Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.vorländers Kant--Schiller--Goethe behörde in jedem beliebigen Verwaltungszweig abgeleistet werden. Früher Vorländers Kant - Schiller - Goethe > lebet Breal, der verdiente Sprachforscher und Genercilinspektor des vorländers Kant—Schiller—Goethe behörde in jedem beliebigen Verwaltungszweig abgeleistet werden. Früher Vorländers Kant - Schiller - Goethe > lebet Breal, der verdiente Sprachforscher und Genercilinspektor des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0079" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302781"/> <fw type="header" place="top"> vorländers Kant—Schiller—Goethe</fw><lb/> <p xml:id="ID_289" prev="#ID_288"> behörde in jedem beliebigen Verwaltungszweig abgeleistet werden. Früher<lb/> waren bekanntlich nur wenig Behörden mit diesem Vorrecht begnadet. In<lb/> Zukunft brauchen sich also zum Beispiel die Herren aus der Verwaltung der<lb/> direkten Steuern nicht mehr erst einige Jahre als Justitiarien oder Vcrwaltungs-<lb/> gerichtsdirektoren zu bemühen, sie können jetzt gleich Vertreter eines Regierungs¬<lb/> präsidenten werden. Noch mehr bevorzugt sind aber die Juristen aus andern<lb/> deutschen Bundesstaaten und aus Elsaß-Lothringen — wie sich auch gehört,<lb/> denn diese Staaten eröffnen ja auch den preußischen Justiz- und Verwaltungs¬<lb/> beamten mit der größten Freude ihre besten Verwaltungsstellen. Diese „Kollegen"<lb/> können ohne irgendwelche Beschränkung in jede Verwaltungsstelle übernommen<lb/> werden. Wartezeit, die vorherige Ableistung einer zehnjährigen Dienstzeit und<lb/> dergleichen unnötige Dinge bestehen für sie nicht. Es kann zum Beispiel jetzt<lb/> ein Rechtsanwalt aus einem süddeutschen Bundesstaat ohne weiteres einem<lb/> Oberprüsidium zugeteilt und dort von vornherein ausschließlich in reinen Ver¬<lb/> waltungssachen beschäftigt werden — natürlich immer vorausgesetzt, daß er etwa<lb/> in der Wahl seines Vaters und dieser in der Wahl seines Korps besonders<lb/> vorsichtig war —, während er sich bisher bedauerlicherweise trotz solchen schönen<lb/> „Beziehungen" erst einige Jahre in einem Justitiariat abquälen mußte. Wie<lb/> man sieht, handelt es sich hier um eine höchst erstaunliche Sache. Ein Herren¬<lb/> hausmitglied wollte diese Bestimmungen deshalb auch gestrichen wissen. Auf<lb/> die geheimnisvolle Andeutung, daß dies politisch bedenklich sei, verzichtete der<lb/> Herr jedoch wieder darauf. Nun, wer einigermaßen mit unsern Verhältnissen<lb/> bekannt ist, wird auch ohne die Hilfe der höhern Politik den Zusammenhang<lb/> verstehen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Vorländers Kant - Schiller - Goethe</head><lb/> <p xml:id="ID_290" next="#ID_291"> > lebet Breal, der verdiente Sprachforscher und Genercilinspektor des<lb/> höhern Unterrichtswesens in Frankreich, erzählte einst dem Philo¬<lb/> sophen Lazarus: „Da bekomme ich neulich ein dickes Buch von<lb/> einem deutschen Gymnasiallehrer aus Gumbinnen oder Meseritz<lb/> I oder dergleichen, eine außerordentlich wertvolle Forschung zur Ge¬<lb/> schichte der lateinischen Sprache. Wenn in Lyon oder Montpellier ein Franzose<lb/> derartiges zustande gebracht hätte, dann wäre es doch selbstverständlich für ihn<lb/> und alle Franzosen, die davon erfahren, daß er nach Paris kommt und früher<lb/> oder später Mitglied der Akademie wird. Der deutsche Gymnasiallehrer aber<lb/> ist schon zufrieden, wenn er nur sein dickes Buch vor sich sieht, und wird ver¬<lb/> mutlich bis an sein seliges Lebensende in Meseritz oder Gumbinnen sitzen<lb/> bleiben!" Es ist diese völkerpsychologische Bemerkung ein feines Kompliment<lb/> für die Tüchtigkeit des deutschen Lehrerstandes und seinen idealistischen Zug,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0079]
vorländers Kant—Schiller—Goethe
behörde in jedem beliebigen Verwaltungszweig abgeleistet werden. Früher
waren bekanntlich nur wenig Behörden mit diesem Vorrecht begnadet. In
Zukunft brauchen sich also zum Beispiel die Herren aus der Verwaltung der
direkten Steuern nicht mehr erst einige Jahre als Justitiarien oder Vcrwaltungs-
gerichtsdirektoren zu bemühen, sie können jetzt gleich Vertreter eines Regierungs¬
präsidenten werden. Noch mehr bevorzugt sind aber die Juristen aus andern
deutschen Bundesstaaten und aus Elsaß-Lothringen — wie sich auch gehört,
denn diese Staaten eröffnen ja auch den preußischen Justiz- und Verwaltungs¬
beamten mit der größten Freude ihre besten Verwaltungsstellen. Diese „Kollegen"
können ohne irgendwelche Beschränkung in jede Verwaltungsstelle übernommen
werden. Wartezeit, die vorherige Ableistung einer zehnjährigen Dienstzeit und
dergleichen unnötige Dinge bestehen für sie nicht. Es kann zum Beispiel jetzt
ein Rechtsanwalt aus einem süddeutschen Bundesstaat ohne weiteres einem
Oberprüsidium zugeteilt und dort von vornherein ausschließlich in reinen Ver¬
waltungssachen beschäftigt werden — natürlich immer vorausgesetzt, daß er etwa
in der Wahl seines Vaters und dieser in der Wahl seines Korps besonders
vorsichtig war —, während er sich bisher bedauerlicherweise trotz solchen schönen
„Beziehungen" erst einige Jahre in einem Justitiariat abquälen mußte. Wie
man sieht, handelt es sich hier um eine höchst erstaunliche Sache. Ein Herren¬
hausmitglied wollte diese Bestimmungen deshalb auch gestrichen wissen. Auf
die geheimnisvolle Andeutung, daß dies politisch bedenklich sei, verzichtete der
Herr jedoch wieder darauf. Nun, wer einigermaßen mit unsern Verhältnissen
bekannt ist, wird auch ohne die Hilfe der höhern Politik den Zusammenhang
verstehen.
Vorländers Kant - Schiller - Goethe
> lebet Breal, der verdiente Sprachforscher und Genercilinspektor des
höhern Unterrichtswesens in Frankreich, erzählte einst dem Philo¬
sophen Lazarus: „Da bekomme ich neulich ein dickes Buch von
einem deutschen Gymnasiallehrer aus Gumbinnen oder Meseritz
I oder dergleichen, eine außerordentlich wertvolle Forschung zur Ge¬
schichte der lateinischen Sprache. Wenn in Lyon oder Montpellier ein Franzose
derartiges zustande gebracht hätte, dann wäre es doch selbstverständlich für ihn
und alle Franzosen, die davon erfahren, daß er nach Paris kommt und früher
oder später Mitglied der Akademie wird. Der deutsche Gymnasiallehrer aber
ist schon zufrieden, wenn er nur sein dickes Buch vor sich sieht, und wird ver¬
mutlich bis an sein seliges Lebensende in Meseritz oder Gumbinnen sitzen
bleiben!" Es ist diese völkerpsychologische Bemerkung ein feines Kompliment
für die Tüchtigkeit des deutschen Lehrerstandes und seinen idealistischen Zug,
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