diomedesinseln, auf denen der Tunnel eine längere Unterbrechung erfahren soll. Der Bau der anschließenden Landbahnen wird auf der nordamerikanischen Seite, wo die Eisenbahnlinie von Vancouver, dem Endpunkt der kanadischen Pacificlmhn, durch Westkanada und Alaska hindurchlaufen müßte, zwar sicherlich keine leichte Aufgabe sein, aber er wird schließlich auf keine abnormen Schwierigkeiten stoßen, zumal da in Alaska schon einige Bahnen gebaut worden oder im Bau begriffen sind. Um so komplizierter aber wird die Fertigstellung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/286>, abgerufen am 26.06.2024.